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Danilo Kis's berühmter Roman erregte bei seinem Erscheinen 1976 in Jugoslawien einen Skandal. In "sieben Kapiteln ein und derselben Geschichte" werden sieben tragische Lebensläufe erzählt. Ihre Protagonisten fallen alle dem politischen Terror zum Opfer. In einer einzigartigen Mischung von Politischem und Poetischem, Fakten und Fiktion setzt Kis ihnen in diesem Buch ein Denkmal.

Produktbeschreibung
Danilo Kis's berühmter Roman erregte bei seinem Erscheinen 1976 in Jugoslawien einen Skandal. In "sieben Kapiteln ein und derselben Geschichte" werden sieben tragische Lebensläufe erzählt. Ihre Protagonisten fallen alle dem politischen Terror zum Opfer. In einer einzigartigen Mischung von Politischem und Poetischem, Fakten und Fiktion setzt Kis ihnen in diesem Buch ein Denkmal.
Autorenporträt
Joseph Brodsky, 1940 in Leningrad geboren, wurde nach einem Prozess wegen "Parasitentums" und fünfjähriger Zwangsarbeit 1972 aus der Sowjetunion ausgebürgert. Mit Hilfe des Dichters W. H. Auden emigirierte er in die USA, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1996 lebte. 1987 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Im Hanser Verlag erschien 2006 Brief in die Oase, eine umfangreiche und repräsentative Auswahl aus Brodskys dichterischem Werk.
Rezensionen
"Diese Kunst der Fiktion beherrscht Danilo Kis in virtuoser Weise ... hohe Sprach- und Kompositionskunst".
Neue Zürcher Zeitung, 09.09.1983

"...noch zu Lebzeiten ein Klassiker ... einer der größten europäischen Erzähler unseres Jahrhunderts."
Werner Paul, Süddeutsche Zeitung, 17.10.1989

"Mit bewundernswerter Sicherheit bewegt sich Kis zwischen provozierendem Schrecken, schwarzer Romantik und Parabel, montiert zudem seine Geschichten locker ineinander, spinnt ein Netz aus sich scheinbar ausschließenden Gegensätzen ... Aus dieser literarisch höchst anspruchsvollen Auseinandersetzung mit "Grenzbereichen", aus der einfachen Sprache, subtiler Lyrik in kühler Prosa, ergibt sich eine Spannung, die bei der Tragweite des Themas - die Revolution frißt ihre Kinder - schon fast ungehörig ist."
Gudrun Ziegler, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.1983

"Seine Sprache packt den Leser, weil in ihr "Zweifel und Rastlosigkeit" pulsieren und die "babylonische Sprachverwirrung" als Wurzel der tödlichen Mißverständnisse erkennbar wird."
Birgitta Mogge, Rheinischer Merkur, 22.04.1983

"... die brillante Anatomiestunde war ein "Kult-Buch" ... ein literarisches Fest"
Frankfurter Rundschau, 06.06.1998

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" "Vorzüglich" findet Rezensent Wolfgang Schneider Ilma Rakusas Neuübersetzung "dieses berühmten Buches", das er als "Grundbuch des zwanzigsten Jahrhunderts" verehrt. Es enthält seinen Informationen "sieben aberwitzige biografische Metamorphosen im Zeichen von Angst und Heuchelei, Gefängnis und Lager, Folter und Hinrichtung". Skizzenhaft rekaptituliert er die Rezeptionsgeschichte des Buches, das 1976 zur Hochzeit des Weltkommunismus zum ersten Mal erschienen sei. Wie keiner vor ihm habe Danilo Kis in seinem systemkritischen Buch damals "ungeschminkte Wahrheit" und "raffinierte literarische Kunst" über den real existierenden Kommunismus miteinander verschmolzen. Der Rezensent bewundert die "formale Brillanz", die "kristalline Dichte" sowie den "Anspielungsreichtum" dieser Prosa. In der Tradition von Borges konstruiere Kis Verwirrspiele zwischen Dichtung und Wahrheit. Als skandalös habe Kis die Ignoranz der westeuropäischen Linken gegenüber den stalinistischen Verbrechen und den Methoden des Leninismus empfunden und seine Literatur auch als Versuch einer Aufklärung verstanden. In Zeiten, da in Russland offen über Stalins Rehabilitierung gesprochen werde, sieht Schneider nun ein frisches Publikum für dieses Buch heranwachsen.

© Perlentaucher Medien GmbH"

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2005

Er hinterließ einige Zigaretten
Lupenreiner Stil: Danilo Kis gedenkt der Opfer der Weltgeschichte

Die Griechen, heißt es an einer Stelle dieses berühmten Buches, hatten einen verehrungswürdigen Brauch: "Für jene, die im Feuer verbrannten, die von Vulkankratern verschluckt und von Lavaströmen verschüttet, die von wilden Tieren zerfleischt, von Haifischen gefressen oder von Wüstengeiern zerhackt wurden, errichteten sie in der Heimat ein sogenanntes Kenotaph, ein Grabmal über einem leeren Grab ..." Solche Kenotaphe aus gemeißelter Prosa errichtet der jugoslawische Autor Danilo Kis (1935 bis 1989) in "Ein Grabmal für Boris Dawidowitsch". Nur verdanken sich seine Toten nicht mordenden Naturgewalten, sondern der metzelnden Weltgeschichte: gestorben in den Lavaströmen gesellschaftlicher Umwälzungen, im Vulkankrater des Sozialismus und im Feuer totalitären Eifers, zum Opfer gefallen den Wüstengeiern des GULags und den Haifischen der Komintern. Es geht um die Revolution, die mit Vorliebe ihre eigenen Kinder frißt.

