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Grundverschiedener könnten die beiden Schwestern nicht sein: Deïna ist weltoffen und zärtlich, Astrid kühl und unergründlich. Und doch teilen sie, von den Kleidern bis zu Geheimnissen, vieles. Auch die Wut auf ihre vitale, komische und tyrannische Mutter, die alles lenken möchte, auch den Ansturm der Verehrer und Heiratsanwärter ... Bis der eine kommt, dessen Liebe man nicht teilen kann.
Die vierzehnjährige Mimi vergöttert ihre beiden älteren Schwestern und die Welt ist für sie im Lot, solange sie alle drei zusammen sind, alles bereden, alles teilen. Bis der eine kommt, dessen Liebe man
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Produktbeschreibung
Grundverschiedener könnten die beiden Schwestern nicht sein: Deïna ist weltoffen und zärtlich, Astrid kühl und unergründlich. Und doch teilen sie, von den Kleidern bis zu Geheimnissen, vieles. Auch die Wut auf ihre vitale, komische und tyrannische Mutter, die alles lenken möchte, auch den Ansturm der Verehrer und Heiratsanwärter ... Bis der eine kommt, dessen Liebe man nicht teilen kann.
Die vierzehnjährige Mimi vergöttert ihre beiden älteren Schwestern und die Welt ist für sie im Lot, solange sie alle drei zusammen sind, alles bereden, alles teilen. Bis der eine kommt, dessen Liebe man nicht teilen kann. Mimi ist wie gelähmt von dem Dilemma, ob und für welche Schwester sie Partei ergreifen soll.
Sie erfährt das Trauma, dass die, die sich die liebsten waren, zu Todfeindinnen werden, dass man nicht trösten, nicht vermitteln kann.
Autorenporträt
Sibylle Mulot wurde 1950 in Reutlingen geboren. Der hugenottische Familienname weckte früh ihr Interesse an Frankreich. Studium der Germanistik und Romanistik in Tübingen, Zürich, Toulouse und Rom. Promotion über Robert Musil. Ausbildung zur Journalistin bei der 'Süddeutschen Zeitung', seit 1980 war sie freie Schriftstellerin. Sibylle Mulot ist 2022 in Tübingen gestorben.
Rezensionen
"Ein sehr schön zu lesender, klar und eindringlich geschriebener Roman, in dem wir uns alle ein bißchen wiederfinden."
(Westdeutscher Rundfunk)

"Schon der funkelnde Witz, mit dem Sibylle Mulot eine miefige, stickige Welt beschreibend durchlüftet, macht dieses gelungene Buch lesenswert. Eindringliche Beobachtungen und hinterhältig-zarte Ironie geben der elegant erzählten Geschichte zudem die nötige Tiefenschärfe."
(tz)

"Viel Humor, ein wenig Bosheit und eine Prise Tiefsinn. Sibylle Mulots Feder ist so spitz, wenn sie die Dummheit und Ignoranz der lieben Zeitgenossen entlarvt, daß es eine Lust ist."
(Tages-Anzeiger)

"Wie Jane Austen nutzt Mulot für ihre Milieuschilderungen das Mittel der Ironie, allerdings wesentlich direkter.
Die eifrig betriebene Schuldverdrängung der braven Kleinstädter als zentrales Thema des Buches gibt auch dem Titel einen schönen ironischen Doppelsinn."
(Süddeutsche Zeitung)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.1999

Die Kälte der Bratkartoffel
Scheidung ist das halbe Leben: Sibylle Mulot zählt Wunderjahre

Es ist das Jahr Olympischer Spiele. Aus hinreichender Entfernung, von Merklingen aus auf der Schwäbischen Alb, machen die sportlichen Hochleistungen in Tokio im Sommer 1964 gar keinen schlechten Eindruck. Denn jedes Kind, so rechnet der Ministerialbeamte Armin Hülle seiner Familie vor, kann die Medaillen von Ost und West zusammenzählen und schließlich sehen, dass man unter dem Strich doch wieder Platz drei belegt. Vater Hülle hat hin und wieder nationale Wallungen; in der wohl behüteten Schreibtisch-Schublade lagert seine Publikation über die "Christgermanen".

