Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 1,20 €
  • Gebundenes Buch

Hundstage in Paris. Nächte, die keine Erleichterung bringen. Mit der Dämmerung beginnt die Angst. Ein Frauenmörder treibt im Pigalle-Viertel sein grausames Unwesen. Marge, eine zerbrechliche, luizide Gestalt der Unschuld, ist das letzte Opfer. Achille, einem mäßig erfolgreichen Polizeibeamten, der allein mit seiner Katze haust und Baudelaire liest, wird der Fall zugeteilt. Die Chance seines Lebens. Wenn die Nacht kommt, wird aus dem farblosen Inspektor ein anderer Mensch. Dann ist er in seinem Element, traumwandlerisch bewegt er sich in der Dunkelheit. Er entwickelt besondere Isntinkte, er…mehr

Produktbeschreibung
Hundstage in Paris. Nächte, die keine Erleichterung bringen.
Mit der Dämmerung beginnt die Angst. Ein Frauenmörder treibt im Pigalle-Viertel sein grausames Unwesen.
Marge, eine zerbrechliche, luizide Gestalt der Unschuld, ist das letzte Opfer.
Achille, einem mäßig erfolgreichen Polizeibeamten, der allein mit seiner Katze haust und Baudelaire liest, wird der Fall zugeteilt. Die Chance seines Lebens.
Wenn die Nacht kommt, wird aus dem farblosen Inspektor ein anderer Mensch. Dann ist er in seinem Element, traumwandlerisch bewegt er sich in der Dunkelheit. Er entwickelt besondere Isntinkte, er fühlt sich in den Kopf des Mörders hinein. So perfekt, daß er den nächsten Mord an seiner Stelle begehen könnte.
Mit einer unglaublich poetischen Kraft erschafft Brehal eine drückende, gewitterschwüle Atmosphäre der Angst, evoziert Gerüche, Klänge - eine ganze Welt der Nachtmahre, bevölkert von Menschen, die schicksalhaft miteinander verbunden sind. Achille, dem zu jeder Situation ein Baudelaire-Zi tat einfällt, stellt dem Mörder schließlich eine literarische Falle.
Nicolas Brehal starb am 31. Mai 1999 in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2000

Böse Blumen, hübsch gebunden
Erlesene Untaten: Nicolas Bréhal huldigt dem nächtlichen Paris

Dies ist eine Geschichte von Tätern und Opfern, die nur einen Helden kennt: Paris, die dunkle Seite der Stadt, ihre nächtlichen Zustände. Nicolas Bréhal beschwört die dämonische Tiefe der Nacht, als sei niemand zuvor je dort gewesen, keiner wiedergekehrt. Sein "Gespür für die Nacht" klingt etwas bemüht und ist nicht ohne Anmaßung. Gerne schlägt sich die Literatur auf die Seite der Sinnlichkeit, nimmt ein Sensorium für exquisite Parfüms in Anspruch oder auch für die Farbe des Schnees. Bréhals Sittenbild aus dem nächtlichen Paris zielt auf die internationale Konjunktur des gehobenen Kriminalromans. Und so zitiert sein Kommissar unentwegt Baudelaire und bevorzugt in seinem Musikgeschmack Ravel. Denn nur eine dezent betonte Erkennungsmelodie kann ihm auf dem europäischen Markt gegenüber Stockholmer oder venezianischen Kollegen den nötigen Distinktionsgewinn verschaffen.

Der "Nacht-Sinn", wenn es ihn denn gibt, geht nicht unbedingt geschärft aus der Lektüre hervor, doch kommen nächtliche Stunden als ihr Opfer in Betracht. Wo Finsternis und Anonymität zusammentreffen, liegt das Verbrechen nahe. Wer nachts durch die Straßen zieht, ist auf Beute aus, will, wie der deutsche Text rührend bürokratisch formuliert, "Ungesetzlichkeiten begehen". Beklemmend ist nicht die Schauerlichkeit der erzählten Verbrechen, sondern die tollkühne Unbedenklichkeit, mit der Bréhal als Spielleiter des Geschehens dem Zufall huldigt und die Analogie zur Schicksalsmacht verklärt. Allen voran jene, dass die Nacht, wie die Stadt, weiblichen Geschlechts ist.

Den Schauplatz gibt das Paris des neunten Arrondissements. In den Straßenzügen des heruntergekommenen Amüsierbetriebs zwischen Pigalle und Gare St-Lazare ist die Nacht nicht nur Zeitraum, sondern Zustand. Im Sog der roten Lichter geht ein Frauenmörder um. Man nennt ihn bald "Gaspard de la nuit", den Nachtmahr des Pigalle-Viertels. Seine Opfer findet er im Milieu verlebter Sängerinnen und freischaffender Huren, eher zufällig ist auch ein kleines Ladenmädchen darunter. Als grässlich verstümmelte Leichen enden sie in der "Rue des Martyrs", die zum Montmartre weist, oder ihren Seitengassen. Unverkennbar, dass die Topographie dem Mörder die Hand führt. Im Zentrum dieser lebendigen Mythologie liegt das Striptease-Lokal "Apocalypse", das Gaspard Abend für Abend aufsucht, um dort die Nackttänzerin Sabine zu bewundern. Auf der anderen Straßenseite liegt, ebenfalls bar jeder Diskretion, das Café "Paradis". Dort tragen die Serviermädchen "knappe Trikots mit Flügeln aus Federn", um der engelsgleichen Aussicht auf die Apokalypse Genüge zu tun.

