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Ausführlich schildern die Autoren die Geschichte der Schokolade. Eine Geschichte, die vor dreitausend Jahren zur Zeit der Hochkulturen der Maya und Azteken begann und die bis zum "Schokoriegel für zwischendurch" in unserer heutigen Zeit reicht.

Produktbeschreibung
Ausführlich schildern die Autoren die Geschichte der Schokolade. Eine Geschichte, die vor dreitausend Jahren zur Zeit der Hochkulturen der Maya und Azteken begann und die bis zum "Schokoriegel für zwischendurch" in unserer heutigen Zeit reicht.
Autorenporträt
Sophie D. Coe war Anthropologin und Expertin für Ernährungsgeschichte. Sie wurde bekannt durch ihr Buch ›America's First Cuisine‹ (1994). Michael D. Coe, ein Spezialist für die Erforschung der mittelamerikanischen Hochkulturen und deutschen Lesern vertraut durch sein erfolgreiches Buch ›Das Geheimnis der Maya-Schrift‹ (1995), lehrte bis zu seiner Emeritierung Anthropologie an der Yale University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.1997

Darum bin ich froh, daß ich ein Dicker bin
Richard Klein predigt die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unpfündigkeit / Von Martin Mosebach

Ganz kleine Portionen, ganz leicht, ganz ohne Fett!" verspricht der Patron des Restaurants mit werbendem, beruhigendem Tonfall, während sich bange Blicke auf ihn richten. "Sollen wir heute mal sündigen?" flüstert der eine Gast dem andern halb lüstern, halb verlegen zu. "Sie können sich das ja leisten!" ist die jammernde Antwort, die von einer indiskreten Betrachtung der fremden Leiblichkeit begleitet ist. Für eine Welt, in der solche Dialoge geführt werden - wer wagt zu behaupten, daß er nicht zu ihr gehöre? -, hat der amerikanische Romanist Richard Klein sein Buch "Eat fat", zu deutsch "Schöne fette Welt - ein Lob der Fülle" geschrieben.

Es ist unüblich, in einer Rezension auf die Physis des Autors einzugehen, aber da Klein den Leser ausführlich mit der Schilderung des eigenen und des Körpers seiner Mutter unterhält, lädt er zum Studium seiner Photographie auf der Umschlagklappe geradezu ein. Ein sympathisch jugendlich amüsiertes Gesicht wächst da aus einem langen Hals heraus, der fast so dick wie der Kopf ist, man denkt an die mächtige Raupe mit Menschenhaupt aus den Tenniell-Illustrationen zu "Alice im Wunderland". Professor Klein gehört jedenfalls nicht zu den Propheten, die öffentlich Wein predigen und heimlich Wasser trinken - sein Bild gibt seiner Argumentation Gewicht.

"Man kann nicht reich genug und nicht dünn genug sein", lehrte Wallis Simpson, Herzogin von Windsor, und sprach damit einen der wenigen unumstritten gebliebenen Glaubenssätze des Jahrhunderts aus. Niemals ist der moralische Imperativ des Puritanismus amerikanischer Prägung auf eine kürzere Formel gebracht worden. In der Zone der westlichen Industriestaaten hat sich das uralte Erscheinungsbild der sozialen Klassen in sein Gegenteil verkehrt: Nicht mehr der ausgemergelte Leibeigene steht dem kapaunenhaft gemästeten Grundherrn gegenüber, sondern der fettleibige Arbeitslose der zum Skelett abgemagerten Ehefrau des Milliardärs.

Um das Leben in den irdischen Paradiesen genießen zu können, muß man jung und sexuell begehrenswert sein. Die Jugend läßt sich nicht halten, und die Anziehung läßt sich nicht erzwingen, und deshalb war es von entscheidender Bedeutung, einen dritten Wert einzuführen, der mit Willensanstrengung zu erreichen und wie ein Joker geeignet war, die beiden anderen Werte zu ersetzen: Dünnsein führt nicht nur zu Gesundheit und Schönheit, es ist dasselbe wie Gesundheit und Schönheit. Solche Setzungen, die einen Sieg über die medizinische Erkenntnis und den sexuellen Instinkt enthalten, offenbaren dem staunenden Blick die Kraft des menschlichen Geistes.

Die Anbetung des Dünnseins ist ein Axiom, sie kann weder begründet noch gerechtfertigt werden und beweist gerade dadurch ihre allgemein verbindliche Gewalt. Zu allen Zeiten ist gegen den Manierismus der jeweiligen herrschenden Mode angeschrieben worden. Ärzte bewiesen, wie ungesund sie sei - jede Mode ist ungesund, um gerade dadurch den Anschein von Vitalität, Kraft, Schönheit, kurz, Gesundheit zu erzeugen. Wie viele Leute, die vorhatten, ihr Leben zu zerstören, das in unserer Zeit durch Diäten, Hungerkuren und selbstgezüchtete, auf das Essen bezogene Geisteskrankheiten getan haben, wird sich vermutlich niemals ermessen lassen; mit Sicherheit wird ihre Zahl in einer bedenklichen Relation zu den Opfern der Völlerei stehen. Aber solche Überlegungen gleichen den Warnungen im vorigen Jahrhundert, das Korsett zu eng zu schnüren - keine der Mißbildungen, die der Schnürleib hervorgerufen hat, vermochte von seinem Gebrauch abzuschrecken, und als seine Zeit abgelaufen war, hätte auch eine Göttin ihn den Frauen nicht mehr aufzwingen können.

