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Rock 'n' Roll als Lebensprinzip
Schrill, zart und wild: der erste Roman der Ikone des bayerischen Musikkabaretts
Als Georg Ringsgwandl seinen alten Laptop verschrotten will, stößt er auf Textfiles, die offenbar seine langjährige Tourbegleiterin verfasst hat. Die Geschichte einer Frau, die mit elf als Babysitterin in Ringsgwandls Familie kam, mit zwölf Platten bei seinen Konzerten verkaufte und später sein Tourmanagement übernahm. Sie lernt Bett und Hirn von Toningenieuren, heroinsüchtigen Bassisten und Fernsehredakteuren kennen, den Glanz und Grusel des Showgeschäfts von der…mehr

Produktbeschreibung
Rock 'n' Roll als Lebensprinzip

Schrill, zart und wild: der erste Roman der Ikone des bayerischen Musikkabaretts

Als Georg Ringsgwandl seinen alten Laptop verschrotten will, stößt er auf Textfiles, die offenbar seine langjährige Tourbegleiterin verfasst hat. Die Geschichte einer Frau, die mit elf als Babysitterin in Ringsgwandls Familie kam, mit zwölf Platten bei seinen Konzerten verkaufte und später sein Tourmanagement übernahm. Sie lernt Bett und Hirn von Toningenieuren, heroinsüchtigen Bassisten und Fernsehredakteuren kennen, den Glanz und Grusel des Showgeschäfts von der Absturzkneipe bis zum Hofstaat der Stones. Ihr Blick ist schärfer als alle, die mit ihr unterwegs waren, ahnen konnten. Mit 36 vernimmt sie das Ticken der Uhr und setzt sich mit einem Mechaniker und reichlich Schwarzgeld ins Ausland ab.

Ein Roman mit schnellen Szenenwechseln, wildem Sound und tiefen Untertönen - für alle Fans von Georg Ringsgwandl und Leser_innen von Musikerbiographien

»Ich bin ein gesamtgesellschaftlicher Seismometer, mein Hirn ist ein Radiowellenempfänger und mein Maul der Lautsprecher.« Georg Ringsgwandl

»Ein Punk-Qualtinger, ein Valentin des Rock 'n' Roll, ein bayerisches Genie.« DIE ZEIT
Autorenporträt
Georg Ringsgwandl - der 'Valentin des Rock 'n' Roll' -, geb. 1948 in Bad Reichenhall, arbeitete bis 1993 als Arzt, parallel als Kabarettist und Musiker. Als Kind spielte er Zither, später Posaune, im Lungensanatorium kam die Gitarre dazu. 1978 präsentierte er Gurkenkönigs Hausfrauenshow, seit 1986 tourt er mit seiner Band und veröffentlichte 12 Alben. Ringsgwandl - vielfach ausgezeichneter Liedermacher, Autor einiger Theaterstücke und Regisseur -, ist eine der schillerndsten Figuren der Kulturszene.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.08.2023

