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Tolja möchte am liebsten Selbstmord begehen, aber er weiß, daß er dafür zu feige ist. Darum vergibt er den Auftrag per Postfach an einen professionellen Killer. Als er aber Lena trifft, will er plötzlich nicht mehr sterben. Doch der Profi ist bereits unterwegs...
Andrej Kurkow, geboren 1961 in St. Petersburg, lebt seit seiner Kindheit in Kiew und schreibt in russischer Sprache. Er studierte Fremdsprachen, war Zeitungsredakteur und während des Militärdienstes Gefängniswärter. Danach schrieb er zahlreiche Drehbücher. Seit seinem Roman ¿Picknick auf dem Eis¿ gilt er als einer der wichtigsten zeitgenössischen ukrainischen Autoren. Sein Werk erscheint in 45 Sprachen. Kurkow lebt als freier Schriftsteller mit seiner Familie in der Ukraine. 2023 wurde er als Ehrenmitglied in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen.
Produktdetails
- detebe
- Verlag: DIOGENES
- Originaltitel: Milyj drug, tovarisc pokojnika
- Artikelnr. des Verlages: 562/23367
- 07. Aufl.
- Seitenzahl: 144
- Erscheinungstermin: September 2003
- Deutsch
- Abmessung: 180mm x 113mm x 17mm
- Gewicht: 142g
- ISBN-13: 9783257233674
- ISBN-10: 3257233671
- Artikelnr.: 11159201
Herstellerkennzeichnung
Arvato Media GmbH
Reinhard-Mohn-Straße 100
33333 Gütersloh
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Wir sind hier nicht in Neapel, Iwan
Kein Auftragsmord nach Ladenschluß: Andrej Kurkow trinkt Tee
In Rußland ist der Winter kalt, das Geld wertlos, die Frauen gehen auf den Strich, die Männer sind Killer oder sie sitzen den ganzen Tag am Küchentisch und starren aus dem Fenster oder ins Wodkaglas. Sie denken darüber nach, was sie nicht sind und was sie nicht können, sie finden alles sinnlos und nennen das "russische Seele", sie warten, daß irgend etwas von selbst kaputtgeht, vielleicht, daß ein Bild von der feuchten Wand fällt, und bezeichnen es als "Schicksal". Dieses Russischsein ist nicht nur eine Erfindung Iwan Gontscharows, der ihm den Namen des Fürsten Oblomow gegeben hat, im Grunde ist es der real
Kein Auftragsmord nach Ladenschluß: Andrej Kurkow trinkt Tee
In Rußland ist der Winter kalt, das Geld wertlos, die Frauen gehen auf den Strich, die Männer sind Killer oder sie sitzen den ganzen Tag am Küchentisch und starren aus dem Fenster oder ins Wodkaglas. Sie denken darüber nach, was sie nicht sind und was sie nicht können, sie finden alles sinnlos und nennen das "russische Seele", sie warten, daß irgend etwas von selbst kaputtgeht, vielleicht, daß ein Bild von der feuchten Wand fällt, und bezeichnen es als "Schicksal". Dieses Russischsein ist nicht nur eine Erfindung Iwan Gontscharows, der ihm den Namen des Fürsten Oblomow gegeben hat, im Grunde ist es der real
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existierende russische Traum.
Tolja, der Antiheld des Romans "Ein Freund des Verblichenen" ist ein solcher Russe, obwohl er wie sein Erfinder, der Autor Andrej Kurkow, in Kiew, also der Ukraine lebt. Er ist ein moderner Oblomow in den surrealen Zeiten der postsowjetischen Mafiawirtschaft. Er sitzt in der Küche und bedauert, daß er nicht raucht, weil seine Trostlosigkeit als Rauch eigentlich am schönsten über ihm hängen würde. Statt dessen trinkt er massenhaft Kaffee und Tee. Tolja ist Anfang Dreißig, liebt seine Frau nicht mehr, hat keinen Beruf und will nicht mehr leben. Weil er aber kein Typ für Selbstmord ist, engagiert er sich einen Killer, der dort in Kiew billig zu haben ist.
