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In der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang ist in den vergangenen Jahren eine Dystopie Wirklichkeit geworden: Die muslimischen Uiguren werden dort mit allen Möglichkeiten des Digitalzeitalters erfasst und überwacht. Etwa eine Million Menschen sind monatelang in »Umerziehungslagern« interniert, wo Folter, Zwangsarbeit und Gehirnwäsche an der Tagesordnung sind. Gleichzeitig werden Moscheen geschlossen, religiöse Feste untersagt, Baudenkmäler zerstört. Offensichtlich soll die kulturelle Identität des 15-Millionen-Volks ausgelöscht werden. Westliche Konzerne hält das nicht davon ab, in Xinjiang…mehr

Produktbeschreibung
In der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang ist in den vergangenen Jahren eine Dystopie Wirklichkeit geworden: Die muslimischen Uiguren werden dort mit allen Möglichkeiten des Digitalzeitalters erfasst und überwacht. Etwa eine Million Menschen sind monatelang in »Umerziehungslagern« interniert, wo Folter, Zwangsarbeit und Gehirnwäsche an der Tagesordnung sind. Gleichzeitig werden Moscheen geschlossen, religiöse Feste untersagt, Baudenkmäler zerstört. Offensichtlich soll die kulturelle Identität des 15-Millionen-Volks ausgelöscht werden. Westliche Konzerne hält das nicht davon ab, in Xinjiang produzieren zu lassen. Philipp Mattheis' aufrüttelndes Buch erzählt von den Schicksalen Betroffener und klärt über die Hintergründe des Geschehens auf.

»Eines der größten Menschenrechtsverbrechen unserer Zeit.«
Süddeutsche Zeitung

»Vielleicht erklärt ... der Mangel an Bildern die unverzeihliche Empathielosigkeit mit den Uiguren in China, von deren brutaler Entrechtung und massenhafter Internierung die Öffentlichkeit seit Jahren weiß.«
Carolin Emcke

Autorenporträt
Philipp Matheis, Jahrgang 1979, war von 2012 bis 2016 China-Korrespondent der WirtschaftsWoche, von 2016 bis 2019 berichtete er aus Istanbul über die Türkei und den Nahen Osten. Von 2019 bis 2021 war er Ostasien-Korrespondent des Stern. Er studierte Philosophie an der Hochschule für Philosophie in München S. J. und besuchte anschließend die Deutsche Journalistenschule. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, zuletzt: 'Kryptopia' (2018, mit Milosz Matuschek).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein hochaktuelles und wichtiges Buch legt der frühere China-Korrespondent Philipp Mattheis mit diesem Report vor, der die Unterdrückung der Uiguren in Xinjiang nachzeichne, wie Rezensentin Julia Schneider erklärt: Überwachungstechnologie und Assimilierungspolitik, Diskriminierung und Internierung, Folter und Vergewaltigung, Sterilisierungen und Zwangsadoptionen. Besonders beeindruckt die Rezensentin, wie Mattheis einerseits das individuelle Leid der Betroffenen verdeutlicht und andererseits aufzeigt, warum die deutsche Politik noch immer nicht angemessen auf diese Verbrechen reagiert: Die Lobbypolitik der deutschen Autopolitik übe erheblichen Druck auf die Berliner Politik aus, vor allem auch indem sie die Abhängigkeit der deutschen Industrie von chinesischen Märkten übertreibe.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.04.2022

Keine "innere Angelegenheit"
Zeugenaussagen über Chinas Unterdrückungspolitik gegen Uiguren und Kasachen in Xinjiang

Philipp Mattheis, ehemaliger Chinakorrespondent der Wirtschaftswoche und Ostasienkorrespondent des Magazins Stern, hat ein hochaktuelles Buch verfasst. Darin analysiert er die Politik der chinesischen Regierung gegenüber Uiguren und Kasachen sowie die Geschehnisse in den Umerziehungslagern in der Autonomen Region Xinjiang. Er zeigt auf, wie Xinjiang als "Pekings Tor nach Eurasien" in die Politik der "neuen Seidenstraße" sowie in globale Wirtschaftsströme eingebettet und daher von immenser geostrategischer Bedeutung für die chinesische Regierung ist. Gleichzeitig gibt er die persönlichen Schilderungen von uigurischen und kasachischen Lagerüberlebenden wieder. So schafft es Mattheis, das individuelle Leid in den Internierungslagern nicht aus den Augen zu verlieren und gleichzeitig zu erklären, warum die internationale Gemeinschaft sich bislang mit konkreten Konsequenzen für die Verursacher dieses Leids, die chinesische Regierung, zurückgehalten hat.

Mattheis war seit 2014 nicht mehr in Xinjiang und verweist ausdrücklich darauf, dass sein Buch die Recherchen von Forschern wie Adrian Zenz und Mareike Ohlberg und Journalisten wie Harald Maass und Christoph Giesen zusammenfasst. Besonders wichtig sind die Augenzeugenberichte sechs Lagerüberlebender, die 2021 vor dem unabhängigen Uyghur Tribunal aussagten. Zumret Dawut, Abdusalam Muhammad, Mihrigul Tursun, Qelbinur Sidik, Gulbahar Jelilova und Gulbahar Haitiwaji berichten über ständige Überwachung durch Kameras, unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten, Redeverbot. Sie waren dauernder Gehirnwäsche ausgesetzt, mussten täglich Lobsprüche auf Xi Jinping und die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) gebetsmühlenartig wiederholen. Vor allem aber wurden sie massiv gefoltert und häufig vergewaltigt. International sollte besonders der Fall Gulbahar Jelilovas mehr Besorgnis erregen. Jelilova ist kasachische Staatsbürgerin, dennoch wurde sie für über ein Jahr interniert und gefoltert. Fälle wie ihrer zeigen, dass es sich keineswegs um eine rein innerchinesische Angelegenheit handelt, wie die chinesische Regierung betont.

