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Die große italienische Autorin Dacia Maraini blättert in dem Tagebuch ihrer Mutter und erinnert sich an ihre früheste Kindheit: den Aufbruch aus dem faschistischen Italien zu einer langen Reise ins ferne Japan, das unkonventionelle Leben fern der Heimat mit ihrem Vater, dem Ethnologen Fosco Maraini, und ihrer schönen, aristokratischen Mutter Topazia Alliata. Ein berührendes Zeitzeugnis, ergänzt durch zahlreiche Fotos aus dem Familienalbum.

Produktbeschreibung
Die große italienische Autorin Dacia Maraini blättert in dem Tagebuch ihrer Mutter und erinnert sich an ihre früheste Kindheit: den Aufbruch aus dem faschistischen Italien zu einer langen Reise ins ferne Japan, das unkonventionelle Leben fern der Heimat mit ihrem Vater, dem Ethnologen Fosco Maraini, und ihrer schönen, aristokratischen Mutter Topazia Alliata. Ein berührendes Zeitzeugnis, ergänzt durch zahlreiche Fotos aus dem Familienalbum.
Autorenporträt
Dacia Maraini, geb. 1936 in Florenz und bis 1946 in Japan aufgewachsen, lebte danach erst in Palermo, jetzt in Rom. Nach journalistischen Anfängen erschien 1962 ihr erster Roman, und bereits 1963 'Zeit des Unbehagens' als zweiter. Für ihn erhielt sie den 'Prix Formentor'. Bis heute zieht sich das Thema Emanzipation beinahe leitmotivisch durch ihr Werk.
2015 erhielt Dacia Maraini die Ehrendoktorwürde der John Cabot University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2004

Wer zuhört, wird vergöttert
Dacia Maraini kommentiert das japanische Tagebuch ihrer Mutter

Dacia Maraini ist über die Grenzen Italiens hinaus bekannt. In den letzten Jahren ist ein gutes Dutzend ihrer Romane bei uns erschienen, die in geschickter Mischung Spannung, Sozialkritik, wohldosierte Erotik und emanzipatorische Ideen vermitteln. Sie hat feministische Theaterstücke geschrieben und tritt in der italienischen Tagespresse seit längerem mit zeit- und kulturkritischen Essays auf. In ihrem jüngsten Buch hat sich Dacia Maraini nun in das Dokumentarische ihrer eigenen Familiengeschichte hineinbegeben. In liebevoller Aufmachung präsentiert und kommentiert sie die Tagebücher ihrer Mutter, die in den Jahren 1938 bis 1941 entstanden sind und ihre Leser in exotische Ferne führen.

1938 entschlossen sich ihre Eltern - der Vater ein junger Ethnologe, die Mutter eine Tochter aus bester sizilianischer Familie -, das faschistische Italien zu verlassen und zusammen mit der zweijährigen Dacia für unbestimmte Zeit nach Japan zu gehen. Dort war dem begabten Gelehrten ein Forschungsprojekt angeboten worden. Der Bericht über diese Auswanderung der jungen Familie wird zum anschaulichen Exempel einer interkulturellen Begegnung.

Detailliert schildert Dacias Mutter in ihren Aufzeichnungen die Strapazen der langen Reise und der fortschreitenden Anpassung des Familienlebens an die fremden Lebensverhältnisse. Japanische Speisen, Trachten und Spielsachen, Ausflüge in die reizvolle Umgebung Kobes, Begegnungen mit einheimischen Nachbarn und Kollegen, dazu die Geburten der beiden jüngeren Töchter und das Heranwachsen der drei Mädchen - aus vielen Miniaturen entsteht das Bild einer multikulturellen Idylle auf Zeit. Denn das in den Tagebüchern geschilderte Glück war, wie uns Dacia Maraini andeutet, nur von begrenzter Dauer. Die Ehepartner entfernten sich in der fremden Umgebung innerlich voneinander, vor allem aber holte die Weltpolitik die italienischen Auswanderer ein: 1943 wurde die Familie wegen ihrer liberalen politischen Ansichten - die Eltern hatten stets die Politik Mussolinis kritisiert - in einem japanischen Konzentrationslager interniert.