Richard Klein weiß, daß es gegen die Mode kein Argument gibt. Sein Buch unterscheidet sich deshalb entscheidend von einer Streitschrift gegen die herrschende Unvernunft des Magerkeitskultes. Gewiß, Klein läßt kein gutes Haar an einer Nahrungsmittelindustrie, die durch pseudodiätetische Produkte die Kundschaft erst recht ins Fressen hineintreibt. Er legt auf sehr komische Weise dar, wie die ständige Angst vor dem Zunehmen niemanden daran hindert, genauso dick zu werden, wie wenn er mit Lust gegessen hätte, was ihm schmeckt. Er deklariert die heute verdrängte Tatsache, daß es eine ungesunde und eine gesunde Art gibt, dick zu sein. Er beschreibt den sexuellen Gusto, der sich gerade an dicken Körpern erfreut, in einer Einfühlsamkeit, die einer Aufforderung, es in dieser Richtung doch auch einmal zu versuchen, nahe kommt. Wenn in "Tausendundeiner Nacht" schöne Jungfrauen und Jünglinge "vollkommen wie Monde" erscheinen, ist oft von dem Zauber ihrer unzähligen Fettfältchen die Rede. Klein macht eine erotische Verehrung schönen Fettes in fast allen Jahrhunderten und Kulturen der Weltgeschichte ausfindig, und das gibt der Zuwendung zum Dünnen in unserem Jahrhundert den Charakter eines revolutionären Traditionsbruches in der ästhetischen Sehweise.

Die Angst vor dem Fett wird von der infantilen Naschsucht begleitet, Süßigkeiten ist die Bedeutung von Psychopharmaka zugewachsen, und das hat nicht nur den Ruf, sondern auch die Qualität der süßen Sachen ruiniert. Sophie und Michael Coe stellen in ihrer "Wahren Geschichte der Schokolade" dar, daß das, was heute als Schokolade konsumiert wird, mit wirklicher Schokolade nichts zu tun hat: die darf nicht nur aus Zucker, Fett und Milchpulver, sondern muß vor allem aus reinem Kakao bestehen, wozu ein wenig Kakaobutter und ganz wenig Zucker tritt. Das Buch mit seinen naiven historischen Schilderungen im Stil bunter Zigarettenbildchen ist eine appetitliche Ergänzung zu einer ausgesuchten Chocolatière und streift in seinem letzten Kapitel auch das kulturelle Phänomen, dem Richard Kleins Leidenschaft gilt.

Kleins wichtigstes Argument für die Wohlbeleibtheit ist die Vermutung, daß die Idealisierung des dünnen Körpers in einem solchen Gegensatz zur Menschheitsgeschichte steht, daß sie bald wieder überwunden sein wird. Sein Buch versucht, Fett von dem Gesichtspunkt aus zu betrachten, daß es einmal als schön galt und irgend einmal wieder als schön angesehen wird. "Wir befinden uns heute an der Schwelle eines radikalen Wandels unseres Schönheitsbegriffs. Der Tag wird kommen, an dem ,fett' gleichbedeutend mit ,schön' sein wird." Wer sich als Anwalt mit der Geschichte im Bund weiß, hat den Prozeß immer schon gewonnen. Ist der Eifer, den der Autor an seine Beredsamkeit wendet, da nicht schon überflüssig?

Richard Kleins Werk enthält viel Witz zu einem für viele Menschen qualvollen Thema; es scheint schnell und leicht geschrieben und es unterhält durch seine Intelligenz - warum kann es dann für einen noch nicht mit Coca-Cola getauften Europäer dennoch manchmal zur mühevollen Lektüre werden? Warum wird den einen oder anderen Leser gerade dies unangestrengte Geplauder mit den vielen lustigen Anekdoten, den Referenzen aus der Geschichte, den Paradoxa, den Appellen an den gesunden Menschenverstand und den einschmeichelnden, beruhigenden Wiederholungen schließlich doch anstrengen? Sind gute Laune und Optimismus nicht angenehme Eigenschaften? Ja, sie sind angenehm und nützlich dazu, wenn man etwas verkaufen will - seien das nun Staubsauger oder Weltanschauungen. Während der gewandten Beweisführung Kleins, die immer an der richtigen Stelle innehält, um das soeben geschickt Vermittelte noch einmal richtig festzuklopfen und einzubläuen, entsteht vor dem inneren Auge des Lesers der Ballsaal eines großen Kettenhotels mit Rednerpult, Blumenbuketts und Schriftenstand und populärer Live-Musik zwischen den Vorträgen, die Welt der Missionsveranstaltungen, die das Heil durch eine bestimmte Partei, eine Sekte oder eine Diät verheißen. "Seitdem ich fett bin, bin ich glücklich" - das ist die Nachricht, die die Zeugen der Kleinschen Erlösung auf der Tribüne dieses Ballsaals ins Mikrophon zu sprechen hätten.

Da wird deutlich, daß es Klein um mehr als die Überwindung einer Modetorheit geht. Er nimmt die amerikanische Zivilisation und ihr von der Unabhängigkeitserklärung geheiligtes Glücksversprechen beim Wort. Furcht und Zittern der alten Kultur, "das Schaudern", das Europa zu "der Menschheit bestem Teil" erklärte, waren beiseite geschafft, da kehrte die Hölle mit Selbsthaß und Sündenangst in das Herz des nackten Antimetaphysikers auf der Badezimmerwaage wieder zurück. Die letzte Bastion, in die das Ungenügen des Menschen an sich selbst geflüchtet ist, muß genommen werden. Das ist ein staatsbürgerliches Ziel. Als Amerikaner hat Richard Klein seine Pflicht getan.

Richard Klein: "Schöne fette Welt". Ein Lob der Fülle. Aus dem Amerikanischen von Michael Müller. Goldmann Verlag, München 1997. 287 S., Abb., geb., 36,90 DM.

Sophie D. und Michael Coe: "Die wahre Geschichte der Schokolade".Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell.

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1997. 352 S., Abb., geb., 48,- DM.

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