Außerhalb der Lager hat sich Xinjiang in eine orwellsche Dystopie verwandelt. Durch ein dichtes Netz digitaler und analoger Überwachungsmechanismen werden alle Bewegungen aufgezeichnet und geprüft. Aufgrund des enormen Bedarfs an Überwachungstechnologie seitens der chinesischen Regierung gibt es immer mehr Unternehmen, die Gesichtserkennungs- und andere Programme entwickeln, um speziell Uiguren herauszufiltern. Auch aus westlichen Ländern fließt Geld in diese Tech-Unternehmen. Zudem bekommen uigurische Familien nach der Entlassung oft chinesische "Partnerfamilien" zugeteilt, die sie mehrere Tage pro Monat bei sich wohnen lassen müssen, um ihren Assimilierungsgrad überwachen zu lassen.

Mattheis bezieht sich auch auf die Datenforschungen des Anthropologen Adrian Zenz, der durch seine Recherchen zu Stellenausschreibungen für Sicherheitspersonal als Erster feststellte, dass in Xinjiang eine neue Stufe der Diskriminierung der Uiguren erreicht worden war. Mehr als 100 000 Stellen ließ der 2016 nach Xinjiang versetzte Parteisekretär Chen Quanguo bereits in seinem ersten Amtsjahr ausschreiben - in den acht Monaten zuvor waren es lediglich 900 gewesen. Zenz begann daraufhin, andere Zahlen in seine Recherchen einzubeziehen, die zeigen, dass die KPCh seit 2016 eine groß angelegte Strategie in Xinjiang verfolgt, die sie als "Bevölkerungsoptimierung" bezeichnet. Einerseits wurden in großem Maße Lager gebaut. Andererseits wurden immer mehr auch kleinste Kinder in Waisenhäuser gebracht, vermutlich da ihre Eltern interniert waren; die Zahl der Sterilisationen in Xinjiang nahm überproportional stark zu, die der Geburten ab. Das passt in Xi Jinpings Plan, Xinjiang von "Bevölkerungen minderer Qualität" zu säubern.

"Wie bei so vielem, was innerhalb der KPCh vor sich geht", so Mattheis, "können wir nur vermuten, deuten, mögliche Perspektiven aufzeigen - und Konsequenzen für unser eigenes Handeln ziehen." Hinsichtlich der krassen Menschenrechtsverstöße in Xinjiang sollten die deutschen Dax-Konzerne VW, BASF und Siemens ihre Produktionen aus Xinjiang zurückziehen und sich nicht weiter naiv stellen, wenn es um den Verdacht der Zwangsarbeit in Xinjiang geht. Zudem hätten die Olympischen Winterspiele in China von der Bundesregierung boykottiert werden sollen. Laut Mattheis tut sich die Bundesregierung so schwer damit, klar Stellung zu beziehen, weil vor allem die deutsche Autoindustrie gezielt Lobbyismus betreibe, um die Haltung der Bundesregierung zu verwässern. Indem die wirtschaftliche Abhängigkeit von China übermäßig betont werde, erreiche die Autolobby, dass offene Kritik an der Politik Chinas oder klare politische Konsequenzen zum Beispiel in Form von Boykotten ausblieben. Das neue Lieferkettengesetz bilde eine positive Ausnahme.

Zu Recht verweist Mattheis darauf, dass die mangelhafte internationale Reaktion auf die Vorkommnisse in Xinjiang, aber auch in Hongkong die chinesische Führung ermutige, auch im Fall Taiwans bald konkret aktiv zu werden. Die geschickte Umgehung von auf den ersten Blick erkennbaren völkerrechtlichen Vergehen in Xinjiang habe gezeigt, dass die chinesische Regierung auch in Taiwan "smart" vorgehen würde. Mattheis erwartet dort statt militärischer Angriffe unterschwellige Cyberattacken und gesellschaftliche Unterwanderung.

In Sachen Xinjiang hat der Kampf um die Deutungshoheit längst begonnen. Daher ist es schade, dass Mattheis zwar ein Quellenverzeichnis anhängt, aber keine direkten Quellenangaben macht. So mag manchem Leser das häufig verwendete Wort "nachweislich" nicht reichen, da direkte Nachweise eben fehlen. Es hätte dem Buch noch mehr Überzeugungskraft gegeben, hier aufgrund des besonders heiklen Themas, das in dem Diskurs, wer die Deutungshoheit über China heute hat, eine zentrale Rolle spielt, wissenschaftlicher zu arbeiten.

Mattheis selbst kommt zu keiner klaren Aussage darüber, ob in Xinjiang ein Völkermord gemäß der UN-Konvention vorliegt. Er geht davon aus, dass "Völkermorde nicht mehr so vonstattengehen wie Mitte des 20. Jahrhunderts", sondern "smarte Genozide" seien. Mattheis hat knapp die Verkündung des Urteilsspruchs durch das Uyghur Tribunal, welches er ansonsten ausführlich beschreibt und dessen Zeugenaussagen er in sein Buch integriert hat, verpasst. Der Spruch wurde am 9. Dezember 2021 gefällt und könnte nicht eindeutiger sein. Er lautet: "Die Regierung der Volksrepublik China hat sich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und des Völkermords am uigurischen Volk schuldig gemacht." JULIA C. SCHNEIDER

Philipp Mattheis: Ein Volk verschwindet. Wie wir China beim Völkermord an den Uiguren zuschauen.

Ch. Links Verlag, Berlin 2022. 208 S., 18,- Euro.

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»Ein hochaktuelles Buch.« Julia C. Schneider Frankfurter Allgemeine Zeitung 20220405