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"Herrmann Gerson, Berlin" - Vor hundert Jahren klang dieser Name weltweit nach Luxus und Exklusivität. Das Modehaus Gerson, das eng mit namhaften Künstlern, Architekten und Modeschaffenden wie Hermann Muthesius, Walter Gropius oder Paul Poiret zusammenarbeitete, war über Jahrzehnte eines der bedeutendsten Häuser der deutschen Mode- und Möbelindustrie.Seit 1889 im Besitz der kunstsinnigen Familie Freudenberg, wurden Firma und Familie nach 1933 Opfer nationalsozialistischer Verfolgung: die Familie floh ins Ausland, die Firma wurde "arisiert", das traditionsreiche Haus am Werderschen Markt zum…mehr

Produktbeschreibung
"Herrmann Gerson, Berlin" - Vor hundert Jahren klang dieser Name weltweit nach Luxus und Exklusivität. Das Modehaus Gerson, das eng mit namhaften Künstlern, Architekten und Modeschaffenden wie Hermann Muthesius, Walter Gropius oder Paul Poiret zusammenarbeitete, war über Jahrzehnte eines der bedeutendsten Häuser der deutschen Mode- und Möbelindustrie.Seit 1889 im Besitz der kunstsinnigen Familie Freudenberg, wurden Firma und Familie nach 1933 Opfer nationalsozialistischer Verfolgung: die Familie floh ins Ausland, die Firma wurde "arisiert", das traditionsreiche Haus am Werderschen Markt zum Reichskriminalpolizeiamt.Bewegend sind die bislang unbekannten Schicksale der jeweiligen Besitzer und Geschäftsführer der Firma Herrmann Gerson. Erstmals wird nun sowohl die faszinierende Firmen- als auch die eng damit verbundene Familiengeschichte der Freudenbergs aufgearbeitet.
Autorenporträt
Gesa Kessemeier, geboren 1970, Mode- und Zeithistorikerin, Ausstellungskuratorin. Promotion zu Mode und Frauenbildern der 1920er Jahre. Wissenschaftliches Museumsvolontariat am Haus der Geschichte in Bonn, Assistenz am Modemuseum Palais Galliera Paris. Zahlreiche Aufsätze und Mitarbeit an Ausstellungen zu kultur- und modehistorischen Themen sowie historische Recherchen für die Präsentation "Berliner Skulpturenfund - Entartete Kunst im Bombenschutt" (Neues Museum Berlin). Seit 2011 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2013

Es gilt der Wille zur Erinnerung

Ihre Firma wurde im Nationalsozialismus arisiert, die Familie durch Zwangsabgaben in den Ruin getrieben - und die Kunstsammlung verschwand. Die Bilder werden heute auch in Deutschland ausgestellt. Ein Buch erzählt die Geschichte der Berliner Freudenberg.

VON STEFAN KOLDEHOFF

Als er 1907 seine Privatvilla in Nikolassee bauen ließ, hatte der Berliner Unternehmer Hermann Freudenberg sehr konkrete Vorstellungen. Seinem Architekten, dem Jugendstil-Gegner und Modernisten Hermann Muthesius, teilte er nicht nur mit, dass das zweiflügelige Landhaus unter dem Dach einen Turn- und Spielsaal mit Bühne haben und dass es im Spielzimmer eine eigene Kinderbibliothek geben solle. "Im Empfangszimmer", lautete eine weitere Anweisung, an die sich der Architekt kurz nach Fertigstellung in einem Werkbericht erinnert, "musste durch reichlich Wandfläche für die guten Ölgemälde des Bauherrn gesorgt werden."

Und von denen gab es reichlich: Schon Freudenbergs Vater Philipp hatte Künstler der Berliner Secession durch Ankäufe unterstützt und sich mit Max Liebermann, der ihn auch porträtierte, in der "Gesellschaft der Freunde" engagiert. Sein Sohn setzte die eher konservative Sammlertradition fort: In der Galerie Paul Cassirer kaufte er fürs neue Haus Werke von Corinth und Liebermann, Orlik und Pascin, ergänzte die Sammlung aber auch um Bilder von Rohlfs, Feininger und Nolde, um ein spätes Kornfeld aus Auvers von van Gogh und einen "Tuileriengarten" von Pissarro.

