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Benjamin und seine junge Geliebte Helene, auf der Rückfahrt von einem Skiurlaub in der Schweiz, suchen während eines Schneesturms Schutz in einem einsamen Gehöft. Dort werden sie von Jerome Steiner, einem sehr kultivierten Mann, äußerst freundlich aufgenommen und mit großer Zuvorkommenheit behandelt. Aber bald bemerken die beiden jungen Leute, dass mit Steiner etwas nicht stimmt und sie in Wirklichkeit seine Gefangenen in dieser verschneiten Einöde sind. Schließlich macht Benjamin in den Kellergewölben eine grausige Entdeckung...

Produktbeschreibung
Benjamin und seine junge Geliebte Helene, auf der Rückfahrt von einem Skiurlaub in der Schweiz, suchen während eines Schneesturms Schutz in einem einsamen Gehöft. Dort werden sie von Jerome Steiner, einem sehr kultivierten Mann, äußerst freundlich aufgenommen und mit großer Zuvorkommenheit behandelt. Aber bald bemerken die beiden jungen Leute, dass mit Steiner etwas nicht stimmt und sie in Wirklichkeit seine Gefangenen in dieser verschneiten Einöde sind. Schließlich macht Benjamin in den Kellergewölben eine grausige Entdeckung...
Autorenporträt
Pscal Bruckner, geboren 1948, ist Romancier und Essayist. International bekannt wurde er mit seinem von Roman Polanski verfilmten Roman "Bitter Moon". Der Roman "Diebe der Schönheit" stand monatelang auf den französischen Bestsellerlisten und wurde mit dem Prix Renaudor ausgezeichnet, dem bedeutendsten französischen Literaturpreis nach dem Goncourt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.1999

Quasimodo in der Postmoderne
Erlesene Verliese: Pascal Bruckner nimmt die Schönheit in Schutzhaft

Das Hôtel-Dieu in Paris. Wohlfeiler als in einem solchen Irrenhaus sind Wahnsinnsgeschichten nicht zu haben. Man muß nur dem endlosen Gebrabbel in den Fluren nachlauschen, um von Biographien zu erfahren, die so dicht wie eine Gummizelle sind. Jede Krankenakte liefert den Stoff, aus dem die Albträume sind. Den Vorwurf jedoch, gegen Alltagsgesetze der Wahrscheinlichkeit zu verstoßen, müssen diese Erzählungen beschädigter Seelen nicht fürchten. Das Hôtel-Dieu stellt die Lizenz zur gelockerten Logik aus. Wer von seinen Bewohnern Erzähldisziplin erwartet, gehört fast schon selbst dazu.

In diesen gut gepolsterten Räumen tut die Ärztin Mathilde widerwillig ihren Dienst. Gerade noch entronnen ist sie den Zumutungen einer Liebe, nun wird sie über drei Tage hinweg von der Beichte des Neuinsassen Benjamin Tholon bedrängt, der seine Seelenverletzungen hinter einer Gesichtsmaske von Wolle verbergen will. Als unbegnadeter Schriftsteller ist dieser soziale Analphabet zu seinem ersten Buch nur durch Betrug gekommen. Fortan erpreßt seine Leserin Hélène, die schöne Frau aus reichem Hause, das Nervenbündel auf eine Weise, der jede andere Männerphantasie sich bereitwillig unterworfen hätte. Denn sie verschwendet an den Wicht Geld und Geschmack, um ihm dafür in allnächtlichen Verführungen seinen bisher gehüteten Samen zu rauben. Diese Éducation érotique durchläuft Benjamin mit angezogener Handbremse: Schützen will er Körper und Charakter, an denen es nie etwas zu retten gab.

Während eines Urlaubs im französischen Jura werden beide von einem Schnee-Einbruch überrascht und flüchten vor dem Erfrieren in ein abgelegenes Chalet. Damit geraten sie aus der Kälte in ein noch eisigeres Grauen. Denn die Bewohner - ein verbrauchter Beau im Fettmantel, ein weiblicher Luzifer aus der Triebhölle als seine Frau und ihr priapeischer Zwergendiener - führen nach dem Verschwinden ihrer Potenz einen Bürgerkrieg gegen die noch vermögende Menschheit. Im Keller isolieren sie blendend attraktive Mädchen so lange, bis diese zu Körperruinen verfallen sind. Bestraft wird in dieser Selbstjustiz eine Schönheit, die alle Normalgesichtigen mit ihrer Unerreichbarkeit quälte. Erst diese Ideologie der drei Musketiere gibt ihrem Terror die Faszination eines Systems. Die Serientäter philosophieren sich zu Wohltätern, das lebendige Begraben wird zur Schutzhaft. Hélène aber wird das Tageslicht nur dann widersehen, wenn Benjamin sie gegen drei neue Opfer eintauschen kann. Seine Beichte im Hôtel-Dieu und die letzten hundert Seiten des Romans erzählen von diesem Wettlauf gegen den Wahnsinn, der am Ende in die Versuchung hineinstolpert.

