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International gefeiert und vielfach preisgekrönt, genießt Abraham B. Jehoschua in Israel ebensolchen Erfolg wie sein Freund und Schriftstellerkollege Amos Oz. Jehoschuas neuer Roman ist metaphysische Reise und menschliche Komödie zugleich.
War diese Geschichte denn wirklich so schlimm und außergewöhnlich? Gewiß nicht. Aber in diesen grauenhaften Zeiten, in denen in Jerusalem immer wieder unschuldige Passanten auf offener Straße von einer Bombe zerrissen werden, bricht moralische Empfindsamkeit oft von unerwarteter Seite hervor. Diesmal ist es die lokale Presse, die einem Großbäcker…mehr

Produktbeschreibung
International gefeiert und vielfach preisgekrönt, genießt Abraham B. Jehoschua in Israel ebensolchen Erfolg wie sein Freund und Schriftstellerkollege Amos Oz. Jehoschuas neuer Roman ist metaphysische Reise und menschliche Komödie zugleich.
War diese Geschichte denn wirklich so schlimm und außergewöhnlich? Gewiß nicht. Aber in diesen grauenhaften Zeiten, in denen in Jerusalem immer wieder unschuldige Passanten auf offener Straße von einer Bombe zerrissen werden, bricht moralische Empfindsamkeit oft von unerwarteter Seite hervor. Diesmal ist es die lokale Presse, die einem Großbäcker »empörende Unmenschlichkeit« vorwirft, weil der sich nicht um seine Mitarbeiter kümmere. Genauer gesagt um die Identifikation der jungen Aushilfsputzfrau Julia Ragajew, die bei einem Anschlag auf den Jerusalemer Gemüsemarkt getötet wurde. Die tiefe Reue des verantwortlichen Personalbeauftragten der Bäckerei steigert sich zu einer veritablen Passion, die ihn bis in die entlegene Heimat der schönen Julia führt Menschlichkeit, Leidenschaft und Mitgefühl treiben Abraham B. Jehoschuas Helden in seiner kuriosen Mission an. Ein ebenso aktueller wie glanzvoller Roman des israelischen Autors.
Autorenporträt
Abraham B. Jehoschua, geboren 1936 in Jerusalem, ist einer der meistgelesenen und bedeutendsten Schriftsteller Israels. Als Professor für Vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität von Haifa und als engagierter Verfechter der Aussöhnung zwischen Juden und Arabern nimmt er regelmäßig Gastprofessuren in den USA und in Europa wahr. Heute lebt er mit seiner Familie in Jerusalem.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2006

Aus Liebe zu einer Toten
Abraham B. Jehoschua erzählt einen mysteriösen Fall

In Jerusalem ist unter den Opfern eines Selbstmordattentats auf dem Gemüsemarkt eine schwerverletzte, nach zwei Tagen verstorbene Frau, bei der man keinen Ausweis, bloß einen eingerissenen, namenlosen Gehaltszettel vom Vormonat gefunden hat. Man kennt jetzt nur die Firma, eine bekannte Großbäckerei und Papierfabrik, die sich anscheinend um die Tote nicht kümmert. Daraus sucht der Reporter ebenjenes Lokalblatts, das sein Papier von der Firma bezieht, trotz der Geschäftsverbindung journalistisches Kapital zu schlagen. Im Auftrag des Firmenchefs beginnt der Leiter der Personalabteilung, hochtrabend "Beauftragter für menschliche Ressourcen" genannt, mit den Ermittlungen. Die Tote wird in den Personalakten als Reinigungskraft geführt. Julia Ragajew ist mit einem jüdischen Freund aus Rußland oder einem der jetzt selbständig gewordenen Staaten des europäisch-asiatischen Reiches eingereist. Von Beruf Diplomingenieurin für Maschinen, hat sie nach der Rückkehr des enttäuschten Mannes und des Sohnes aus geschiedener Ehe in die Heimat eine Arbeit annehmen müssen, die weit unter ihrer Befähigung liegt, eben als Putzkraft in der Nachtschicht-Kolonne der Großbäckerei.

Ein mysteriöser Fall. Denn die, sagen wir ruhig: Russin Julia Ragajew ist einen Monat lang entlohnt worden, ohne Arbeit geleistet zu haben oder krank geschrieben zu sein. Der Personalbeauftragte kommt dem Nachtdienstleiter auf die Spur, der, offensichtlich fasziniert von der exotisch wirkenden Erscheinung, der Frondienst leistenden Frau aus Mitgefühl eine Freizeit gewährt hat. Inzwischen berauscht sich der Firmenchef an dem Plan, das Gesetz der Medien zu nutzen und gegen den Skandalartikel zum Gegenschlag auszuholen. Eine großzügige Entschädigung für die Angehörigen und die würdige Überführung der Toten in ihr Heimatland unter der Leitung des Personalbeauftragten werden angekündigt. Und nun der Clou des Plans: Der Skandalreporter selbst soll mit einem Fotografen die "Sühneaktion" begleiten, um zu Ehren der Firma das Hohelied der Humanität zu singen. Auf dem Flughafen in der russischen Provinz wird die israelische Konsulin die Delegation erwarten.

