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Dieser Band versammelt fünf Essays zu den Themen Krieg, ethnische Konflikte, Menschenrechte und Medien. Sie beleuchten die Notwendigkeit und die Folgen internationaler Interventionen sowei humanitären Engagements. Geografischer Ausgangspunkt für die Reportagen darüber, ob man Gewalt eindämmen und zivilisieren, darüber, ob es einen moralischen Internationalismus geben kann, sind die großen Kriegsschauplätze der letzten Jahre: das ehemalige Jugoslawien, Somalia, Ruanda und Afganistan.

Produktbeschreibung
Dieser Band versammelt fünf Essays zu den Themen Krieg, ethnische Konflikte, Menschenrechte und Medien. Sie beleuchten die Notwendigkeit und die Folgen internationaler Interventionen sowei humanitären Engagements. Geografischer Ausgangspunkt für die Reportagen darüber, ob man Gewalt eindämmen und zivilisieren, darüber, ob es einen moralischen Internationalismus geben kann, sind die großen Kriegsschauplätze der letzten Jahre: das ehemalige Jugoslawien, Somalia, Ruanda und Afganistan.
Autorenporträt
Michael Ignatieff wurde 1947 in Toronto geboren und lebt heute in London. Nach seiner Forschungstätigkeit als Historiker am King's College, Cambridge, widmete er sich in den letzten Jahren mit großem Erfolg sowohl dem Roman als auch der politischen Reportage. Durch zahlreiche Arbeiten für die BBC und das kanadische Fernsehen sowie einer eigenen Talkshow ist er mittlerweile ein international gefragter Journalist und politischer Kommentator. 2003 erhielt er den Hannah-Arendt-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.07.2000

Herz in der Dunkelheit
Michael Ignatieff orientiert sich zwischen Zivilisierung und Krieg
Mit einem Zitat aus Büchern zu argumentieren – das ist nicht typisch für Michael Ignatieff. Der 53-jährige britisch-kanadische Historiker aus russischem Adel beginnt ein Kapitel lieber mit „Mirkovici, im März 1993, 16 Uhr”. Und dann beschreibt er die kroatisch-serbische Front zwischen zwei Dörfern; in einem Bauernhaus ein Dutzend serbische Soldaten: „Ich sitze fast die ganze Nacht mit ihnen zusammen, während sie dösen, Karten spielen, ihre Waffen reinigen. ” Ignatieff beginnt nicht mit seinem Bescheidwissen, sondern mit seiner „Verwirrung”; darüber, wie ehemalige Freunde, die sich noch jetzt über Frontlinien hinweg telefonisch über ihre Freundinnen unterhalten, auf einmal in zwei verschiedenen Lagern stehen.
Wie sein englischer Historiker-Kollege Timothy Garton Ash ist Ignatieff öfter in die Gebiete gereist, über die er schreibt. Auch sein neues Buch Die Zivilisierung des Krieges ist eine Mischform aus Reportage, anthropologischen und machttheoretischen Überlegungen „rund um den Krieg” von 1993–1997, in Ruanda, Angola, Afghanistan und, immer wieder, Jugoslawien. Was macht Menschen, die sich äußerlich kaum unterscheiden, die beinahe dieselbe Sprache sprechen, die dieselben Freizeitgewohnheiten haben, zu Feinden?