In einem jetzt erschienenen Band, der auch die Familien- und Unternehmensgeschichte erzählt, dokumentiert die Historikerin Gesa Kessemeier zum ersten Mal die Sammlung Freudenberg; dazu zählen auch jene Kunstwerke, die Hermanns Bruder Julius Freudenberg gemeinsam mit seiner Frau Regina zusammentrug. Ihr bedeutendster Ankauf war vor dem Ersten Weltkrieg ein Brustporträt des Frachtmeisters Joseph Roulin, das van Gogh 1888 in Arles malte. Bei Max Pechstein gab das Ehepaar 1921 für die Ausstellung "Farbe und Mode" in der Berliner Akademie der Künste das Gemälde "Modeblumen" in Auftrag, das zwei Kleidermodels zeigt. Ihr Geld hatte die Familie als Inhaberin des angesehenen Modehauses "Gerson" am Werderschen Markt verdient, zu dessen Kunden die kaiserliche Familie, führende Unternehmer und Politiker, aber auch Bühnen- und Leinwandstars wie Fritzy Massary, Elisabeth Bergner, Lil Dagover, Tilla Durieux oder Anna Pawlowa zählten.

Eigene Mannequins des Hauses präsentierten die neuen Entwürfe für die Kunden, aber auch in eigenen Gerson-Publikationen. Die Verkaufsräume ließ Hermann Freudenberg von angesehenen Kunsthandwerkern und Architekten gestalten. Mit dem französischen Moderevolutionär Paul Poiret, dessen Kleider Frauen erstmals ohne Korsett tragen konnten und der Hosenröcke propagierte, arbeitete Freudenberg eng zusammen. Im Jahr 1913 durfte sich Poiret - und mit ihm zahlreiche andere Reformer - bei Gerson auch als Innenarchitekt versuchen. Im selben Jahr lobte der Hagener Sammler und Folkwang-Gründer Karl-Ernst Osthaus "die Summe von Geschmack und Eleganz, die in den Gewändern und in den Farbenstellungen eines Fenstersalons bei Gerson zur Geltung kamen". In den Schaufenstern waren unter anderem Figurinen des Bildhauers Rudolph Belling zu sehen.

Wie so viele Kunstsammlungen, die vor 1933 aus kultureller Überzeugung und nicht aus gesellschaftlichem Prestige entstanden, ist auch die Sammlung Freudenberg heute nur noch Fachleuten bekannt. Gesa Kessemeier weist mit ihrem Buch nun darauf hin, mit welch grandioser Selbstverständlichkeit sich das untergegangene Berliner Bürgertum mit Kunst umgab. Sie erspart ihren Lesern aber nicht die Geschichte der jüdischen Familie Freudenberg nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten: Ihr Unternehmen wurde arisiert, die Familie durch Steuern und Zwangsabgaben in den wirtschaftlichen Ruin getrieben - und dazu, auch Teile ihrer Kunstsammlung zu verkaufen. Mehrere Familienmitglieder kamen, auch im Konzentrationslager Bergen-Belsen, ums Leben. Anderen gelang die Flucht ins Ausland; auch sie hatte allerdings ihren Preis.

Als Hermann Freudenbergs Tochter Maria im Frühsommer 1933 aus Deutschland fliehen will, teilt sie dem Präsidenten des Landesfinanzamts Berlin pflichtgemäß mit, dass sich die zur "Gründung einer neuen Existenz in Palästina von der englischen Regierung verlangte" Summe, nämlich 14 000 Reichsmark, auf ihrem Konto befinde: "Diese Summe wurde durch den Verkauf von Möbeln, Einrichtungsgegenständen und wertvoller Ölgemälde beschafft." So ist beispielsweise nach 1933 bei Verkäufen von Liebermann-Gemälden nach England unklar, unter welchen Umständen sie stattgefunden haben. Das gilt auch für das 1934 veräußerte Bild "Reiter am Strand nach links trabend", das heute der Axel Springer AG gehört.

Gemälde und Zeichnungen aus der ehemaligen Familiensammlung Freudenberg befinden sich heute in privaten und öffentlichen Sammlungen in Deutschland, der Schweiz, Israel und den Vereinigten Staaten. Van Goghs Roulin-Porträt, das Julius und Regina Freudenberg vor 1933 verkauften, hängt inzwischen im Detroit Institute of Art und zählt zu jenen Werken, deren Wert das Auktionshaus Christie's im Auftrag der bankrotten Stadtverwaltung bereits geschätzt hat. Die Provenienzgeschichte von Feiningers "Kirche von Niedergrunstedt", die sich als Leihgabe des Landes Berlin in der Neuen Nationalgalerie befindet, wird zurzeit untersucht.

