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"Italien-Bilder voll authentischer ,italianità': Filastò beschert uns einen angenehm lesbaren, überdurchschnittlichen Kriminalroman." F.A.Z.

Produktbeschreibung
"Italien-Bilder voll authentischer ,italianità': Filastò beschert uns einen angenehm lesbaren, überdurchschnittlichen Kriminalroman." F.A.Z.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.12.1999

Mörder und Modigliani
Bei Nacht sind alle Rosen schwarz: Ein Krimi von Nino Filasto

Der Kriminalroman, herkömmlich als eine Gattung der Unterhaltungsliteratur eingeordnet, versuchte schon immer, den Fesseln des Trivialen zu entkommen und sich - etwa bei Dorothy I. Sayers, Dashiell Hammet, Raymond Chandler oder Georges Simenon - mit psychoanalytischen, gesellschaftskritischen oder kunstgeschichtlichen Motiven anzureichern. Dies ist sicherlich einer der Gründe dafür, warum der Kriminalroman immer wieder ungewöhnliche Publikumserfolge verzeichnete und oft genug in langen Romanserien zum Bestseller avancierte, wie zurzeit die Romane von Donna Leon. Andererseits haben die Erfolge der Kriminalromane auch zurückgewirkt auf Autoren, deren zentrales Anliegen nicht die Unterhaltung war. Robbe-Grillet, Butor und Dürrenmatt verwendeten für abweichende Ziele zuweilen "kriminalistische" Strukturelemente. Herausragend ist das Beispiel Gaddas, der in seinem großen Roman mit Strukturelementen des "giallo" ein Totalgemälde des labyrinthartig verflochtenen Lebens entwarf.

Will ich unterhalten, oder über Unterhaltung hinaus, und wenn ja, wie weit gehe ich? Das ist die zentrale Frage, die jeder Autor auf diesem Feld fließender Übergänge für sich beantworten muss. Nino Filasto, Jahrgang 1938, der sich nun, nach "Der Irrtum des Dottore Gambassi" (1997) und "Alptraum mit Signora" (1998) bereits mit einem dritten Roman dem deutschen Publikum vorstellt, hat diese Frage schon vor Jahren für sich entschieden. Er hat eine serientaugliche Zentralfigur geschaffen, den Florentiner Rechtsanwalt Corrado Scalzi, später Nachfahre von Sherlock Holmes, Hercule Poirot, Lord Peter Wimsey, Jules Maigret und in diesem Augenblick erklärter Konkurrent des venezianischen Commissario Brunetti. Im Unterschied zu der überwiegenden Mehrzahl der bekannten Kriminalheroen betätigt sich Filastos Serienheld allerdings nicht als Detektiv oder Kommissar, sondern operiert als kundiger "avvocato". Filasto ist Rechtsanwalt in Florenz, das italienische Rechtswesen und seine Praxis sind ihm bestens vertraut, er kennt die Toskana und besonders gut Florenz und Livorno, er liebt offensichtlich toskanische Küche und hat kunstgeschichtliche Interessen.

Diese Fähigkeiten sind zugleich die des Avvocato Scalzi, der in der "Nacht der schwarzen Rosen" in einen dunklen Fall hineingezogen wird. Die Leiche eines jungen amerikanischen Kunsthistorikers mit Namen Wayne James wird im Hafenbecken von Livorno aufgefunden. Caroll Ellroy, James' Verlobte, beauftragt den Avvocato, in diesem Fall zu ermitteln. Sie ist davon überzeugt, dass ihr Verlobter ermordet wurde und nicht, wie die Carabinieri annehmen, durch einen Unfall oder durch Selbstmord ums Leben kam. Von ihr erfährt Scalzi, dass James einigen geheimnisvollen Skulpturen Modiglianis auf der Spur war, die nach dem Kriege in Livorno, der Geburtsstadt des Künstlers, gefunden wurden und seither verschollen waren. Aufgeschreckt durch dunkle Drohbriefe eines gewissen Carci, bittet auch Carruba, eine undurchsichtige, in vielerlei Machenschaften verwickelte Existenz den Avvocato, ihn zu vertreten und zu schützen. Von Carruba erhält Scalzi die Information, dass ein Livorneser Schrotthändler namens Granelli drei authentische Skulpturen Modiglianis besäße - letztere nicht zu verwechseln mit den plumpen Fälschungen, die 1984 in Livorno von übermütigen Studenten angefertigt wurden, um Kunstexperten und Kunsthändler hereinzulegen.

Als Scalzi bei Granelli recherchiert, muss er erfahren, dass dieser von seinem höchst eigenwilligen und abenteuerlichen Anwaltskollegen und Freund Amerigo Guerracci vertreten wird. Carruba, Carci und Granelli jedenfalls, so steht schon bald fest, sind an dunklen Geschäften mit Kunstfälschungen und Drogenhandel beteiligt. Die clevere, zielstrebige Olimpia ist es, Sekretärin, Gefährtin und Faktotum Scalzis, die als erste Zusammenhänge zwischen der Ermordung James' und den geschäftlichen Interessen dieser zweifelhaften Existenzen vermutet. Wer aber sind die eigentlichen Auftraggeber und Hintermänner?

