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Produktdetails
  • rororo Taschenbücher
  • Verlag: Rowohlt TB.
  • 33.-35. Tsd.
  • Seitenzahl: 289
  • Gewicht: 212g
  • ISBN-13: 9783499117596
  • Artikelnr.: 24244008
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2010

Bunter Schaum
Der Maler George Grosz war auch ein großer Erzähler

Mit gnadenlosem Blick hat George Grosz das "Gesicht der herrschenden Klasse" in Berlin während der Weimarer Republik festgehalten, hat Inflationsschieber, korrupte Beamte, hohe Militärs, Schlotbarone, dicklippige "Besitzkröten" in bestürzend expressiven Karikaturen angeklagt. Dass der so geniale wie umstrittene Zeichner jener Epoche, der von 1893 bis 1959 lebte, zugleich ein sprachmächtiger Erzähler war, macht seine lange vergriffene, jetzt bei Schöffling neu aufgelegte Autobiographie "Ein kleines Ja und ein großes Nein - Sein Leben von ihm selbst erzählt" zu einer faszinierenden, aber auch zwiespältigen Lektüre. Denn in seiner zunächst englischsprachigen Rückschau, die er 1946 in New York erstmals veröffentlichte, schwört Grosz seiner politischen Vergangenheit und seiner Tätigkeit als Karikaturist in Deutschland vehement ab - auch den Glauben an die Mission seiner Kunst, die er nun sogar verdammt, habe er verloren. Dass er diesen Sinneswandel vor allem wegen der aufkommenden Ära McCarthy - 1945 nahm der Ständige Ausschuss für unamerikanische Aktivitäten seine Arbeit auf - mehrfach in seinem Buch betont, ist jedoch Spekulation.

Auch für ihn selbst war es ein radikaler Einschnitt, als er 1933 nach Amerika emigrierte, und dieser tiefgreifende Bruch spiegelt sich in der privaten wie künstlerischen Existenz und selbst in der Autobiographie von George Grosz wider: Lebendiger und packender, auch plausibler als die Jahre im amerikanischen Exil schildert er im ersten Teil des Buches sein wahrhaft bewegtes Leben in Deutschland, das für ihn, den Sohn des Kastellans einer Freimaurerloge, 1893 in Stolpe begann. Es war eine Kindheit voller Poesie und Geheimnis, die in seinen Erinnerungen wieder wach wird, und genauso anschaulich beschreibt er die prägenden Menschen und die beschauliche Atmosphäre seines Aufwachsens in der hinterpommerschen Kleinstadt.

Dann folgt das Kunststudium in Dresden, und bald stellen sich die ersten Erfolge für den ambitionierten jungen Witzblattillustrator George Grosz ein. Introspektion ist seine Sache aber offenbar nicht: "Wie und warum ich der wurde, der ich heute bin, ist mir unbekannt", schreibt er lakonisch. Doch bald darauf gibt er dem Leser und sich selbst die Antwort: Als Infanterist im Ersten Weltkrieg war er immer wieder mit dem Leiden der grauenhaft entstellten und verkrüppelten Soldaten konfrontiert, und diese Elendsgestalten zu zeichnen wurde, wie er schreibt, zu einer Art von Ventil für sein Entsetzen über die Katastrophe.

Die zwanziger Jahre in Berlin hat Grosz dann weniger als "goldene" Zeit erlebt, sondern als einen brodelnden Kessel des Hasses, als eine völlig negative Welt, "mit ein bisschen buntem Schaum obenauf". Zu diesem Schaum zählten für ihn auch nahe Menschen wie Wieland Herzfelde, Theodor Däubler, Walter Mehring und Bertolt Brecht und natürlich der blühende Unsinn, den er mit seinen Dada-Freunden trieb.

KONSTANZE CRÜWELL

George Grosz: "Ein kleines Ja und ein großes Nein". Sein Leben von ihm selbst erzählt. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2009. 383 S., Abb., geb., 34,90 [Euro].

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