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Die »Macht des Staates« wird heute immer lauter kritisiert, abgebaut, geleugnet - und sie wird immer stärker in ihren Techniken, an denen herkömmliche Betrachtung vorbeigeht.
»Wahrheit im Staatsrecht« war bisher, soweit ersichtlich, nie Gegenstand vertiefender Betrachtung. Hier wird eine solche versucht, zu den Formen einer »Staatswahrheit«, in deren Namen die Staatsgewalt Wahrheiten einfangen, sich auf sie gründen, dies anderen, staatsfernen Wahrheiten entgegenhalten, sie zurückdrängen will, mit ihrem Staatsrecht.
Das Recht wird herkömmlich als eine »Sollensordnung« begriffen, welche
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Produktbeschreibung
Die »Macht des Staates« wird heute immer lauter kritisiert, abgebaut, geleugnet - und sie wird immer stärker in ihren Techniken, an denen herkömmliche Betrachtung vorbeigeht.

»Wahrheit im Staatsrecht« war bisher, soweit ersichtlich, nie Gegenstand vertiefender Betrachtung. Hier wird eine solche versucht, zu den Formen einer »Staatswahrheit«, in deren Namen die Staatsgewalt Wahrheiten einfangen, sich auf sie gründen, dies anderen, staatsfernen Wahrheiten entgegenhalten, sie zurückdrängen will, mit ihrem Staatsrecht.

Das Recht wird herkömmlich als eine »Sollensordnung« begriffen, welche der »Seinsordnung« der geglaubten oder festgestellten Realität gegenübertritt. Recht wird als Ausdruck des Willens verstanden, in der Demokratie als Entscheidung des Volkssouveräns; »richtig« soll es sein, nicht wahr. Diese Sicht verkennt die traditionellen geistigen Grundlagen der Volksherrschaft wie, zunehmend, die politische Wirklichkeit - ja die Richtigkeitskategorie selbst: Staatsmacht läßt sich heute nicht mehr allein stützen auf Willen, etwa den der Mehrheit: seine Anordnungen müssen sich legitimieren aus einem Wahrheitsgehalt, gerichtet sein auf Staatswahrheit; der »mündige Bürger« kann und will sie erkennen. So wird denn hier etwas in dieser Form Neuartiges vorgelegt: Der Versuch einer Staatslehre des Erkennens.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.1999

Peitsche des Präzeptors
Walter Leisner raunt vom Gott der Wahrheit auf Erden

Walter Leisner: Die Staatswahrheit. Macht zwischen Willen und Erkenntnis. Duncker & Humblot, Berlin 1999. 271 Seiten, 92,- Mark.

Die seit zwanzig Jahren erscheinende Serie von einem Dutzend Monographien des emeritierten Erlanger Staatsrechtlers Walter Leisner steht fremdartig und unverbunden neben seinen Arbeiten zum positiven Recht. Der Leser hat den Eindruck, einen hochpathetischen, apodiktischen Monolog am Rande des Verfassungskonsenses zu vernehmen. Schon die Titel und Untertitel dieser Bücher wirken erratisch und ressentimentgeladen: Demokratie. Selbstzerstörung einer Staatsform? (1979), Der Gleichheitsstaat. Macht der Nivellierung (1980), Die Demokratische Anarchie. Verlust der Ordnung als Staatsprinzip? (1982), Der Führer. Persönliche Gewalt - Staatsrettung oder Staatsdämmerung? (1983), Der Triumph. Erfolgsdenken als Staatsgrundlage. Gedanken zu einer Staatslehre der großen, dauernden Ordnung (1985), Staatsrenaissance. Die Wiederkehr der "guten Staatsformen" (1987), Der Monumentalstaat. "Große Lösung" - Wesen der Staatlichkeit (1989), Staateinung. Ordnungskraft föderaler Zusammenschlüsse (1991), Der Unsichtbare Staat. Machtabbau oder Machtverschleierung? (1994), Der Abwägungsstaat. Verhältnismäßigkeit als Gerechtigkeit? (1997), Demokratie. Betrachtungen zur Entwicklung einer gefährdeten Staatsform (1998). Von einem öffentlichen "Einfluss" dieses zwischen Staatsphilosophie und Verfassungsrecht changierenden Denkens wird man schwerlich sprechen können, eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen mehr als 4500 Seiten unzeitgemäßer Staatslehre findet, soweit ersichtlich, kaum statt.

Was Leisner vorzuschweben scheint, ist ein geschlossener, über den Parteien und über der Gesellschaft stehender und mächtiger Staat, fähig zu Führung und Repräsentation, überwölbt von einer unveränderlichen "antigeschichtlichen" Verfassung. Seine großen Staatsprinzipien heißen Erfolg, Wiedergeburt, Größe, Einung. Die "elementaren Stabilitätserfordernisse in der Organisation der staatlichen Gemeinschaft", der den Staat tragende Boden, sein Innerstes, das vom Recht nur erkannt, nicht geschaffen wird und das der Macht überlegen ist - das alles nennt er "Staatswahrheit". Ihre Erscheinungsformen sind auch Staatsmonumente und Staatsgesten. Von den Inhalten der Staatswahrheit erfahren wir nichts. Auch die Rechtswissenschaft, obwohl hier als "Wissenschaft der Wahrheitsfindung" verstanden, verrät nichts Definitives; denn sie findet jene Wahrheit schon vor. Leisner versteht Wahrheit als Siegel der Wissenschaft, Staatswahrheit als Siegel für den echten Staat, ja als "Staatsbeweis" - analog zum Gottesbeweis.

Ob und wie dieses Verwirrspiel sich auflöst, hängt an seinem Wahrheitsbegriff. Von den Zweifeln der modernen Wissenschaftstheorie, der analytischen Philosophie und der Kommunikationstheorie, an absoluten Wahrheiten ist Leisner nicht berührt. Seine Abneigung gegen den Rechtspositivismus lässt zunächst vermuten, er folge einem christlichen Naturrechtsverständnis. Aber das bestätigt sich nicht, jedenfalls nicht in der traditionellen Form. Leisner, der den Staat "Gott der Wahrheit auf Erden" nennt, nimmt eher die Formeln seines Erlanger Vorgängers Friedrich Julius Stahl (1802-1862) auf, für den der Staat göttliche Institution und "sittliches Reich" war.

Doch was bei dem konservativen und frommen Stahl noch an Transzendenz vorhanden war, sucht man bei Leisner vergebens. Ein Dezisionist also, der die inhaltliche Leere der Dezision mit idealistisch klingenden Formeln verdeckt oder ein Idealist, dem vor der puren Macht schaudert? Dass die eigentlich staatserhaltenden ethischen Vorentscheidungen in der Gesellschaft entstehen und lebendig gehalten werden müssen, genügt Leisner nicht; sie müssen "Staatswahrheit" werden. Aber wie, etwa durch den Peitschenknall des Präzeptors? Was der kritische Leser dieses Buches jedenfalls ausmacht, ist ein deutliches Missbehagen des Autors am Wertepluralismus der modernen Gesellschaft, an der Relativität weltanschaulicher "Wahrheiten" und an den prozeduralen und formalistischen Techniken der von Parteien bestimmten Demokratie. Was er dieser Gegenwart entgegensetzt, sind Träumereien von Wahrheit, Monumentalität, Reich und Führung an antidemokratischen Kaminen.

MICHAEL STOLLEIS

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