Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 0,50 €
  • Broschiertes Buch

Ein historischer Roman aus der Feder Luigi Malerbas. Nach dem Tod des Medici-Papstes Leo X. bangen Künstler, Huren und vor allem Kardinäle um ihre fetten Pfründe und ihre Kundschaft. Denn der angekündigte Nachfolger auf dem Heiligen Stuhl, ein Flame, hat sich der Askese verschrieben...

Produktbeschreibung
Ein historischer Roman aus der Feder Luigi Malerbas. Nach dem Tod des Medici-Papstes Leo X. bangen Künstler, Huren und vor allem Kardinäle um ihre fetten Pfründe und ihre Kundschaft. Denn der angekündigte Nachfolger auf dem Heiligen Stuhl, ein Flame, hat sich der Askese verschrieben...
Autorenporträt
Luigi Malerba (eigentlich Luigi Bonardi) wurde am 11. November 1927 in Berceto bei Parma geboren. Er gehörte zu den Gründern der Gruppe 63, schrieb Theaterstücke, Drehbücher, Erzählungen und Romane. Der phantasievolle Geschichtenerzähler, der zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren Italiens zählt, lebte in Rom und Orvieto. 2008 verstarb Luigi Malerba.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.1995

Bocksfuß
Luigi Malerbas Masken Von Gustav Seibt

Zwei Kardinäle, zwei Mörder, der Papst, der Teufel: Das sind die Mitspieler in Luigi Malerbas Kriminalroman aus dem Rom der Renaissance. Der Spielpreis ist das Amt des Kardinalkämmerers, eine ebenso einflußreiche wie einträgliche Pfründe am päpstlichen Hof. Soeben - Ende 1521 - ist der sinnenfrohe Papst Leo X. gestorben, dessen weiche und selbstsüchtige Züge Raffaels berühmtes Bild verewigt hat. Nun droht schon die Ankunft des trockenen Hadrian VI., eines reichsdeutschen Professors aus Utrecht, der in der Kurie aufräumen und ihr für den Kampf mit Luther den nötigen sittlichen Ernst zurückgewinnen will. Papst Hadrians Anreise schafft in Rom den Zeitdruck, der die Kardinäle Cosimo Rolando della Torre und Valerio Ottoboni, die um das Amt des Kardinalkämmerers konkurrieren, zu den äußersten Mitteln greifen läßt. Und in dieser Lage darf auch der Teufel auftreten.

Malerba hat der Versuchung widerstanden, einen Brokatroman mit raschelnden Soutanen, flackernden Fackeln und blitzenden Dolchen zu schreiben, obwohl er seine Renaissance-Bühne mit aller wünschenswerten Opulenz und historischen Genauigkeit ausgestattet hat. Er hat dabei unübersehbar von den Forschungen seines römischen Landsmannes Roberto Zapperi profitiert, dem besten Kenner der römischen Sozial-, Kunst- und Religionsgeschichte des Cinquecento. Malerba läßt freilich in seiner Geschichte zugleich die trockene und feine Luft des florentinischen Machiavellismus wehen. Sein Roman ist so schlau und kalt, wie es nur die Italiener sein können.

Grundriß und Aufbau des Buches sind symmetrisch wie das Renaissance-Tempelchen des Architekten Bramante: Der Papst rollt an, der eine Kardinal schmiedet ein Mordkomplott gegen den anderen, der andere gegen den einen. So entsteht ein narratives Wettrennen zwischen drei Teilhandlungen, und die Frage ist, welche Leiche zuerst vor die Füße des Lesers fällt. Der Teufel allerdings, um von der Geschichte nicht allzuviel zu verraten, erweist sich bei der eigentlichen Ausführung der Verbrechen nur bedingt als hilfreich.

Trotzdem ist er unentbehrlich in einem klerikalen Umfeld, das für Mord, Totschlag und Intrige gewisser semantischer Bemäntelungen bedarf. Kardinal Rolando nämlich engagiert nicht einfach einen gewissenlosen Killer, wie er in Rom an jeder Straßenecke aufzulesen ist, sondern gibt seinen Mordauftrag an einen jungen Mönch, der ihm als Kammerherr dient. Wie macht man einen Mönch zum Mörder? Indem man ihm einredet, er sei vom Teufel besessen und der sei eigentlich der Mörder. Und indem man behauptet, diese zweckmäßige Spaltung der moralischen Person sei gottgewollt und diene einem guten Zweck.

Malerbas Roman besteht zu großen Teilen aus solcher Kasuistik, und er hat dabei die schon in seinem "Griechischen Feuer" bewährte Dialogkunst auf einen neuen Höhepunkt geführt. Denn Kardinäle sagen natürlich nicht einfach, gehet hin und erstecht den Rivalen. Sondern sie deuten an, lassen durchblicken, ziehen zurück, streiten ab, sagen dann aber doch, überlegen, teilen mit, erpressen, versprechen und drohen. Wer es für ausgeschlossen hält, daß ehrenwerte Staatsmänner wie Andreotti sich in Mafia-Kreisen bewegten, der erhält hier eine Modellstudie über das Verhalten einer Macht, die zu allem fähig ist, aber sich mit nichts die Hände beschmutzt.

Denn natürlich ist auch dieser historische Roman wieder eine Allegorie auf die heutige italienische Politik, so wie der byzantinische Kaiserpalast in Malerbas "Griechischem Feuer" eine Chiffre für den "Palazzo" war, den Deckbegriff aller nichtöffentlichen Macht in Italien. Die "Masken" im Titel des neuen Romans - daß sie "nackt" seien, behauptet marktschreierisch nur die ansonsten ausgezeichnete deutsche Übersetzung - benennen die Verzerrungen einer intriganten Lebensform, die sich nicht nur der Maske der Frömmigkeit bedient, sondern ebenso effizient auch der der Sünde. "Gott" und "Teufel" werden dabei zu weltanschaulichen Jokern, die der ungehemmten Durchsetzung von Machtinteressen dienen. Die Macht an sich sei böse, sagte der Renaissance-Historiker Jacob Burckhardt; aber sie darf eben "an sich" nicht auftreten, sondern muß sich mal den Purpur überstreifen, mal den Bocksfuß anschnallen.

Weil aber eben alles Maske ist, wirkt Malerbas Roman trotz seiner Farbenpracht und trotz der Würze einiger erotischer Episoden so kahl. Die Macht ist auf unheimliche Weise neutral, und es gehört zur Kunst Malerbas, in ihrem elektrischen Fluidum alles historische Kolorit verschwinden zu lassen. Geschichte ist nur ein Kostüm des Immergleichen, das eine ernüchterte Erfahrung mit ungerührter Ironie immer neu erzählt.

Luigi Malerba: "Die nackten Masken". Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Iris Schnebel-Kaschnitz. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1995. 297 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr