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"Ich wollte eine Heranwachsende beschreiben, die einem Wahn erliegt", sagt die gebürtige Schweizerin Fleur Jaeggy über ihren Roman. Sie führt den Leser in ein Mädchenpensionat der sechziger Jahre, das "Bausler" im schweizerischen Appenzell, einen Ort, paradiesisch oder infernalisch, denn hier werden Mädchen diszipliniert, "bis die Disziplin selbst zur Lust wird".

Produktbeschreibung
"Ich wollte eine Heranwachsende beschreiben, die einem Wahn erliegt", sagt die gebürtige Schweizerin Fleur Jaeggy über ihren Roman. Sie führt den Leser in ein Mädchenpensionat der sechziger Jahre, das "Bausler" im schweizerischen Appenzell, einen Ort, paradiesisch oder infernalisch, denn hier werden Mädchen diszipliniert, "bis die Disziplin selbst zur Lust wird".
Autorenporträt
Fleur Jaeggy ist eine schweizerische und italienischsprachige Autorin, Ex-Model, Intellektuelle, Mystikerin, inzwischen etwas über 80 Jahre alt, ehemals enge Vertraute Ingeborg Bachmanns, Witwe des Adelphi-Verlegers Roberto Calasso, heute lebt sie weitgehend zurückgezogen in Mailand. Ihr weltweit gefeiertes Werk umfasst Romane, Erzählungen und Geschichten – beginnend mit Ich bin der Bruder von XX, wird es fortan vollständig im Suhrkamp Verlag erscheinen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.1996

Selig, wer so zart gezüchtigt
Fleur Jaeggy berichtet aus dem Töchterinstitut

Ruhmbedeckt und erfolgreich erreicht der schmale Band die deutschsprachigen Leser: Achtzigtausend Exemplare des italienischen Originals sind schon verkauft, neun Übersetzungen liegen bis dato vor. In Italien erhielt die Novelle gleich drei Preise, und auch die internationale Kritik - von Paris bis New York - schwärmte von der "schwindelerregenden", der "hypnotischen Intensität" dieses Textes.

Fleur Jaeggy, in Zürich geboren und seit Jahrzehnten in Mailand ansässig, hat in der Tat ein bemerkenswertes, ein respektables Buch geschrieben. Warum will sich beim Rezensenten Begeisterung über "Die seligen Jahre der Züchtigung" dennoch nicht einstellen? Wie wir aus Selbstaussagen wissen, verwertete die Autorin für ihren Bericht über verzweifelte Jugend eigene Erlebnisse. Die Geschichte spielt in den fünfziger Jahren in der geschlossenen Welt der Schweizer Mädchenpensionate. Kinder aus gutem Haus und schlechten Ehen werden darin gegen viel Geld aufbewahrt und abgerichtet: Aus höheren Töchtern sollen im "Töchterinstitut" künftige Mütter höherer Töchter werden.

Ohne sichtbaren Zorn blickt die Ich-Erzählerin vor allem auf jene Zeit zurück, die sie als Fünfzehnjährige in einem Appenzeller Internat verbrachte. Den alten Vater sah sie damals bestenfalls kurz in den Ferien in Hotels, seine selten eintreffenden Briefe waren stets mit "Pro Juventute"-Marken frankiert, während "Maman" in Brasilien sich überhaupt auf postalische Anweisungen für ihre Erziehung beschränkte. Die Aufmerksamkeit der Heiminsassin galt beinah exklusiv der geheimnisvollen Mitschülerin Frédérique. Deren Begabung, Disziplin und hochmütige Verschlossenheit faszinierten sie über alle Maßen. War es - gar verbotene, erotisch gefärbte - Freundschaft, die beide verband? Wohl nur bedingt. Über Gespräche und Spaziergänge gelangte die verkappt masochistische Beziehung nie hinaus. Reden wurde zum Ersatz. Bald verließ Frédérique das Töchterinstitut wieder; als Erwachsene, die versucht hat, ihre Mutter zu verbrennen, endete sie im Irrenhaus.

Fürwahr, eine traurige Geschichte, eine unmögliche Liebesgeschichte. Erstaunlich ist daran die ebenso präzise wie leise Kälte von Fleur Jaeggys Diktion. Denn genauer betrachtet geschieht hier fast nichts, doch dieses Nichts ruht auf bedrohlichem, gewaltsam niedergehaltenem Untergrund. Auch an buchstäblichen schönen, unverbrauchten und verblüffenden Wendungen mangelt es keineswegs, im Gegenteil: Psychologische Klugheit geht Hand in Hand mit poetischer Eleganz, deren Valeurs Barbara Schadens deutsche Fassung durchaus zu bewahren vermag. Trotzdem fehlt irgend etwas, und irgend etwas stört. Ein Satz wie "Mit intensiver Freude nahm ich den Schmerz und die Verlassenheit vorweg" beispielsweise sagt alles, ohne einen atmosphärischen Mehrwert zu vermitteln: Wir lesen und begreifen, was wir nicht wirklich spüren. Anders gesagt, weiß die Erzählerin zu viel, um uns in den Sog des Verhängnisses zu ziehen - sie analysiert ihn klarer, als sie ihn darstellt, sie informiert und schafft zugleich emotionale Distanz. Hinzu kommt eine betonte Todesmetaphorik, die den Eindruck des Schematischen erweckt: Allzu nachdrücklich werden wir auf das Morbide der Konstellation hingewiesen, das wir längst verstanden haben. Darum verdient Fleur Jaeggys Buch unsere Hochachtung, bewundern mögen es andere. ULRICH WEINZIERL

Fleur Jaeggy: "Die seligen Jahre der Züchtigung". Novelle. Aus dem Italienischen übersetzt von Barbara Schaden. Berlin Verlag, Berlin 1996. 120 S., geb., 29,80 DM.

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"Mit seiner hypnotischen Intensität ein fesselndes Buch, eines, von dem man verfolgt wird: machtvoll, kaum mehr abzuschütteln." (New York Review of Books)
»Von hypnotischer Intensität.« The New York Review of Books