Doch nun ist Tolja ein Mensch, dem, wie er selbst sagt, immer das Gegenteil einer Rolle zukommt, und deshalb geht auch sein Ableben schief. Das Café, in dem er umgebracht werden soll, schließt an diesem Abend früher als gewöhnlich. Und wieder einmal übernimmt das Schicksal die Regie, diesmal allerdings eine vorteilhafte, denn er hat zwischenzeitlich ein Mädchen kennengelernt, eine Freizeitnutte, die ihm das Leben längst wieder lebenswert gemacht hat. Nun heißt es, den Killer zu stoppen, was nicht einfach durch Auftragsentzug geht, sondern nur durch das Killen des Killers.
Etwas Surreales hat diese ironisch dahinsinnierende Kriminalgeschichte, die in Blockflötenintonation die Motive ihrer großen literarischen Vorgänger nachspielt: Bulgakows apokalyptisch-albtraumhafte Stadtszenerien und Dostojewskis Gedankenschwere. Kurkow aber läßt seinen Tolja so viel Küchenphilosophie über zurückerhaltenes Leben, alte Schuldkomplexe und "die Natur der Wünsche" in seinem Samowar aufkochen, daß man bald nur noch den Wasserkessel blubbern hört, es aber nach nichts mehr schmeckt.
In schnoddriger Übersetzung und oberflächlich lektoriert, folgt dieser Roman all zu routiniert auf die beiden ersten Erfolgswerke des Autors "Picknick auf dem Eis" und "Petrowitsch". "Meine Gedanken kreisten um geringfügige Dinge, nichts Erhabenes, nichts wirklich Philosophisches", kokettiert Tolja einmal. Man soll ihm das natürlich nicht glauben, aber man muß es wohl doch. Am Ende wird Tolja gar zum Doppelgänger, aber auch das kennt man schon aus anderer, besserer Feder.
DORIS MEIERHENRICH.
Andrej Kurkow: "Der Freund des Verblichenen". Diogenes Verlag, Zürich 2001. 142 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tolja, der Antiheld des Romans "Ein Freund des Verblichenen" ist ein solcher Russe, obwohl er wie sein Erfinder, der Autor Andrej Kurkow, in Kiew, also der Ukraine lebt. Er ist ein moderner Oblomow in den surrealen Zeiten der postsowjetischen Mafiawirtschaft. Er sitzt in der Küche und bedauert, daß er nicht raucht, weil seine Trostlosigkeit als Rauch eigentlich am schönsten über ihm hängen würde. Statt dessen trinkt er massenhaft Kaffee und Tee. Tolja ist Anfang Dreißig, liebt seine Frau nicht mehr, hat keinen Beruf und will nicht mehr leben. Weil er aber kein Typ für Selbstmord ist, engagiert er sich einen Killer, der dort in Kiew billig zu haben ist.
Doch nun ist Tolja ein Mensch, dem, wie er selbst sagt, immer das Gegenteil einer Rolle zukommt, und deshalb geht auch sein Ableben schief. Das Café, in dem er umgebracht werden soll, schließt an diesem Abend früher als gewöhnlich. Und wieder einmal übernimmt das Schicksal die Regie, diesmal allerdings eine vorteilhafte, denn er hat zwischenzeitlich ein Mädchen kennengelernt, eine Freizeitnutte, die ihm das Leben längst wieder lebenswert gemacht hat. Nun heißt es, den Killer zu stoppen, was nicht einfach durch Auftragsentzug geht, sondern nur durch das Killen des Killers.