Die Lage ist also von verbindlichster Deutlichkeit. Es wäre so einfach, dem Genius Loci auf die Spur zu kommen, denn schon lange zeigt der Dauerkunde Gaspard gewisse Auffälligkeiten. Und jeden Abend tanzt Sabine für ihn, durch eine Glasscheibe von ihm getrennt, an die sie sich länger und intensiver presst, als es nötig wäre. Natürlich ist immer nur Sabine gemeint, wenn Gaspard sich an anderen Frauen vergreifen muss. Eine Lichtregie, die Zeigen und Schauen, Hell und Dunkel scheidet, lässt beide voneinander abhängig werden und betrügt sie um die Erfahrung der Nähe. Von einer Art Kontaktsperre sind auch die übrigen Figuren umgeben: die mit Sabine befreundete, langbeinige Marge und der Photograph Marius, der sich sein Geld als Taxifahrer verdient und die Nachtschattengewächse des Pariser Pflasters in einer wohl geordneten Bildersammlung festhält.

Als Gegenspieler Gaspards tritt der Polizist Achille auf den Plan. Seit seine Frau ihn verließ, blieben ihm außer einer stets hungrigen Katze nur die Gedichte Baudelaires, zu denen er häufiger Zuflucht nimmt, als seiner Arbeitsmoral dienlich ist. Wie Gaspard leidet Achille unter Waschzwang und fühlt sich zu Prostituierten hingezogen. Statt Ermittlungsarbeit zu leisten, vertraut er seiner Intuition, die ihn dem Täter näher und näher führt. "An seiner Stelle hätte ich sicher dasselbe gemacht", entschlüpft es ihm. Instinktsicher sucht er das "Apocalypse" auf und hat damit seinen Fall so gut wie gelöst.

Die Erzählform setzt auf das Mittel der Unterbrechung, indem sie die Handlung in wechselnde Perpektiven aufsplittert und getrennten Wegen folgt: Marge, Marius, Achille, Sabine, Gaspard, dann in anderer Reihenfolge wieder von vorn. Dieser starre Reigen verhakter Bruchstücke, die nie ihren Abstand zueinander verlieren, entspricht dem seriellen Schema des Frauenmörders. Zusammen ergibt das ein fatales Gemisch aus verdrängter Ähnlichkeit und Wiederholungszwang. Wie sie einander belauern und verfehlen, niemals der gähnenden Leere entkommen: da blitzen kurze Momente eines Danse macabre auf.

Doch wo Schicksale mit gewaltiger Schlagseite nächtens steuerlos umhertreiben, steht leider eine dienstbare Psychologie schon bereit, die Leere mit Vorgeschichten und Gründen zu stopfen. Gaspards Kindheit vereinigt alles erdenkliche traumatische Potenzial zu einer inversen Ödipus-Konstellation. Er litt unter einem blinden Vater und einer abweisenden Mutter, an deren Tod er sich die Schuld gibt. Wenn er seinen Opfern scheinbar wahllos Fleischfetzen vom Leibe trennt, ist dies nichts anderes als der Versuch, die väterliche Blindheit einzunehmen. "Dieser Verbrecher hat blind gehandelt", bemerkt Kommissar Achille. Dass ausgerechnet Baudelaires Gedichte ihm angeblich helfen, Gespür für den Mörder zu entwickeln, ist für den Mangel desselben gegenüber den "Blumen des Bösen" nur ein schwacher Trost. Baudelaire aber zählte zu den Bewunderern einer romantisch verrätselten Gedichtsammlung Aloysius Bertrands, des "Gaspard de la nuit".

ALEXANDER HONOLD.

Nicolas Bréhal: "Ein Gespür für die Nacht". Roman. Aus dem Französischen von Verena Nolte. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1999. 384 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Etwas spitzfingrig zerpflückt Alexander Honold diesen Kriminalroman, der im Pariser Vergnügungsviertel Pigalle spielt. Honold stört sich vor allem daran, dass verstorbene Autor auf "die internationale Konjunktur des gehobenen Kriminalromans" gezielt habe: Der Kommissar zitiert unentwegt Baudelaire, während der Mörder an einer "inversen Ödipus-Konstellation" leidet. Angetan ist Honold nur von der Erzählform, die ständig die Perspektive wechselt, so dass "kurze Momente eines Danse macabre" aufblitzen. Leider nehme der Autor "eine dienstbare Psychologie" in Anspruch, um die Motive seines Mörders mit durchsichtigen Gründen zu erklären.

© Perlentaucher Medien GmbH