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Auf den Osterinseln, einem der rätselhaftesten Orte der Welt, verbinden sich die Schicksale zweier junger Frauen. Auf faszinierende Weise verknüpft die Autorin ihre Lebensgeschichten und erzählt von Liebe, Verrat, Verlust und intellektueller Leidenschaft.

Produktbeschreibung
Auf den Osterinseln, einem der rätselhaftesten Orte der Welt, verbinden sich die Schicksale zweier junger Frauen. Auf faszinierende Weise verknüpft die Autorin ihre Lebensgeschichten und erzählt von Liebe, Verrat, Verlust und intellektueller Leidenschaft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2004

Der große Pollenprobenschwindel
Kraft des gebrochenen Herzens: Jennifer Vanderbes' Inselroman

Inselromane sind im Vorteil. Der Autor muß seinen Weltausschnitt nicht erst umständlich definieren und abgrenzen; das erledigt die Landkarte. Jennifer Vanderbes hat sich für die Osterinsel entschieden, einen legendenumwobenen Schauplatz mit vielen ungelösten Rätseln. Was hat es mit den berühmten Moai-Statuen auf sich? Wie haben die Ureinwohner diese bis zu 83 Tonnen schweren Steinkolosse über eine Entfernung von zehn Meilen an die Küste transportiert? 1722 standen sie dort noch aufrecht, 1774 aber, als Cooks Expedition die Osterinsel anlief, waren die meisten umgestürzt. Weshalb? Gab es auf der kahlen Insel einst üppige Vegetation? Und was haben die bis heute nicht entzifferten Rongorongo-Schriftzeichen zu bedeuten?

Da Wissenschaftler diverser Fakultäten zum engsten Kreis des Romanpersonals gehören, werden all diese Rätsel zwar nicht gelöst, aber doch ausgiebig hin und her gewendet. Der integrierte Sachbuchgehalt des in Amerika als "prachtvoll", "intelligent" und "absolut fesselnd" gefeierten Debüts ist groß.

Der Roman verfügt über drei Handlungsstränge. Den ersten dominiert die zweiundzwanzigjährige Elsa Pendleton, die mit ihrem Mann, dem Anthropologen Edward Beazley, 1913 im Auftrag der Royal Geographic Society zur Osterinsel reist. Kurz zuvor hat man eine leidenschaftslose Heirat absolviert. In früheren Jahren hatte Elsa über den älteren Wissenschaftler, einen Arbeitskollegen ihres verstorbenen Vaters, gespottet; nun soll das eheliche Arrangement ihr mitsamt der hübschen, aber geistig behinderten jüngeren Schwester eine Lebensbasis bieten.

Es gilt, Alice vor der Abschiebung ins Asyl zu bewahren. Seit ihrer Kindheit hat Elsa "das Gefühl, daß über Alice zu wachen eine Aufgabe sei, die eine höhere Macht ihr anvertraut hat". Eine Ehe ganz im Zeichen der Fürsorge - kann das gutgehen? Natürlich nicht. Auf der Osterinsel kommt es zu einer unerwünschten Annäherung zwischen Beazley und Alice.

Der zweite Handlungsstrang schildert das Schicksal der Botanikerin Greer Farraday, die 1973 nicht nur zu Pflanzenstudien auf die Insel kommt. Sie hat auch ein privates Motiv, nämlich "die Geographie ihrer Einsamkeit zu erforschen". Gerade ist ihr Mann gestorben, mit dem sie sich kurz zuvor überworfen hatte. In ausgiebigen Rückblenden liest man von der gescheiterten Ehe zweier Biologen, die mit Komplimenten (",Ihre Vorlesung über Samenverbreitung war sehr interessant', sagte sie") als Labor-Romanze zwischen dem Professor und der Doktorandin begann.