Unterwegs zum Racknroul
Der bayerische Musiker Georg Ringsgwandl hat Aufzeichnungen
einer geheimnisvollen Tourbegleiterin gefunden und daraus seinen ersten Roman komponiert
VON CHRISTIAN JOOSS-BERNAU
Regisseur und Hauptdarsteller Ringsgwandl schmeißt schreiend sein Metallzepter durch den Raum, verfehlt knapp den Kopf der Schauspielerin Christa Berndl, die daraufhin die Produktion verlässt. Nach drei Wochen ist die Theaterinszenierung „Ludwig II. – die volle Wahrheit“ gescheitert – eigentlich. Neuer Anlauf mit eingedampfter Version – und dem mächtigen Schauspieler Jörg Hube. Ringsgwandl, übernächtigt, reagiert sich an den Schauspielern ab. Was Hube so erboste, „dass er den Pfuscher von Regisseur mit wüsten Beschimpfungen eindeckte, brüllend aus der Halle stürmte und die Stahltüren so heftig zuschmiss, dass der Putz von den Wänden rieselte.“ Schlichtungsversuch Ringsgwandl. „Hube darauf: Ich probe heute gar nichts, bevor ich nicht eine gescheite Brotzeit krieg.“ Der Regieassistent muss Weißwürste und Brezn besorgen. Am Ende wird’s natürlich doch gut: „Die Premiere knallte wie ein Feuerwerk“.
Wer hier so ungeniert aus dem Schatzkästchen der Erinnerung plaudert, ist allerdings nicht Ringsgwandl, das bayerische Gesamtkunstwerk aus Musik und Irrsinn selber, sondern die Doris. Die hat Ringsgwandl und Band jahrelang auf Tour und ins Theater begleitet, hat auch die späten 80er und frühen 90er miterlebt, als ein wüst zusammengeschminkter Vogel mit zuckendem Bühnentanz und E-Gitarre nicht nur konservative Bayern zur Hysterie trieb. Irgendwann hat sich die Doris mit wohl nicht ganz optimal versteuertem Geld abgesetzt und ward nie wieder gesehen. Ringsgwandl fand auf ihrem Laptop ihre Aufzeichnungen und hat diese nun unter seinem Namen als „Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris“ veröffentlicht. Um Ringsgwandl vom Verdacht des üblen Sexismus reinzuwaschen: Tourschlampe ist eine Selbstbezeichnung der Doris, die sie sich als Akt der Selbstermächtigung im Männerbusiness gibt.
Die Doris schreibt aus der Perspektive der teilnehmenden Zuschauerin, die sich mit den Herrschaften ins Auto quetscht und zum Gig fährt, die vor der Bühne steht, am Mechandising-Stand die Zuschauer bedient, die sich an Streit, Eskalation, Versöhnung erinnert und nach dem Auftritt in ranzigen Pensionszimmern noch einen Absacker mittrinkt. Die Doris ist als Figur praktisch.
Zuerst einmal aber hat sie eine Kindheit am Rande eines Sozialdramas: ein Leben in einem undichten Gartenhäuschen mit ihrer dysfunktionalen Mutter Rosa, die als prekäre Kunstexistenz nichts zustande bekommt. Einen Vater gibt es auch, der ist aber so nichtssagend, dass man seine Abwesenheit vorzieht – beschrieben in der aphoristischen Sentenz: „Er ist ja Statiker. Immer auf Nummer sicher und stets korrekt.“ Es wird im Winter 84/85 gewesen sein, als der Anderl die Doris und ihre Mutter zum Doktor Ringsgwandl in die Griesgartenstraße in Garmisch-Partenkirchen rüberfuhr. Der Doktor suchte gerade jemand für den Haushalt. So erzählt sich die Doris über die ersten Seiten hinein in die Ringsgwandlfamilie mit einem als Oberarzt praktizierenden Georg und einer Christine, die gerade noch promoviert.
All dies wird allerdings zum Hintergrundrauschen, als es zum Eigentlichen kommt. Auf Seite 23 sind wir schon bei der Band, genauer gesagt beim Racknroul. Und aus dem Dr. Ringsgwandl wird Dr. Muschnik, der da spielt, wo ihn keiner kennt. Es braucht ein paar Bier, bevor er sich auf die Bühne wagt. Immer dabei: die minderjährige Doris, die vom Babysitten zur Tourbegleitung umschwenkt. Erste desolate Miniauftritte vor vereinzeltem Publikum, die Woche in der Münchner „Drehleier“ mit der ersten guten Kritik. Die erste Platte. Aus Dr. Muschnik wird Ringsgwandl. Und dann nimmt die Doris zufällig einen Anruf entgegen, und Ringsgwandl wird zu „Live aus dem Alabama“ eingeladen. Glück, wer so eine Tourbegleiterin und ihr Tagebuch hat.