Zum Beispiel „die Hobbessche Angst”, sagt Ignatieff, der Isaiah Berlin-Biograf, der mit dem Altliberalismus sympathisiert: „Tito ist tot, die Kroaten übernehmen die Macht, und du hast niemanden ausser uns, der dich beschützen kann. ” Mit solchen Worten, erzählt Ignatieff, kamen Männer, meist ehemalige Polizisten und Armeesoldaten aus dem Ort, 1990 in die Dörfer der Krajina-Serben seiner Front-Bauernhütte, während sich Tudjmans Kroaten-Staat mit stark nationalistischen Fanfaren in Richtung Unabhängigkeit bewegte. Was die Ex-Polizisten sagten, waren genau die richtigen Worte: In Gegenden mit wenig demokratischer Tradition heißt Nicht- oder Nicht-mehr-an-der-Macht-sein fatalerweise nicht nur Abschied vom Regieren; es gibt oft nur die Alternative Macht oder Unterdrückung. Die Erinnerung an die alten Kämpfe, in die noch Väter und Großväter verwickelt gewesen waren, war noch frisch: Ustascha gegen Tschetniks gegen Partisanen. Jeder musste, nach Titos stabiler antinationalistischer Diktatur, plötzlich wieder fürchten, dass alte Rechnungen beglichen würden. Umso mehr, als alle Kriegsparteien weniger in analytischen, als in mythischen Geschichtsbildern lebten. Reporter im Balkankrieg, so Ignatieff, wussten oft nicht eindeutig zu sagen, „ob die Gräueltaten, von denen man ihnen berichtete, sich 1941, 1881 oder 1441 zugetragen hatten”. Erst die Aufhebung der Gleichzeitigkeit des Mythos und eine Individualisierung der „Schuld” könnte aus alten Konflikten befreien.
Die Erklärung der Aggressivität aus der Angst, plötzlich „niemand” mehr sein zu können, vertrieben, vernichtet zu werden, hat in Ignatieffs etwas weitschweifiger, den Gegenstand immer genauer einkreisender Argumentation einige Überzeugungskraft. Die Religionsunterschiede, sagt er, und setzt sich damit bewusst von Samuel P. Huntingtons „Clash of Civilisations” ab, hätten, vor allem zwischen Serben und Kroaten, keine wesentliche Rolle gespielt. Nie habe ihm jemand erzählt und nie habe er davon gehört, dass ein Bewaffneter seinen Glauben, Gott oder etwas Ähnliches „verteidigen” wollte; immer sei es um „die Familie” gegangen, die Nächsten, die Basis-Einheit der Nationalismen.
Doch wie geht man mit Entferntesten, „den Fremden” um, warum soll man denen helfen? Schon die „Gleichheit der Menschen”, so Ignatieff, ist eine hochkomplizierte Abstraktion der Zivilisationsgeschichte. Auch der westliche Liberalismus hat erst in einer großen, Jahrhunderte dauernden kulturellen Anstrengung gelernt, immer mehr Menschen als „gleich vor dem Gesetz” zu akzeptieren und über augenfällige Ungleichheiten in Geschlecht, Hautfarbe, sozialer Position hinweg zu sehen. Wie bringe ich also westeuropäischen Zivilisten bei, dass sie Schwarzen in Ruanda gegenüber Helfer sein sollten? - Immer häufiger nur noch über das Fernsehen. Unideologisch erwägt Ignatieff die verschiedenen Argumente: Die Marxisten hätten durchaus recht, wenn sie sagten, dass der Blick des Fernsehens auf die Opfer deren Leiden emotionalisiert und außerhalb der Geschichte situiert.
Andererseits könne man nicht davon absehen, dass alle anderen, nicht über Fernseh-Bilder aufgestörten, diffus mitmenschlichen Motivationen mit jemandem solidarisch zu sein, diskreditiert seien: „Wenn der labile Internationalismus des Mythos von der menschlichen Brüderlichkeit als moralische Kraft in die moderne Welt zurückgekehrt ist, dann deshalb, weil sich die partikularen Ausdrucksformen menschlicher Solidarität – Religion, ethnische Zugehörigkeit und Klasse – durch das in ihrem Namen begangene Morden selbst entehrt haben”. Unverständlicherweise geht Ignatieff auf „ästhetische” Fernseh-Bombardierungsbilder nicht ein, die Wahrnehmung gerade durch die Ausblendung der Opfer konditionieren.
Blut an den Händen
„,Sie sind volljährig – majeurs et vaccinés‘, sagte er. ,Gott hilft denen, die sich selbst helfen‘ . . .” Eines der besten Kapitel des Buchs berichtet anschaulich von einer einwöchigen Reise Ignatieffs nach Ruanda, Burundi und Angola mit Butros Ghali. Man sieht den damaligen UN-Generalsekretär, der in einer Sitzung ohne Kameras versucht, mit Hutu und Tutsi „Klartex” zu reden; der bei einem Termin vor der Kamera Jonas Savimbi aus Angola freundlich diplomatisch begegnet, obwohl er weiß, dass der Mann „Blut an den Händen” hat. Für seine Kritik an dieser „Zustimmung” zu Savimbis Politik erhält Ignatieff von Butros Ghali einen spöttischen Blick, der sagen will: Die Welt wird größtenteils von Männern regiert, die Blut an den Händen haben, aber auch sie müssen für ihre Mitarbeit in Friedensprozessen belohnt werden.