Der Angiospermen-Spezialist Farraday hatte sich ein hohes Ziel gesetzt: Die älteste Blütenpflanze der Welt wollte er identifizieren. Ist es die Magnolie? Fieberhaft wurden Pollenproben aus aller Welt untersucht. Der Forschungswettlauf mit einem Konkurrenten entwickelte sich allerdings zur Farce. Männer, so lautet hier die kritische Botschaft zwischen den Zeilen, neigen fatal dazu, die Wissenschaft als Parcours für ihren persönlichen Ehrgeiz zu mißbrauchen. Schließlich wurde Thomas Farraday der Datenfälschung und des Pollenprobenschwindels überführt. Bald darauf starb er an Herzversagen. Zuvor schon hatte es einen Vorfall gegeben, der Greer ernüchterte: Ihr Mann hatte sich für eine Publikation ihre Dissertationsdaten angeeignet, worauf nicht er, sondern sie des Plagiats bezichtigt worden war - typisch männlicher Wissenschaftsbetrieb. Nebenbei erfährt man auch in den botanischen Partien des Buches viel Wissenswertes. Etwa, daß die Schmarotzerpflanze "Rafflesia Arnoldii" die größte Blüte der Welt hervorbringt: Zwanzig Pfund ist sie schwer, einen Meter hoch und riecht nach faulem Fleisch. Gibt's in keinem Blumenladen.

Der dritte Strang bringt historisches Geschehen ein. Es geht um die letzte Fahrt des deutschen Ostasiengeschwaders unter dem Kommando von Vizeadmiral Graf Spee. Da man nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs den Hauptliegehafen Tsingtao aufgeben mußte, machte sich die Flotte auf die langwierige und gefährliche Heimreise. Anfang November 1914 vernichtete Spee dabei eine britische Kreuzerdivision vor der chilenischen Küste, womit der Ruf der Unbesiegbarkeit der britischen Seestreitmacht widerlegt war. Einen Monat später wurde er von den Briten jedoch bei den Falkland-Inseln gestellt und mit 2200 Mann versenkt. Ins Blickfeld des Romans kommt Spee, weil er vorher noch einen Abstecher zur Osterinsel unternahm, um Vorräte aufzunehmen.

Wenn du nicht die eine ganz tolle Geschichte hast, nimm zwei oder drei und verknüpfe sie zum Schicksalsteppich. Der regelmäßige Wechsel zwischen mehreren Handlungssträngen ist ein probates Mittel, Spannung zu erzeugen. Nur scheint die Parallelführung bei Vanderbes lange Zeit beliebig und zusammenhanglos. Wo versteckt sich das missing link? Besteht es im Motiv der Einsamkeit, der weiblichen Enttäuschung durch die Männerwelt? Die wissenschaftliche Arbeit, der sich zwischenzeitlich auch Elsa ergibt (sie beschäftigt sich mit den Rongorongo-Tafeln), bietet Kompensationen privater Enttäuschung; weibliche Forschung findet mit der Kraft des gebrochenen Herzens statt. Schwierige Loyalitäten sind ein Grundmotiv des Buches, Beziehungen, die nur von inneren oder äußeren Verpflichtungen zusammengehalten werden.

Darüber hinaus bemüht sich Vanderbes aber auch um eine direktere Verklammerung der drei Handlungsstränge. Da gerät Elsas kostbare Erstausgabe von Darwins "Über den Ursprung der Arten" schließlich in die Hände von Greer Farraday; da faßt einer von deren Kollegen den Plan, ein Buch über Graf Spee zu schreiben. Und mehr noch: Spee entpuppt sich unvermittelt als Elsas verlorene große Liebe. Am Anfang des Buches steht ein Abschiedsbrief an einen gewissen Max - am Ende stellt sich heraus, daß damit kein anderer gemeint ist als der Graf, dessen Vorname Maximilian lautet. Als er vor der Osterinsel ankert, trifft man unverhofft aufeinander, und eine "atemlose Frage" bricht aus Elsa hervor: ",Max?' - Er streckt die Hand aus und legt sie auf ihre." Und seufzt: "Mein Liebling."

Über die von allen Ecken und Kanten befreite Sprache des creative-writing-Seminars kommt Vanderbes - sie hat am Iowa Writers' Workshop studiert - selten hinaus, egal ob Lust zu schildern ist ("Und wenn sie dann beide duftend dem Bad entstiegen, kletterten sie ins Bett und liebten sich") oder Schmerzliches nach Ausdruck verlangt ("Und mit dem Tod ihres Mannes hatte sich ein tiefer Frost in ihr festgesetzt"). Postkolonialismus light, Feminismus light, Stil light - so kann man dieses ambitionierte, kenntnisreiche und einigermaßen unterhaltsame Buch charakterisieren. Darüber hinaus hält es eine handfeste Moral für die Leserin bereit: Heirate keinen Wissenschaftler, das geht nicht gut.