Anscheinend widerstandslos begeistert vom Racknroul, liebt die kleine Doris es, eingezwängt zwischen den Herren im Wagen zu hocken, statt Hausaufgaben zu machen: „Manchmal, besonders auf langen Autofahrten, sprudelt es aus Georg gerade so heraus. Er redet und ich höre zu“, heißt es da. Doris notiert die Perlen gleich mit. Für weitere Songs. Altersgerecht ist anders: „Teils hat er so bizarres Zeug im Kopf, dass ich mich wundere, wie er damit überhaupt noch Auto fahren kann.“ Aber Doris ist ja eh Außenseiterin mit einer Freundin namens Agnes, der die sektiererischen Eltern jeden Anflug von Rebellion untersagen. So verflüchtigt sich die Sozialdrama-Doris im Laufe der Erzählung. Die Doris, die übrig bleibt, schreibt über ihre erste Liebesbeziehung mit den Tonmann Tommi und die Trickserei, mit der sie das nebenbei schwarz verdiente Geld in die Schweiz transportiert.
So recht zwingend scheint dieser parallel geführte Erzählstrang nicht, aber Doris ist halt ein Katalysator, durch den die Ringsgwandl-Realität fließt, um sich in einer unentwirrbaren Mischung aus Fantasterei und harten Fakten auf den Seiten niederzuschlagen: So fahren sie vorbei, bei den Grundofenbuam aus Muckenwinkling. Einer Gruppe, die auf alte Barraslieder neue Texte schraubt. Zwar ist die Band lange schon in einer Raumzeitfalte verschwunden, man kann sie sich aber sehr schön vorstellen.
Gitarrist Chuck dreht ein mieses Versicherungsding, bei dem neben vielem auch ein messeneuer Crate-Verstärker verschwindet. Doris notiert’s mit erstaunlichem Faible für technische Details. Und würdigt auf das Netteste Gitarrist Nick Woodland: „Nick hat einen Hausgeruch, der mich an unser Gartenhaus erinnert, in dem sich der Moder des Bretterbodens mit den Gerüchen der Küche, der Dachbalken und der Sträucher außenrum vermengt.“ Sie kämpft heldenhaft gegen Bescheißereien der Veranstalter, die die Gage drücken wollen. Und holt Material von der Plattenfirma: „Der Chef ist dick und macht oft Witze.“
Später sagt selbiger Chef über den Ringsgwandel-Soloausflug in die eigene Vergangenheit, „Staffabruck“: „Georg, das ist das Beste, was du je gemacht hast.“ Der Chef war über viele Jahre eine prägende Figur der deutschen Musikszene, und man hätte gerne gewusst, wie genau es zum Bruch zwischen Plattenfirma und Ringsgwandl kam, das allerdings wird von Doris nur knapp mitgeteilt. Über weite Strecken geht dieser Roman eben so dahin, wie eine lange Autofahrt, auf der einer plappert.
„Textstellen, in denen sie nach meinem Empfinden zu streng mit mir ins Gericht geht, habe ich abgemildert oder gestrichen“, schreibt Ringsgwandl in seinem Nachwort. Man wünscht, er hätte das nicht getan. Nach einer Auftrittsserie im ehemaligen Flughafengebäude von München-Riem „tickt R im Backstage aus, brüllt irgendetwas von Zumutungen und Gemeinheiten, warf Zeug durch die Gegend, trat mit dem Fuß gegen die Türen, kickte Stühle durch den Raum und drohte mit allerlei Vergeltungsmaßnahmen“. Irgendwas und allerlei – seltsam vage bleibt es oft in Momenten, wo Tiefenschärfe der Reiz wäre. Nicht, dass Doris nicht Dinge auffallen: „Der 15.4.1988 ist der 74. Geburtstag von Franz Xaver Ringsgwandl, Georgs herzkrankem Vater, aber sein Sohn besucht ihn nicht, er gratuliert ihm nur von einer Telefonzelle an einer Autobahnraststätte aus.“ Die Antwort, wie der Ringsgwandl wurde, was er ist, sie liegt wohl noch ein Stück hinter dem Text der Doris.
Georg Ringsgwandl: Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris, dtv, 448 Seiten, 28 Euro
Die minderjährige Doris
hat vom Babysitten zur
Tourbegleitung umschwenkt
Vogelwilder Oberarzt in eigenwilliger Mission: An Ringsgwandl, hier in den frühen 90ern, konnten sich die Geister scheiden.
Foto: imago stock&people
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Georg Ringsgwandl kennt Rezensent Edo Reents als etwas schrägen Rock 'n' Roller, der aber immer die nötige intellektuelle Distanz wahrt und sich über den Betrieb lustig machen kann. Jetzt hat er einen Roman geschrieben, den Reents mit seiner Herausgeberfiktion eher autobiografisch liest. Ringsgwandl ist im realen Leben auch Kardiologe, und zwischen Klinik und Tour spielt auch das Leben des Protagonisten: das ist so zermürbend wie uneitel, "voller Tempo und Mutterwitz", lobt Reents. Der Titelbegriff der "Tourschlampe" ist heute zwar aus gutem Grund nicht mehr gebräuchlich, räumt der Kritiker ein, auch nicht bei einer Managerin, die mit den Verkaufserfolgen der Band vor allem ihr eigenes Portemonnaie auffüllt. Aber Reents freut sich einfach, dass der Autor der Versuchung widersteht, sich selbst in allzu glänzendes Licht zu stellen und es dennoch vermag, einen "charmanten, humanen Roman" zu schreiben.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2023