In diesem, dem fünften Roman von Sibylle Mulot ist das einzige männliche Familienmitglied eine Randfigur. Zu leiden hat die Sippe unter der Dominanz von Mutter Marga. Ihre "verschlingende Leere im Kopf" bemächtigt sich jeder eigenwilligen Regung der drei gut geratenen Töchter. Die Welterfahrungsversuche der Jüngsten, der 14 Jahre alten Mimi, die ihre viel älteren, zwillingshaften Schwestern Deina und Astrid wie Göttinnen verehrt, werden von der Mutter mit ordnungspolitischen Anweisungen im Keim erstickt: "Iss deine Bratkartoffeln, sie werden kalt." Im Hause Hülle wird pünktlich um halb sieben zu Abend gegessen. Ein Leben nach Plan, nach Norm, nach der Uhr.

Und plötzlich der Riss durch die Familie. Eine Schwester spannt der anderen den Mann fürs Leben aus. Wie enge Verbundenheit blitzartig zu Feindschaft werden kann, die dreißig Jahre und den Fall der Berliner Mauer überdauert, davon erzählt dieses Buch auch. Eigentlich geht es aber um Mimi, um die "unschuldigen Jahre" der genau hinhörenden und beobachtenden Heranwachsenden. In hintergründigen Milieuschilderungen bekommen die wohlanständigen Freunde und Bekannten wie auch das jugendliche Personal der benachbarten Bundeswehrkaserne charakterliches Profil. Und vermeintlich "unschuldige Jahre" erleben auch die fernen Leute draußen im Lande, in der pubertierenden bundesdeutschen Wohlordnungsrealität.

Mimi horcht hinaus ins Leben, das sie nicht kennt, doch unbedingt bald kennen lernen will. So hört sie nebenbei reden von "Nestbeschmutzern", die Peter Weiss oder Rolf Hochhuth heißen und dem Publikum skandalöse Stücke zumuten. Draußen: Das ist für Mimi da, wo sie nicht ist. Von dort kommt ihr als Duft oder als Ton die "optimistische Traurigkeit" ins Haus geflogen. Draußen ist das Leben, dort, wo die Menschen ein Geheimnis verborgen oder eine geheimnisvolle Beziehung gefunden haben, die Entzücken und Amüsement verschafft. Diese Beziehung, fremd und begehrenswert, ist das Leben. Es sitzt in den Baumkronen, es springt aus dem Haus - "man selbst rannte hinterdrein in immer derselben Aufregung". Der Landgerichtsrat Dopff, der gern entspannt und Witze erzählend in Familie Hülles sommerlichem Garten liegt, der kennt das Leben, "denn er hatte die Scheidungssachen". Und wenn abends "die Großen die Hände rieben und sagten, was für ein schöner Tag, da dachte Mimi: Ja, aber es fehlt noch etwas, aber was?".

Später ist offenbar geworden, was fehlte. "Jedem das Seine" ist der Epilog überschrieben. Jedem sein Leben. Dreißig Jahre danach kann der einstige Oberleutnant Singer, der sich nun im Aufbaustudium Psychologie befindet, alles erklären. Mimi erkennt, dass das Leben manchmal nur Notlösungen erlaubt. Und wenn sie ehrlich ist, muss sie zugeben, dass es eigentlich immer Notlösungen sind, nur manchmal Lösungen. Sibylle Mulot ist mit den schwäbischen Subtilitäten vertraut; in den fünfziger und sechziger Jahren wuchs sie in Reutlingen auf. Mit liebenswürdiger Ironie hat sie eine Chronik der Wunderjahre im Musterländle geschrieben. Ein schöner kleiner Roman, in dem das Leben nicht braust, sondern gefährlich ruht.

ARND RÜHLE

Sibylle Mulot: "Die unschuldigen Jahre". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 1999. 232 Seiten, 36,90 DM.

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»Die Autorin erzählt in einer Sprache, die glänzt und glitzert wie das Meer zur Hochsommerzeit.« Nicole Hess / Tages-Anzeiger Tages-Anzeiger