"Ein bitterer Aspekt deutscher Geschichte ist auch dies", schließt Gesa Kessemeier ihren Bericht: "Die einstmals prächtigen Gemäldesammlungen der Familie Freudenberg mit zahlreichen Werken van Goghs, Liebermanns, Slevogts, Francks, Noldes, Rohlfs', Pechsteins, Feiningers sind zerschlagen, die Familienmitglieder als Kunstsammler und Mäzene unsichtbar geworden. Rolf Horn hingegen, der die Firma Herrmann Gerson 1936 übernahm, baute seinerseits eine eigene Kunstsammlung auf, die heute als eine der ,bedeutendsten Privatsammlungen deutscher Kunst der Klassischen Moderne' gilt. Seit 1988 beziehungsweise 1995 befindet sie sich im Besitz des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf."

Gesa Kessemeier: Ein Feentempel der Mode oder Eine vergessene Familie, ein ausgelöschter Ort - Die Familie Freudenberg und das Modehaus "Herrmann Gerson", 174 S., Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin 2013, 22,00 .

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"Historian and curator Gesa Kessemeier reaches far beyond the myth and the anecdotes. She undertakes a careful cultural-historical reconstruction of the company's origins. (.) Compact, and yet meticulously researched as well as richly illustrated, Kessemeier's study outlines a paradigm for the cultural and economic assimilation of Jews in Germany within the textile trade and fashion industry. (.) The book impresses with richness of detail obtained through scrupulous detective work in archives and libraries. It is a pioneering study on the intersection of business and culture history that reconstructs a period in German history from an unusual angle." German Studies Review Vol. 38 Nr. 1, Februar 2015 "Das Modehaus Gerson war im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert eine Institution am Wederschen Markt. Dann kamen die Nazis und zerstörten mit dem Geschäft auch eine jüdische Familie. Die Mode- und Zeithistorikerin Gesa Kessemeier hat ihr Schicksal erforscht. (.) Ihr Buch 'Ein Feentempel der Mode' ist nicht nur für Berlin-Kenner und Modeliebhaber interessant. Exemplarisch stehen die Freudenbergs für Aufstieg, Entrechtung und Vernichtung jüdischer Familien. Und für die 'Entjudung des Berliner Grundbesitzes', wie es in den dreißiger Jahren unverhohlen hieß. (.) 'Mir geht es', sagt die Historikerin, "um moralische Rehabilitierung." Der Tagesspiegel, 17. November 2013 "Eine aufschlussreiche Abhandlung über das Unternehmen Gerson unter der Regie der Familie Freudenberg und auch ihre Liebe zur Kunst (Nolde, Feiniger, Liebermann) hat jüngst die Historikerin Gesa Kessemeier publiziert. Mit sorgfältiger Recherche holt sie eine vergessene Berliner Institution der Mode in die Erinnerung zurück. Ein Stück Stadtgeschichte wird hier lebendig." Berliner Stimme, 21 Dezember 2013 "Der Autorin ist zum Inhalt zu gratulieren. Durch ihre aufwändigen, tiefgehenden Recherchen wurde eine Familiengeschichte ans Licht zurückgebracht." Maajan - Die Quelle. Zeitschrift für jüdische Familienforschung Jg. 27/109, 2013 "Bewegend sind die bislang unbekannten Schicksale der jeweiligen Besitzer und Geschäftsführer der Firma Herrmann Gerson. Erstmals wird nun sowohl die faszinierende Firmen- als auch die eng damit verbundene Familiengeschichte der Freudenbergs aufgearbeitet."" Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft-Brief, Ausgabe 95, IV. Quartal 2013 "Gesa Kessemeier recherchierte, was mit den Freudenbergs nach ihrer Emigration geschah und schildert detailliert und quellenreich ihr Schicksal (...). Sie hat einen wichtigen und lesenswerten Beitrag zur Unternehmerfamilie Freudenberg und dem Modehaus Herrmann Gerson verfasst." Archiv und Wirtschaft Jg. 47/2, 2014…mehr