Der Rock 'n' Roll spreizt sein prächtiges Gefieder

Spielen, bis der Oberarzt kommt: Georg Ringsgwandl legt einen Roman über ein bewegtes Musikantenleben vor.

Man rieb sich die Augen, nachdem dieser schräge Vogel sich mit Begleitung Ende der Achtzigerjahre aus dem bayerischen Kleinkunstbiotop fortgetraut hatte und zum Glück auch über die eigene Universitätsstadt hinweggefegt war, und hatte keinen Begriff von dem, was er da, für jedes Lied in ein neues, noch verrückteres Kostüm schlüpfend, auf der Bühne getrieben hatte; "Rockkabarett" trifft es wohl noch am ehesten. Die "Zeit" hatte ihn, keineswegs abwegig, einen "Punk-Qualtinger" und einen "Valentin des Rock 'n' Roll" genannt. Und was immer man sonst noch über ihn sagen mag - so viel ist immerhin richtig, dass Georg Ringsgwandl ein Rock 'n' Roller ist.

Um die Faszination begreiflich zu machen, die von diesem Künstler nach wie vor ausgeht, mag dies genügen: Als jemand, der den Rock 'n' Roll wirklich mit Löffeln gefressen hat, wahrt er gleichzeitig eine Distanz zum Gewerbe, die ausgesprochen intellektuell daherkommt. Er beherrscht so ziemlich jede Pose, das Handwerk sowieso, macht mit seiner Gitarre rockklassische Luftsprünge wie einst Pete Townshend und sich gleichzeitig über gitarristisches Gehabe lustig, wie er sich überhaupt über so gut wie alles lustig macht, über Volkshelden wie Bruce Springsteen und über Kulturschickeria-Idole wie Placido Domingo, aber auch übers landläufig-alltägliche, vorzugsweise bayerische Wesen. Kaputtgelacht hatte man sich seinerzeit, als er, die zeitgenössische SUV-Kritik hellsichtig vorwegnehmend, die Fahrer von Geländeautos mit dem Stichwort "Bullengitter" lächerlich machte. Überhaupt sind seine mundartlich intonierten Texte ganz überwiegend Sozialkritik, beißend und präzise wie sonst eigentlich nur bei Gerhard Polt, nur dass bei Ringsgwandl das Musikalische das rein Schauspielerische übertönt.

