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In unserer Zeit ist Wandel ein ständiger Begleiter. Verblassende Bilder, in der Nachschau vielleicht nostalgisch verklärt, erzeugen oft Wehmut. Wer kann sich im Europaviertel in Frankfurt am Main noch an Eisenbahnausbesserungswerk, Betriebswerk, Güter- und Rangierbahnhof erinnern? Dieser Eisenbahnstadt setzen wir ein Denkmal, werfen Schlaglichter auf Wandlung und historische Wurzeln. Ähnlich wird das Areal der Messe, das man als Messeviertel bezeichnen kann, betrachtet: Ein spannendes Ensemble, das von unterschiedlichen hervorragenden Architekten entworfen wurde, aber außer den Messebesuchern…mehr

Produktbeschreibung
In unserer Zeit ist Wandel ein ständiger Begleiter. Verblassende Bilder, in der Nachschau vielleicht nostalgisch verklärt, erzeugen oft Wehmut. Wer kann sich im Europaviertel in Frankfurt am Main noch an Eisenbahnausbesserungswerk, Betriebswerk, Güter- und Rangierbahnhof erinnern? Dieser Eisenbahnstadt setzen wir ein Denkmal, werfen Schlaglichter auf Wandlung und historische Wurzeln. Ähnlich wird das Areal der Messe, das man als Messeviertel bezeichnen kann, betrachtet: Ein spannendes Ensemble, das von unterschiedlichen hervorragenden Architekten entworfen wurde, aber außer den Messebesuchern nur wenigen Menschen bekannt ist. Das Buch setzt sich mit der Planungs- und Baugeschichte und ihren Ergebnissen auseinander. Das Zusammenspiel wechselnder Rahmenbedingungen und vieler Akteure mit unterschiedlichen Interessen verdeutlicht vor allem ein Zeitzeugengespräch. Bilder des Fotografen Eibe Sönnecken zeigen den Zustand des Europaviertels in den Jahren 2021 und 2022 und runden die Betrachtung ebenso ab wie die grundsätzlichen Empfehlungen für zukünftige Städtebauprojekte am Schluss.
Autorenporträt
Dieter v. Lüpke, geb. 1948, Architekt und Regierungsbaumeister, sammelte berufliche Erfahrungen in München, Berlin, Tübingen und Ulm und leitete zuletzt das Stadtplanungsamt Frankfurt/M.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.02.2023

Heute würde anders geplant

FRANKFURT Das Europaviertel war einst eines der größten Stadtentwicklungsprojekte in Deutschland. Ein neu erschienenes Buch ermöglicht einen kritischen Blick auf den neuen Stadtteil. Planer ziehen eine durchwachsene Bilanz - und sagen, was man hätte besser machen können.

Von Günter Murr

Mehr als 9000 Menschen wohnen im Europaviertel, hinzu kommen deutlich mehr Arbeitsplätze. Doch zu erreichen ist der Stadtteil, der in den vergangenen 20 Jahren auf dem Areal des früheren Güter- und Rangierbahnhofs entstanden ist, zumindest mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur sehr schlecht. Längst sollte die U 5 bis in das Neubaugebiet verlängert sein, doch der Anschluss kommt voraussichtlich erst 2025. Bis dahin gibt es nur eine langsame und unzuverlässige Anbindung. An einem Vormittag dieser Woche warteten Fahrgäste eine halbe Stunde auf den Bus, der eigentlich alle sieben bis acht Minuten fahren sollte. Großstädtisch ist das nicht.

Dieter von Lüpke, bis 2014 Leiter des Frankfurter Stadtplanungsamtes und mitverantwortlich für die Entwicklung des Europaviertels, gibt unumwunden zu, dass die immer noch nicht fertiggestellte U-Bahn zu den Schwachpunkten des neuen Stadtteils zählt. Er hat auch eine Erklärung dafür, warum die Bahn eine mehrjährige Verspätung hat: "Es fehlt bei der Stadt Frankfurt an einer Projektorganisation." Verschiedene Dezernate würden jeweils ihre eigenen Prioritäten setzen. "Nötig ist eine intensivere Zusammenarbeit."

Es ist nicht die Regel, dass Stadtplaner mit kritischer Distanz auf die Ergebnisse ihrer Arbeit blicken. Lüpke hat sich auf dieses Wagnis eingelassen - motiviert auch durch einen Text in der F.A.Z., in dem der neue Stadtteil nicht gut wegkam. Zusammen mit dem Eisenbahnexperten Georg Speck hat er ein umfangreiches Buch herausgegeben, in dem nicht nur die Entstehung des Viertels detailliert und reich bebildert dargestellt wird, sondern das Ergebnis auch bewertet wird ("Die Stadt der Eisenbahn wird zum Europaviertel", Waldemar Kramer Verlag, 255 Seiten, 49,90 Euro). Ein Gespräch mit Zeitzeugen ermöglicht es, Entscheidungsprozesse nachzuvollziehen.