Davon erzählen die Tagebücher der Mutter jedoch nichts mehr, und Maraini selbst spricht nur vage über den Schmerz dieser Zeit. Auf der letzten Seite bekennt sie: "Jahrelang habe ich selbst versucht, diese Geschichte zu erzählen, aber noch bevor ich überhaupt richtig anfing, habe ich bereits innegehalten, mit stockendem Atem, mit einem Gefühl der Scham und Bestürzung zugleich." Durch die Andeutung des Dunkeln, für das sie noch keine Worte gefunden hat, versucht Maraini ihrer Darstellung Tiefe und Glaubwürdigkeit zu geben.

Dort jedoch, wo von den Alltäglichkeiten des Familienlebens die Rede ist, fällt ihr das Erzählen leichter. Das führt zu manchen Verschiebungen in den Proportionen des Buches, denn Marainis Kommentare zu den mütterlichen Tagebuchnotizen übertreffen deren Umfang oft beträchtlich. Vor allem versucht die Autorin immer wieder, aus den frühen Beobachtungen ihrer Mutter Rückschlüsse auf ihre eigene spätere Entwicklung zu ziehen. Dabei wird manches kindliche Erlebnis stark strapaziert. So notiert die Mutter auf der langen Schiffspassage lakonisch über ihre zweijährige Tochter: "D. überlassen wir immer öfter den Zimmerkellnern. Die vergöttern sie." Die erwachsene Dacia glaubt in dieser Beobachtung schon den Keim einer späteren Begabung erkennen zu können: "Vielleicht vergötterten sie mich, weil ich ihnen zuhören konnte. Mein natürlicher Impuls war immer, ein geduldiges, aufmerksames Ohr darzustellen, ein Art Auffangbecken für die verschiedenartigsten Geschichten, und seien sie noch so verrückt, traurig oder lustig." Der kindliche Charme wird hier wohl doch überschätzt; deutlich ist zugleich, daß Dacia Maraini unterderhand zur eigentlichen Hauptperson dieses Buches wird.

Mitunter entfernt sie sich dabei weit von den Kinderjahren in Japan und nutzt die Gelegenheit, ausführlich ihre Ansichten zu vegetarischer Ernährung, dem Rinderwahnsinn oder die lockere Moral der Achtundsechziger zu erläutern. Hier meldet sich die streitbare Publizistin zu Wort, als die ihre italienischen Leserinnen Maraini seit langem kennen. Aber auch hausfrauliche Sorgen werden in den Kommentierungen des mütterlichen Tagebuchs erörtert; so erfahren wir unter anderem, warum man Marainis gepflegte Wohnung bis heute nur in Pantoffeln betreten darf. Bei der Schilderung solcher Alltäglichkeiten dient der Blick in die außergewöhnliche Vergangenheit nur noch dazu, die eigene Gegenwart zu illustrieren.

So ist es am Ende zu bedauern, daß Dacia Maraini zu wenig darauf vertraut, die mütterlichen Tagebuchaufzeichnungen für sich sprechen zu lassen. Selbst die vermeintlichen Faksimiles der alten Hefte - ein gutes Viertel des Buches enthält auf dezent getönten Seiten Abbildungen von Handschriften und zahlreiche Fotografien - sind nicht wirklich authentisch. Das Tagebuch wurde, wie es knapp heißt, "ergänzt durch Photos aus dem Familienarchiv". Dies läßt nun aber schnell die Grenze zwischen dem Dokumentarischen und rührseliger Inszenierung verwischen. Marainis Familiengeschichte hätte solche Eingriffe gewiß nicht nötig.

SABINE DOERING

Dacia Maraini: "Ein Schiff nach Kobe". Das japanische Tagebuch meiner Mutter. Aus dem Italienischen übersetzt von Eva-Maria Wagner. Piper Verlag, München und Zürich 2003. 280 S., geb., 19,90 [Euro].

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»Was Erinnerungen brauchen, um sich aus der Vergangenheit locken zu lassen, ist nicht viel und kann doch viel werden, wie dieser wunderbare Band zeigt.« (Die Zeit)