Etwas Surreales hat diese ironisch dahinsinnierende Kriminalgeschichte, die in Blockflötenintonation die Motive ihrer großen literarischen Vorgänger nachspielt: Bulgakows apokalyptisch-albtraumhafte Stadtszenerien und Dostojewskis Gedankenschwere. Kurkow aber läßt seinen Tolja so viel Küchenphilosophie über zurückerhaltenes Leben, alte Schuldkomplexe und "die Natur der Wünsche" in seinem Samowar aufkochen, daß man bald nur noch den Wasserkessel blubbern hört, es aber nach nichts mehr schmeckt.
In schnoddriger Übersetzung und oberflächlich lektoriert, folgt dieser Roman all zu routiniert auf die beiden ersten Erfolgswerke des Autors "Picknick auf dem Eis" und "Petrowitsch". "Meine Gedanken kreisten um geringfügige Dinge, nichts Erhabenes, nichts wirklich Philosophisches", kokettiert Tolja einmal. Man soll ihm das natürlich nicht glauben, aber man muß es wohl doch. Am Ende wird Tolja gar zum Doppelgänger, aber auch das kennt man schon aus anderer, besserer Feder.
DORIS MEIERHENRICH.
Andrej Kurkow: "Der Freund des Verblichenen". Diogenes Verlag, Zürich 2001. 142 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Andrej Kurkow hat diese gewissen Nebensätze, die so lakonisch sind, dass man von ihm sogar die Gebrauchsanweisung eines Rasenmähers lesen würde.« Bettina Göcmener / Die Welt Die Welt
»Ich stellte mir vor, wie sie alle bei der Kriminalpolizei saßen, die Dutzende von lästigen Fragen stellte. ... Ich musste nur noch einen erschwinglichen Killer finden, das Geld für sein Honorar auftreiben, und dann würde der von mir ideal ausgedachte Mord ein weiteres …
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»Ich stellte mir vor, wie sie alle bei der Kriminalpolizei saßen, die Dutzende von lästigen Fragen stellte. ... Ich musste nur noch einen erschwinglichen Killer finden, das Geld für sein Honorar auftreiben, und dann würde der von mir ideal ausgedachte Mord ein weiteres ungelöstes Rätsel werden. Ein sinnloses Leben effektvoll zu beenden, reizte mich. Und bei den rätselhaften Morden gibt es noch einen bestechenden Aspekt – man schreibt häufig in Zeitungen und Büchern über sie, man erinnert sich an alle Einzelheiten und an den Namen des Opfers, so dass ich eine reale Chance hatte, wenn schon nicht für alle Ewigkeit, so doch für lange Zeit im Gedächtnis der Menschheit zu bleiben.«
Tolja hat genug von diesem Leben. Er ist arbeitslos, seine Frau betrügt ihn, nichts macht mehr Spaß und nichts macht mehr Sinn. Eigentlich wäre er ein Kandidat für einen Selbstmord, aber das gelingt ihm auch nicht. Mit Hilfe eines Freundes heuert er schließlich einen Killer an, der ihn ermorden soll. An seinem geplant letzten Abend nimmt er eine junge Prostituierte mit in seine Wohnung und verbringt eine so schöne Zeit mit ihr, dass sie am nächsten Morgen kein Geld von ihm nimmt und ihm ihren richtigen Namen nennt. Jetzt hat Tolja eigentlich keine Lust mehr zu sterben, aber der Auftrag läuft bereits…
Andrej Kurkow ist ein renommierter und politisch engagierter ukrainischer Schriftsteller, für mich war dies sein erstes Buch von ihm. Sein Stil gefiel mir sofort, mit liebevollem Blick schaut er auf seinen Protagonisten, der sich durch ein kompliziert werdendes Leben kämpft. Die Ausgangssituation fand ich reizvoll und hatte lange keine Ahnung, wie das alles wohl ausgehen wird. Nach Unmengen von Alkohol (scheint normal zu sein in Kiew ;-) läuft es auf einen zur Atmosphäre perfekt passenden Schluss zu. So kurz das Buch ist, ist es doch rund und hat mich gut unterhalten.
Fazit: Kurz, aber gut. Tolle Atmosphäre und interessante Handlung.
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