Das nun in vorzüglicher Übersetzung von Ilma Rakusa wiederaufgelegte Buch enthält sieben Miniaturbildungsromane - sieben hin und her geschleuderte Schicksale des Weltbürgerkriegs, sieben aberwitzige biographische Metamorphosen im Zeichen von Angst und Heuchelei, Gefängnis und Lager, Folter und Hinrichtung. Die erste Geschichte ("Das Messer mit dem Griff aus Rosenholz") berichtet vom Mord an Hanna Krzyzewska. Sie gehörte zu einer revolutionären Zelle. Um einen befürchteten Verrat zu verhindern, "hatte eines der Mitglieder geopfert werden müssen". Der gemeinsam begangene Mord stiftet verschwörerischen Zusammenhalt. Damit ist ein Grundmotiv des Buches angeschlagen: die Parteiräson, die kein Pardon kennt.

Solche Literatur schlug 1976 wie eine Bombe ein - zu Zeiten, als der Weltkommunismus noch im Zenit seiner Macht stand, Tito größtes Ansehen genoß und in Westeuropa die Sympathie für den Sozialismus in seiner idealen oder realen Form eine intellektuelle Selbstverständlichkeit war. In diesem Zusammenhang erwarb sich Kis einen Ruf als großer Autor, der wie kaum ein anderer ungeschminkte politische Wahrheit und raffinierte literarische Kunst vereinte. Die jugoslawischen Kritiker argumentierten nicht vordergründig politisch gegen das Buch, sondern stellten es unter Formalismusverdacht: Vorbilder wie Joyce, Kafka, vor allem aber Jorge Luis Borges waren in der Tat nicht zu übersehen.

In lupenreinem Stil und einer Technik fotografischer Miniaturen werden Lebenswege von labyrinthischer Verworrenheit erzählt. Auf den Spuren von Borges entwickelt Kis Verwirrspiele von Fakt und Fiktion. Quellenangaben, Fußnoten und philologische Floskeln sorgen für fingierte Objektivität. Kis schreibt modern, weil auch die Geschichte selbst in ihren surrealen Verläufen "modernistische" Züge trägt. Das zeigt insbesondere die Titelerzählung über das Leben des Revolutionärs Boris Dawidowitsch Nowskij: eine dieser russischen Mischungen aus Genie und Bombenleger, Salon-Dandy und zynischem Ideenmenschen, ein "bolschewistischer Hamlet". Verbannung und Gefängnisaufenthalte wechseln in seinem Leben ab mit markanten Auftritten in den Hauptstädten Europas. Am Ende, nach der Flucht aus einem Lager, gehetzt von den Verfolgern, springt Nowskij in einen Kessel mit flüssiger Schlacke, wo er förmlich verdampft. "Er hinterließ einige Zigaretten und eine Zahnbürste."

Sehr schwarzer Humor macht sich auch in "Die mechanischen Löwen" geltend. Sie spielt in den zwanziger Jahren; ein hoher französischer Gast wird in Kiew erwartetet: der Politiker und Arbeiterführer Édouard Herriot, eine historisch verbürgte Gestalt, die für die internationale Anerkennung der Sowjetunion eine wichtige Rolle spielte. Er hatte die Verfolgung von Priestern in der postrevolutionären Gesellschaft beklagt. Deshalb wird für seinen Besuch die Sophienkathedrale, die nach der Revolution eine Brauerei beherbergt, innerhalb weniger Stunden als Kirche wiederhergerichtet. Mit Hilfe der Requisiten einer Agitbrigade, die sonst antireligiöse Propagandastücke aufführt, inszeniert man für Herriot einen Gottesdienst - einen umzubindenden künstlichen Wanst für den "Priester" inbegriffen.

Die Ignoranz der westeuropäischen Linken gegenüber den sowjetischen Verbrechen und den Methoden des Leninismus-Stalinismus war für Kis skandalös, und seine Erzählungen sollten zur Aufklärung insbesondere dieser Zielgruppe beitragen. Drei Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung hat dies insofern an Brisanz verloren, als die Schreckensberichte gesichertes historisches Wissen sind und ein leidenschaftliches Für und Wider über die Errungenschaften der Revolution kaum noch stattfindet. Da die Figuren aber lediglich Exempelgestalten irrwitziger Zeitläufte sind, können sie selbst kaum Interesse erregen. Es sind Black-Box-Seelen, deren Antriebe kaum nachzuvollziehen sind. Deshalb wirken ihre Geschichten auch keineswegs "ergreifend", wie Ilma Rakusa im Nachwort behauptet, das sich im übrigen ebenso hymnisch liest wie das Vorwort von Joseph Brodsky.

Man bewundert die formale Brillanz, die kristalline Dichte und den Anspielungsreichtum dieser Prosa, aber von "detektivischer Spannung" (Rakusa) kann wohl keine Rede sein. Wer selbst noch einen Teil seines Lebens unter der ideologischen Haube des Sozialismus verbracht und möglicherweise gar die "Ideale" geteilt hat, mag das anders sehen und die Mixtur von Nostalgie und Verhängnis, die in den Erzählungen wirksam ist, mit echter Betroffenheit goutieren. Übrigens hört man, in Rußland sei Stalin auf dem besten Wege der Rehabilitierung. Schon werden ihm wieder Denkmäler errichtet. Da wächst womöglich ein frisches Publikum für dieses Grundbuch des zwanzigsten Jahrhunderts heran.

WOLFGANG SCHNEIDER

Danilo Kis: "Ein Grabmal für Boris Dawidowitsch". Sieben Kapitel ein und derselben Geschichte. Aus dem Serbokroatischen übersetzt von Ilma Rakusa. Mit einem Vorwort von Joseph Brodsky und einem Nachwort der Übersetzerin. Hanser Verlag, München 2004. 191 S., geb., 16,90 [Euro].

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