Der Stadtplaner Stephan Reiß-Schmidt, ehemaliger Leiter der Hauptabteilung Stadtentwicklungsplanung der Stadt München, sprach bei der Vorstellung des Buches in den Räumen der Industrie- und Handelskammer Frankfurt von einem "Blick in den Maschinenraum der Stadtentwicklung", bei dem auch heikle Punkte nicht ausgespart würden. Er gab zu, dass er vor einigen Jahren das neue Viertel sehr skeptisch gesehen habe. Doch bei einem Rundgang im westlichen Teil, also rund um den großen Park, habe er seine Meinung geändert. "Zu diesem Stück Stadt kann man Frankfurt nur gratulieren. Das Ergebnis wirkt auf mich großstädtischer als in München." Der Stadtplaner führt das unter anderem auf die Hochhäuser zurück, die im Europaviertel Akzente setzen, in der bayerischen Landeshauptstadt jedoch verpönt sind.

Dieter von Lüpke spricht an, was aus seiner Sicht im Europaviertel nicht gut gelungen ist: Nicht nur die U-Bahn, sondern auch die Grundschule werde mit Verspätung gebaut, wodurch ein teures Provisorium nötig geworden sei. Die Europa-Allee, die wegen des Erhalts der Frischluftzufuhr ihre heutige Dimension habe, werde durch die zum Teil oberirdisch verlegten U-Bahn-Gleise geteilt und sei im Osten, beim Skyline Plaza, schlecht an das übrige Straßennetz angeschlossen. Das Einkaufszentrum öffnet sich nach Einschätzung des Stadtplaners zu wenig gegenüber seiner Umgebung. Den hinter der Fassade vorhandenen Leerraum hätte man seiner Ansicht nach auch für Wohnungen verwenden können.

Überhaupt würde man nach Einschätzung Lüpkes heute im Europaviertel mehr Wohnungen planen, vor allem solche, die gefördert und damit preisgünstig sind. Der Planer weist darauf hin, dass ein neuer Stadtteil immer auch ein Produkt der jeweiligen Zeit sei. Der hohe Bedarf an Wohnungen sei noch nicht absehbar gewesen, als man mit der Planung für das Europaviertel begonnen habe. Später habe sich das aber geändert. Deshalb sei die Stadt froh gewesen, als der Grundstückseigentümer auf der Südseite der östlichen Europa-Allee, also zwischen Skyline Plaza und Emser Brücke, von sich aus Wohnungen statt Büros bauen wollte. Eine abwechslungsreichere Architektur habe die Stadt vor diesem Hintergrund nicht eingefordert. Die dann gebaute, oft kritisierte Monotonie sei damit zu erklären, dass die verschiedenen Häuser vom gleichen Architekturbüro geplant worden seien. Doch dürfe die Kritik an den Fassaden nicht den Blick darauf verstellen, dass auch viele Gebäude hervorragender Qualität entstanden seien, meint Lüpke.

Für ihn überwiegen die positiven Aspekte. So sei es vor allem gelungen, Flächen für die Messeerweiterung zu sichern. Außerdem seien großzügige öffentliche Räume entstanden, es gebe eine Verbindung von Grünflächen zwischen dem Gallus und der Nidda. Als "städtebauliche Großtat" bezeichnet das der Planer. Das Gallus sei eng mit dem neuen Stadtteil vernetzt, was auch dem Programm "Soziale Stadt Gallus" zu verdanken sei. Es gebe unterschiedliche Nutzungen und eine ausgewogene soziale Mischung. Und schließlich sei nicht viel Steuergeld in die Entwicklung geflossen, weil die Infrastruktur aus der Wertsteigerung der Grundstücke finanziert worden sei.

"Die grundlegenden Ziele der Planung sind erreicht worden", so sieht es auch Stadtplaner Torsten Becker. "Aber das Europaviertel würde anders aussehen, würde es heute geplant", sagte der Vorsitzende des Städtebaubeirats in einer von F.A.Z.-Ressortleiter Manfred Köhler moderierten Diskussionsrunde. Man könnte eine höhere Dichte zulassen, kleinteiliger bauen und mehr Augenmerk auf die Gestaltung des öffentlichen Raums legen. Über den Verkehr müsse man ebenfalls nachdenken: Beckers Ansicht nach ist das Viertel "relativ autogerecht geplant". Reiß-Schmidt meinte, man würde heute auf teuer zu bauende Tiefgaragen verzichten. Dem widersprach IHK-Präsident Ulrich Caspar: "Die Garagen sind alle verkauft oder vermietet. Das Viertel wird von den Menschen akzeptiert."

Caspar sprach sich aber für eine bessere architektonische Qualität aus: "Wir sollten keine Gebäude errichten, die schon nach 50 oder 60 Jahren ihr Verfallsdatum erreicht haben." Becker wiederum sprach sich dafür aus, die Perspektive zu erweitern und über das Europaviertel hinauszudenken: Mit dem Neubaugebiet am Römerhof sei schon eine Erweiterung des Quartiers geplant. "Aber es gibt auch Überlegungen, weitere Flächen in Richtung Sossenheim zu entwickeln."

Reiß-Schmidt empfiehlt, dabei Lehren aus Projekten wie dem Europaviertel zu ziehen. "Öffentliches Bodeneigentum ist eine entscheidende Ressource der Stadtentwicklung." Und es sollte seiner Ansicht nach zur Regel werden, Planungsprozesse kritisch zu evaluieren.

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