WOLFGANG SCHNEIDER

Jennifer Vanderbes: "Osterinsel". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Stefanie Schaffer-de Vries. Berlin Verlag, Berlin 2004. 471 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.10.2004

Neues vom Kletterkürbis
Jennifer Vanderbes besichtigt die Osterinsel
Sind alle Reisen nur eine Flucht? Und alle Reisenden Fliehende vor dem eigenen Leben? Und werden nicht alle Reisen dennoch in der Hoffnung auf eine glückliche Heimkehr unternommen? Jennifer Vanderbes’ Debütroman „Osterinsel” ist ein Roman über Reisende. Könnte man meinen. Der Sehnsuchtsort ist hier die Osterinsel und die Reisenden, das sind vor allem zwei Frauen: Elsa Pendleton reist mit ihrer kleinen, als schwachsinnig befundenen Schwester und ihrem Anthropologen-Gatten - er soll die berühmten Moai-Statuen erforschen - im Jahr 1913 auf einer einjährigen Seereise von England auf die Osterinsel. Sechzig Jahre später fliegt die amerikanische Botanikerin und Pollenforscherin Dr. Greer Farraday in einigen Stunden (so ändern sich die Zeiten) für ein Forschungsprojekt von Boston aus auf die Osterinsel.
Beide Frauen sind aus ihrem alten Leben ausgezogen und suchen ein neues. Und - kaum zu glauben - das gelingt ihnen am Ende sogar: Auf der Osterinsel, diesem exzentrischen Punkt auf der Landkarte, werden die beiden Frauen erweckt und haben tiefe Erlebnisse mit sich und der Welt. Alles gemäß dem Satz, dass man reist, um die „Geographie seiner Einsamkeit” zu erforschen.
Diese Handlungsfäden werden mit einem weiteren Erzählstrang verknüpft, der Geschichte des Grafen von Spee, dem Vizeadmiral der deutschen Ostasienflotte im Ersten Weltkrieg, dessen Flotte vor Ausbruch der Falkland-Schlacht vor der Osterinsel vor Anker ging. So mischt die junge Autorin (Jahrgang 1974, Absolventin eines Creative-Writing-Kurses an der Universität Wisconsin) geschickt Zeitgeschichte und Fiktion, Botanik und Anthropologie. Sie hat viel gelernt, beherrscht die lockere Führung und Bewegung der Fäden, die ihr an keiner Stelle entgleiten. Alles ist sprachlich sicher, alles in Ordnung, keine Abstürze, keine Gefährdungen und um Gottes Willen auch keine Selbstentblößungen, das Erzählgefüge läuft gut geschmiert und wie von selbst über die gesamten knapp 500 Seiten vor sich hin, der Leser weiß jederzeit, wo er sich befindet. Die Geschichten überlagern sich, wiederholen sich als Variation des Immergleichen. „Und so wird Geschichte geschrieben”, können wir irgendwann lesen. Aha.
Kennen Sie rongorongo?
Die Autorin hat das Material zum Thema „Osterinsel”, das sie ausbreitet, gründlich recherchiert. Zu gründlich. Der Leser wird mit Informationen förmlich zugedeckt - über Charles Darwin, über die Rongorongo-Schriftzeichen, über Kapitän Cook, über den Bau und Transport der riesigen berühmten Steinstatuen, der Moai. Sehr lehrreich das alles, und haben Sie eigentlich schon gewusst, dass der „geflügelte Samen des asiatischen Kletterkürbis (Alsomitra macrocarpa) (...) den Menschen zu den ersten Entwürfen für Maschinen- und Segelflugzeuge” inspiriert hat?
Jedoch: Hier grundsätzlich zu werden hieße wohl, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Zwar handelt es sich hier um eine Lesereise auf eher seichten Gewässern. Doch ist dieser wendige, gar nicht uncharmant erzählte Roman durchaus geeignet für eine der vielen unvermeidlichen Reisen, die Tag für Tag unternommen werden, in all den Zügen, Autos und Flugzeugen, in denen der Zeitgenosse die flüchtigen Stunden des Tages zubringen muss.
YVONNE GEBAUER
JENNIFER VANDERBES: Osterinsel. Roman. Aus dem Amerikanischen von Stefanie Schaffer-de Vries. Berlin Verlag, Berlin 2004. 472 Seiten, 22 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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