Ist Abraham B. Jehoschuas Roman "Die Passion des Personalbeauftragten" eine Satire auf eine unheilige Allianz von terroristischem Krieg, Schachzügen des wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes und Manipulation der öffentlichen Meinung durch die Medien? Nur zum Teil. Denn erzählt wird hier auch die dezente Geschichte von der "Passion" des Personalbeauftragten, eines ehemaligen Berufsoffiziers, der sein Glück weder in der israelischen Armee noch in der geschiedenen Ehe mit einer rachsüchtigen Frau fand, den der Firmenchef unbedenklich für seine Pläne benutzt und der nun zur Frau, die ihm als Tote überantwortet ist, eine nachträgliche Zuneigung faßt, die über das bloße Pflichtgefühl weit hinausgeht.

Die Entwicklung des neben Amos Oz bedeutendsten israelischen Erzählers seiner Generation zeigt durch Jahrzehnte hindurch sowohl innere Stetigkeit wie Variantenreichtum. Durchgehend erkennbar bleibt eine Ernüchterung, ein fortschreitendes Abhandenkommen des schwungvollen Optimismus, der die Gründergeneration des israelischen Staates erfüllte. In eine sephardische, schon vor Entstehen des jüdischen Staates in Jerusalem beheimatete Familie vor siebzig Jahren hineingeboren, hat sich Jehoschua einen Sinn für Realitäten bewahrt, der zu bitterem Humor fähig ist und gleichwohl die letzte Hoffnung nicht preisgibt. Seine Berufswahl - er lehrt an der Universität Haifa Vergleichende Literaturwissenschaften - spiegelt eine Weltoffenheit, die beinahe jedes erzählerische Werk Jehoschuas durchdringt und zugleich der Situation Israels als Einwandererland gerecht wird. Schicksalslinien des über die Welt verstreuten und das Land Israel (wie Iphigenie das Land der Griechen) "mit der Seele suchenden" jüdischen Volkes bilden die Magnetfelder seiner Romane.

Der Historiker Rivlin im Roman "Die befreite Braut" (2003) konzentriert sich auf die Geschichte der Gewalt islamischer Fundamentalisten. Jehoschua, obwohl Kritiker der israelischen Siedlungspolitik, verurteilt scharf den Terror der Selbstmordattentäter. Dennoch gibt dieser Roman die Idee einer Gastfreundschaft zwischen arabischen und jüdischen Bewohnern Palästinas nicht verloren. Die neuerliche Gewaltspirale, das wechselseitige Hochschrauben des vermeintlichen Vergeltungszwangs, hat diese Idee weiter ins Utopische entrückt. Die Versöhnungsperspektive ist in der in den Jahren 2002 und 2003 entstandenen "Passion des Personalbeauftragten" ausgeblendet. Die Handlung kreist um das doppelt unschuldige Opfer eines Selbstmordanschlags, eine Russin, die zwar Jerusalem liebt, aber aus christlich-orthodoxer Familie kommt. Als der Sarg im fernen Dorf eintrifft, wird die Mutter noch von einer Pilgerfahrt zu einem Kloster zurückerwartet. Angelangt, lehnt sie die Bestattung der Leiche im Dorf mit der Begründung ab, daß sie in der Wahlheimat der Tochter, in Jerusalem, begraben werden müsse. So nimmt, in umgekehrter Richtung, die Odyssee der Toten ihren Fortgang.

Diese Odyssee ist mit jener Mischung von Trauer und makabrem Humor erzählt, die wir auch sonst aus dem Werk Jehoschuas kennen. Immer ist, wie im Abenteuerroman, die Neugier des Lesers dem Gang der Handlung voraus. Und wieder versetzt die Eingängigkeit der Übertragung von Ruth Achlama den Leser auf ein Lektürepolster. (Eine Beckmesserei sei aber doch erlaubt: Der Plural des Schimpfworts Aas heißt nicht Aase, sondern, was freilich nicht besser klingt, Äser.)

Eingestreut in die Erzählung, durch Kursivschrift herausgehoben und in Wir-Form gehalten sind Berichte, Klagen oder Warnungen, die entfernt an den Chor der griechischen Tragödie erinnern. Auch so gibt der Autor dem Attentatsopfer Würde.

WALTER HINCK

Abraham B. Jehoschua: "Die Passion des Personalbeauftragten". Roman. Aus dem Hebräischen übersetzt von Ruth Achlama. Piper Verlag, München 2006. 327 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Einen weiteren kraftvollen Roman hat der darin bereits bewährte Jerusalemer Schriftsteller Abraham B. Jehoshua mit der Passionsgeschichte des Personalbeauftragten vorgelegt, freut sich Stefana Sabin. Hintergründige, gerade in der Wahl der Schauplätze subtil hervortretende Symbolik und genau beobachtete Schilderungen zwischenmenschlicher Verhältnisse sind für die Rezensentin die Stärken dieser Schilderung einer absonderlichen Reise vor dem Hintergrund der dauernd gegenwärtigen Bedrohung durch alltäglichen Terror und die Verletztlichkeit der Bevölkerung Jerusalems. Das erzählerisch bestimmende Moment des Buches, das Motiv der reisenden Leiche, gemahne deutlich an Jehoshuas großes Vorbild Faulkner, der schon wegen des vielschichtigen "kaleidoskopischen Perspektivwechsels" Pate zu stehen schien für die narrative Konstruktion dieser Passion eines Personalers - eine fruchtbare künstlerische Orientierung, die für Sabin ein weiterer Grund ist, den Roman zu empfehlen.

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