So ist er, schon wegen seines erlernten Berufs als kardiologischer Oberarzt, eine wahrhaft schillernde Figur, und wenn je das Attribut "schrill" am Platz war, dann bei ihm, der seinen Aktionsradius mit Theaterstücken und Musicals - legendär das zu Ludwig II. - auf die Münchner Kammerspiele ausweitete, wo er die Entourage mit seinem chaotischen Perfektionismus und seinem Jähzorn regelmäßig zur Weißglut trieb.

Auf seinen - wenn man ihn so erlebt - unglaublichen Fünfundsiebzigsten hin, den er kürzlich im Münchner Residenztheater feierte, für seine Verhältnisse absolut seriös, hat er ein offiziell "Roman" geheißenes Buch geschrieben, das in Wirklichkeit aber wohl doch und zumindest teilweise eine Autobiographie ist, die nur nicht so heißen durfte, weil er diesem Genre nicht recht traut. "Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris" signalisieren schon im Titel einen Habitus, der in doppelter Hinsicht altmodisch ist - zum einen in der literarisch seit Jahrhunderten gebräuchlichen Fiktion eines Herausgebers, als welcher der tatsächliche Protagonist, der ebendiese Aufzeichnungen zufällig entdeckt haben will und sie nur an die Öffentlichkeit bringt, in einer Art Rahmung fungiert, zum anderen natürlich hinsichtlich der "Tourschlampe", die Fremd- wie, in kokettem Stolz vorgenommene, Selbstzuschreibung ist. Man kann es sich heute kaum noch erlauben, eine Frau so zu bezeichnen; aber dieses Risiko einzugehen kostete Ringsgwandl wahrscheinlich nur ein Grinsen.

Man achte aber auch auf den ersten Wortteil: Der Roman spielt die meiste Zeit auf "Tour" und gehorcht dem klassischen Rock-'n'-Roll-Gesetz von der ewigen Wiederkehr des Gleichen, Plattenaufnahme - Tournee, Plattenaufnahme - Tournee, mit Schwerpunkt auf dem zweiten, weil das Geschehen im Studio schon wegen Ringsgwandls erratischer Arbeitsweise in extenso wohl auch schwer einzufangen gewesen wäre. Doris, die aus einer sogenannten dysfunktionalen Familie stammt und sich an ihrer mittellosen Hippie-Mutter abarbeitet, ist durch ihren Job als Kindermädchen bei den Ringsgwandls für die Betreuung des kleinen Rock-'n'-Roll-Clans ausreichend qualifiziert und macht sich, als Hüterin des Terminkalenders, harte Verhandlerin mit den Veranstaltern, Fahrerin und Merchandising-Beauftragte erst nützlich und bald unentbehrlich.

Der Chef hat dem Ausbalancieren von Klinikalltag und allmählich deutschlandweitem Tourleben genug zu tun und kommt dabei, auf Kosten der Allgemeinverträglichkeit, immer mal wieder an seine Grenzen. Man weiß indessen die Ausraster dieses kreativen Genies, das meistens schon betrunken auf die Bühne kommt und hinterher im Auto als Erster einschläft, zu nehmen.

Illusionslos, mit fairem Respekt vor der kommerziell dann doch etwas erfolgreicheren deutschsprachigen Konkurrenz wie BAP oder der Spider Murphy Gang wird vom aufhaltsamen, erst durch die Kündigung der Oberarztstelle ermöglichten Aufstieg eines außergewöhnlichen Liedermachers und Performers berichtet, der für den ganz großen Erfolg aber am Ende wohl doch zu originell ist - das alles aus Doris' Perspektive, in Ich-Form und einem schnörkellos-geerdeten, absolut unprätentiösen Ton voller Tempo und Mutterwitz. Der an sich ja nicht neue Herausgeber-Trick erfüllt damit eine zweifache Funktion: Das Doppelleben des Protagonisten findet seine Entsprechung in dem der Erzählerin; und der Held kann über sich selbst in einer Weise schreiben, als täte er es nicht. Dass er dabei objektiv vorginge, wäre vielleicht zu viel gesagt; aber er tut es gerecht, vor allem gegen andere, und macht sich selbst keineswegs besser, als er ist. Das verleiht dem ganzen Vorhaben etwas Uneitles; und sollte Ringsgwandl, wie er gelegentlich durchblicken ließ, damit gefremdelt haben, dann merkt man es seinem Buch nicht an.