In der Verfolgung vieler Spuren und Hypothesen lüften Scalzi und seine scharfsinnige Olimpia Schritt für Schritt, oft unter großen Gefahren, das Geheimnis eines Verbrechens und seines Umfelds, dessen Aufklärung am Ende des Romans in einem weiteren Verbrechen, nämlich der Beseitigung des Mörders Packard, seinen abschließenden Höhepunkt findet. Der Roman ist klar aufgebaut und entfaltet seinen wohltemperierten und angenehm lesbaren Stoff in drei Teilen. Filasto führt eine leichte, zeitweise elegante Feder; er ist ein überdurchschnittlicher Erzähler mit sicheren Instinkten für die Erwartungen des Lesers. Dieser weiß immer nur wenig mehr als die beteiligten Gestalten, und so bleibt er bis zum Schluss neugierig, ja selbst nach der letzten Seite bleibt für den Leser manche Frage offen - was die Wirkung eines Kriminalromans, wie vor allem Gadda mit dem offenen Schluss seines Werkes exemplarisch vorführte, erhöhen kann.

Wie schon in seinen früheren Romanen kann Filasto vor allem durch die Gestaltung seiner Protagonisten überzeugen: Der korpulente, brummig-gutmütige, doch auch leicht erregbare, fachlich stets kompetente Scalzi kann in fast jeder Szene überzeugen; ihm zur Seite steht, die Emotionen und Schwächen des Chefs ausgleichend, eine immer scharfsinnig und rational operierende, ungerührte Olimpia. Höchst plastisch präsentiert sich auch, in seiner Fettleibigkeit, Verwahrlosung und in der ständigen Angst vor Strafverfolgung, der labile Charakter Carrubas; ja selbst unter den weniger wichtigen Personen findet man markante, unverwechselbare Figuren wie etwa die dekadente, undurchsichtige Dottoressa Trudu oder die hässlich-skurrile Zerrgestalt des Sarci.

Farbige und anschauliche Beschreibungen von Landschaften und Interieurs, insbesondere von der Stadt Livorno und ihrem Hafen vor dem Hintergrund der schneebedeckten Apulanischen Alpen, gehören ebenfalls zu den relativen Stärken des Romans. Tableaus dieser Art unterbrechen als wohldosiert eingebrachte Ruhepunkte die bisweilen verwirrende Abfolge der kriminalistischen Geschehnisse; nicht selten sind sie in Effekt haschender Weise lyrisch eingetönt. In deutlicher Parallele zu Jules Maigret ist auch der Avvocato Scalzi ein Liebhaber der gepflegten Küche. Die Qualität der verzehrten Speisen hat einen entscheidenden Einfluss auf seine Stimmungen, und so entwickelt sich denn das Kulinarische zu einem weiteren angenehmen Leitmotiv des Romans. Die meisten lesen so etwas gern; und auf die meisten kommt es ja an.

An die meisten denkt Filasto auch, wenn er, wiederum wohlbemessen und unverbindlich, einige Bildungselemente in seinen Roman einstreut. Da ist die Rede von Sokrates, von der Lyrik Giovanni Pascolis, vom Buddhismus und Hermann Hesse oder von der Zahlenmystik der Kabbala. Der Maler Umberto Boccioni hat die Ehre, mitsamt einem futuristischen Manifest erwähnt zu werden, Ludwig Wittgenstein wird einmal mit seinem bekanntesten Satz zitiert: "Worüber man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen" - ein auch für Erzähler bemerkenswerter Satz. Charles Sanders Peirce muss seinen berühmten Namen für ein ziemlich misslungenes Wortspiel hergeben. All diese Zitate und Hinweise, ja selbst die Erwähnungen Modiglianis, werden nicht weiterverfolgt. Sie bleiben schmückender und leicht zu konsumierender Zuckerguss, der die Aufgabe hat, die vielseitige Bildung des Autors und vor allem die kulturelle Kompetenz seiner Leser vorzuführen.

Trotz manchen Klischees, trotz Wiederholungen und einigen ärgerlichen Dehnungen gelingt dem Autor eine insgesamt abwechslungsreiche Szenenfolge, die in vielen Punkten an den Film erinnert. Vor allem aber gelingt es Filasto, aus konkreter Kenntnis des Landes und der Menschen ein authentisches Bild der toskanischen Region vor uns erstehen zu lassen. Das ist kein geringes Qualitätsmerkmal, und zumindest in diesem Punkt dürften die Avvocato-Scalzi-Romane den Venedig-Romanen von Donna Leon ebenbürtig sein. Italien-Bilder voll authentischer "italianità": Filasto beschert uns einen angenehm lesbaren, überdurchschnittlichen Kriminalroman.

MANFRED HARDT

Nino Filasto: "Die Nacht der schwarzen Rosen". Ein Avvocato-Scalzi-Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Barbara Neeb. Aufbau-Verlag Berlin 1999. 352 S., geb., 46,- DM.

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