Was allerdings geschieht, wenn trotz aller Bemühungen nichts geschieht, wenn Verhandlungen immer wieder scheitern? Auch „Realpolitik”, wie sie das Rote Kreuz betreibt, dessen schwierige Zwischenposition Ignatieff in einem eigenen Kapitel ausführlich diskutiert, lebt von dem Glauben an eine langsame Besserung der Zustände. Am Ende von Joseph Conrads Erzählung Heart of Darkness steht der desillusionierte Ausruf des gescheiterten Zivilisators Kurtz: „Rottet alle Wilden aus!” Die Versuchung, seit Jahrzehnten ineinander verklammerte Feinde mit ihren Problemen allein zu lassen, ist groß. Eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis vieler Kriege allerdings ist, so Ignatieff, dass der Westen von seinen Helden-Erzählungen Abstand nehmen kann. Es war eine „Ironie der Geschichte”, schreibt Ignatieff, „dass ein Westeuropa, das keine Skrupel kannte, seine muslimischen Gastarbeiter-Minoritäten zu gettoisieren, in der muslimisch-christlichen Koexistenz Bosniens plötzlich genau das Bild seiner eigenen multikulturellen Illusionen wieder fand. ” Dass die „Staatengemeinschaft” trotzdem helfen muss, statt bloß verwirrt zu sein, wenn die im Opfer-Täter-Roman der Medien und Politiker präsentierten Fronten unklar werden, sieht man im Kosovo. „Reine Opfer” sind selten.
HANS-PETER KUNISCH
MICHAEL IGNATIEFF: Die Zivilisierung des Krieges. Ethnische Konflikte, Menschenrechte, Medien. Aus dem Englischen von Michael Benthack. Rotbuch Verlag, Hamburg 2000. 243 S. , 34 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Herfried Münkler zeigt sich äußerst beeindruckt von diesem Buch. Von vielen anderen Abhandlungen zu dieser Thematik unterscheidet sich Ignatieffs Buch seiner Ansicht nach vor allem durch seine "wohldosierte Mischung aus Beobachtung und Reflexion, Beschreibung und Analyse". Münkler deutet an, dass Ignatieffs philosophischer Hintergrund dabei von wesentlicher Bedeutung ist, besonders, weil der Autor trotz seiner Schilderung einzelner Ereignisse auch auf "grundsätzlichen Frage" zu sprechen kommt. Münkler weist darauf hin, dass das englische Original des Buches bereits vor dem Kosovokrieg erschienen ist. Dies sei aber für Ignatieffs Hauptthema, die Gratwanderung des "liberalen Interventionismus" zwischen der Verteidigung der Menschenrechte, ohne dabei uneingeschränkt militärische Mittel zum Einsatz kommen zu lassen, unerheblich. In seiner recht umfangreichen Rezension geht Münkler darüber hinaus auf drei Schwerpunkte des Buches ein: Zum einen die `Ethik des Fernsehens`, bei der Ignatieff die Veränderung und Steuerung "moralischer Beziehungen zu Fremden" erläutert. Zum anderen auf die von ihm sehr bewunderte Rolle des Internationalen Roten Kreuzes. Hier befasse sich Ignatieff vor allem mit dem Problem der IKRK-Delegierten, das Schweigen auszuhalten. Denn eine Missachtung dieses Schweigsamkeitsgebots hätte die Folge, dass das Rote Kreuz zu vielen Kriegsgebieten keinen Zugang mehr hätte. Nicht zuletzt hebt Münkler Ignatieffs Ausführungen zur "Entzivilisierung des Krieges" durch Kindersoldaten und Paramilitärs hervor.

© Perlentaucher Medien GmbH
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