Nun könnte man auf die Idee kommen, Künstler zu sein bedeutete so viel wie frei zu sein. Dafür gibt es hier keinen Anhaltspunkt. Das Zermürbende dieses Daseins, vor allem auf Tournee, hat noch jeder, der es irgendwie wissen will, erfahren. Und zumal auf dem internationalen Sektor gibt es davon aufschlussreiche Zeugnisse - Jackson Brownes Platte "Running On Empty" (1977), Cameron Crowes legendärer, später verfilmter Bericht "Almost Famous" oder das Tagebuch des Mott-The-Hoople-Sängers Ian Hunter "Diary of a Rock 'n' Roll Star". Über Ringsgwandl steht Folgendes (man liest das und möchte, Ringsgwandls vernuschelte Rede im Ohr, sofort auch dieses immer leicht redundante Bairisch sprechen können): "Seit einiger Zeit ist R oft missmutig, grantig, unterschwellig angefressen, resigniert, trübsinnig und verdrossen. Als ich ihn kürzlich auf seiner Station in der Klinik abholte, damit wir rechtzeitig zum Auftritt kommen, nahm mich eine ältere Stationsschwester beiseite: Passen S' gut auf unseren Herrn Doktor auf, der kommt mir vor wie eine Kerze, die an alle [sic] zwei Enden brennt. Das geht nicht lang gut. Aber die Wälder färbten sich bunt, und mit den kürzer werdenden Tagen spreizte der Rocknroll wieder sein prächtiges Gefieder. Kaum, dass wir zu einer Konzertrunde losfuhren, war Rs Trübsinn wie weggeblasen. Am Ortsausgang Garmisch-Partenkirchen war er gesprächig wie eh und je. Ende des Jahres hatten wir fünfzig Auftritte hinter uns. Vielleicht, sagte R danach, sollte ich nur noch Auftritte machen und Platten aufnehmen."

Ja, vielleicht. Dass Ringsgwandls Sehnsucht nach dieser Kunst- und Lebensform letztlich uneingelöst bleibt, liegt nicht an einem Mangel an Talent oder Durchhaltewillen. Eher wird es so sein, dass ihm zu viel im Kopf herumgeht und er sich selbst als Rockstar und als dessen eigene Parodie vor Augen hat.

Was schließlich die Tourschl . . ., pardon, -managerin betrifft, so stellt sich, als es zu spät ist, heraus, dass sie die ganze Zeit auch in die eigene Tasche gewirtschaftet hat und sich dann, ein verpeilt-labiles Gruppenmitglied im Schlepptau, rechtzeitig aus dem Staub macht. Auch dafür kann der Geprellte ihr, gallig und komisch wie eh und je, den Respekt nicht versagen. Es wäre nicht seine Art gewesen, sich selbst ein Denkmal zu setzen. Aber durch diesen charmanten, humanen Roman fällt noch genug und allemal verdientermaßen Glanz auch auf ihn. EDO REENTS

Georg Ringsgwandl: '"Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris".

Roman.

Dtv, München 2023. 448 S., geb., 28,- Euro.

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Es wäre nicht seine Art gewesen, sich selbst ein Denkmal zu setzen. Aber durch diesen charmanten, humanen Roman fällt noch genug und allemal verdientermaßen Glanz auch auf ihn. (...) Das alles in einem schnörkellos-geerdeten, absolut unprätentiösen Ton voller Tempo und Mutterwitz. FAZ 20231214