Die Geschichte drängt so zielstrebig voran wie ein Schürzenjäger am ersten Abend der Bekanntschaft. Schon in "Bitter Moon" hat Pascal Bruckner vorgeführt, wie sexuelle Obsessionen den Reibungsverlust am Alltag unterlaufen. Der Trieb schmiert seine Kopulationsmaschinen mit Massageöl. Literarisch allerdings wünschte man etwas Sand ins Getriebe. Denn die Ich-Erzählung des beichtenden Benjamin kommt mit der Geradlinigkeit eines Aufklärungshandbuches daher. Daß dieses soziale Monster bis in seinen neurotischen Körper hinein entstellt sein soll, läßt sich an seiner Sprache in keiner Zeile ablesen. So beschädigt das Subjekt dieser Rede ist, so glatt formuliert es sein Bekenntnis. Die Physiognomie verschwindet hinter dem Spannungsangebot der Geschichte, der Beichtende hinter der Botschaft.

Das Buch quengelt fast ungezogen mit seinem Wunsch nach Verfilmung. Und dies wohl vergeblich, denn die Bilder liegen schon hinter ihm. Wer Stephen Kings "Misery" gesehen hat, muß sich kaum mehr warnen lassen, Autounfälle in Schneelandschaften tunlichst zu vermeiden. Auch der Verwandlung des guten Geistes in den terrorisierenden Wärter hat Kathy Bates bereits ihr umfangreiches Profil geliehen. Und daß in tiefen Kellern Frauen auf ihr Ende warten, verriet schon das "Schweigen der Lämmer". Sogar Jodie Fosters Therapie zur Selbstfindung, diesen Abstieg im Kampf gegen einen Dieb der Schönheit nachzuspielen, läßt Bruckner sich nicht entgehen.

Bei so vielen Anleihen aus dem Ratespiel "Kennen Sie Kino?" will auch die Literatur nicht im Schmollwinkel bleiben. Daß die frauenraubende Mißgeburt bei Bruckner auf den Namen Quasimodo verzichtet, ist kaum als schamhafter Umgang mit den Quellen zu werten. Wollte der Leser sich seine Bildungsunschuld auch naiv bewahren, so klären ihn doch die Kirche Notre-Dame als letzter Schauplatz des Romans und der mehrfach angeführte Victor Hugo gewaltsam auf. Wenn schon der Autor den Zitaten nicht entkommt, soll es dem Leser auch nicht bessergehen.

Pascal Bruckner aber wäre kein Kinoerzähler, ließe er sich diese Selbstbezüglichkeit des Genrefilms unkommentiert entgehen. Er macht den Helden zu seinem dichtenden Alter ego: der Erfolgsautor als Kompilator. Denn dessen Bestseller gelang es angeblich schon im ersten Satz, Geklautes aus Seneca, Sartre und E. T. A. Hoffmann bis zur Unkenntlichkeit zu verschleifen. Das "Plagiat als Grundtenor unseres ganzen Lebens" ist ein Fluch, den ein Postmoderner gerne hört. Erst die Müdigkeit der Theorie, so versichert das Buch, mache die Literatur an ihrer Stelle lebendig. Auf dem Gipfel der Ironie glaubt es sich angelangt, wenn es über den Tod des Autors witzelt und seinen Figuren einen Geschlechtsakt auf dem Grab Batailles gestattet. Das sind preiswerte Allegorien. Über sie will Bruckner sich augenzwinkernd mit dem Leser verständigen, doch mag diese Gesichtsgeste auch ein nervöser Tic sein. So gleicht das Buch, das seine Filmrechte zu Markte trägt, der tönenden Tüte Popcorn beim Kino-Besuch: Es unterhält während des Verzehrs. Über seinen Nährwert geht die Literaturgeschichte eher stillschweigend hinweg. THOMAS WIRTZ

Pascal Bruckner: "Diebe der Schönheit." Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Michael Kleeberg. Aufbau Verlag, Berlin 1998. 319 S., geb., 39,90 DM.

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