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Niemand weiß genau, was sie hinter der Fassade ihrer idyllischen Vorstadtvilla treiben. Die Mennyms - das sind nämlich keine Menschen, sondern lebensgroße Lumpenpuppen, die ihre wahre Identität vor der Umwelt verbergen. Als sich eines Tages der Vermieter ankündigt, beginnen sich die Ereignisse zu überstürzen, denn auf Dauer läßt sich nichts verbergen...

Produktbeschreibung
Niemand weiß genau, was sie hinter der Fassade ihrer idyllischen Vorstadtvilla treiben. Die Mennyms - das sind nämlich keine Menschen, sondern lebensgroße Lumpenpuppen, die ihre wahre Identität vor der Umwelt verbergen. Als sich eines Tages der Vermieter ankündigt, beginnen sich die Ereignisse zu überstürzen, denn auf Dauer läßt sich nichts verbergen...
Autorenporträt
Sylvia Waugh lebt mit ihrem Mann in Gateshead, Nordengland, wo sie bis zu ihrer Pensionierung als Englischlehrerin arbeitete. Mit den 'Geschichten über die Mennyms' feierte sie ihr Debüt als Kinderbuchautorin und erhielt weltweit Aufmerksamkeit bei Kritikern und Lesern. Sie wurde dafür mit dem 'Guardiens Children's Fiction Prize' ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.1996

Sechzehnjährige in der Zeitschleife
Knopfaugen, Kapokfüllung und immer so tun, als ob · Vom Leben der "Mennyms"

In zwei von fünf Bänden können deutsche Leser nun an den Geschicken der Mennyms teilhaben, sorgfältig genähten und mit Kapok gefüllten lebensgroßen Puppen. Sylvia Waugh hat die Familie mit Mitgliedern dreier Generationen erfunden als individuell geprägte Geschöpfe einer alten Dame, einer Künstlerin der Nähnadel, die auch über magische Energien verfügt: Nach ihrem Tod sind die Puppen aus dem Ding-Dasein erwacht und führen seitdem ein zurückgezogenes, dabei durchaus modernes Leben mit Telefon, Mietüberweisungen und Erwerbstätigkeiten. Bei Gängen außer Haus tarnen sie Knopfaugen und Stoffhaut mit Regenschirmen und Schlapphüten. In ihrer geräumigen Vorstadtvilla unterhalten sie sich mit alltäglichen Ritualen und "So-tun-als-ob-Spielen": gespielten Mahlzeiten, gespieltem Babywickeln und gespielter Medizin. Sie leben nicht in einer phantastischen Anderswelt, haben aber an der Menschenzeit nur geringfügigen Anteil. Den Stoffwechselprozessen des Lebens sind sie nicht unterworfen, kennen nicht Wachsen und Reifen noch Altern und Sterben. Jedes Jahr feiern sie den fünfzehnten Geburtstag der Tochter Appleby. Seit vierzig Jahren sitzen sie in der Zeitschleife fest, bemerkt Soobie, der philosophierende Sechzehnjährige mit dem blauen Gesicht und dem melancholischen Temperament.

Mit den "Mennyms" entdeckt auch die Jugendliteratur den Reiz der Langsamkeit. Der Anfang lockt durch Spannung - ein Brief kündigt den Besuch des neuen Hausbesitzers an, der seine Mieter kennenlernen will. Die Familie reagiert mit Panik. Der Besucher wird beim ersten Blick in die Knopfaugen ihre stoffliche Existenz entlarven! Es geschieht jedoch nichts. Wer hier aufregende Begegnungen und gefährliche Komplikationen erwartet hat, wird enttäuscht. Der Besuch wird verschoben, schließlich abgesagt. Wer hat die Briefe geschrieben? Die Spannung verlagert sich ins Psychologische. Das Äußerste an Action ist ein trotziger Ausbruchsversuch Applebys, der mit einem unfreiwilligen Bad im Parkteich endet. Danach wird die Zeit noch einmal so langsam, denn nun muß das temperamentvolle Mädchen wochenlang im Trockenschrank sitzen - inneres Exil und Mischung aus Sanatorium und Einzelpsychiatrie. Doch ob trotzig, abenteuerlustig oder stillgestellt - Appleby bildet mit den Zwillingen Soobie und Pilbeam das jugendliche Trio, das die Erzählung handelnd und denkend dynamisiert. Die Puppen sind Chiffren unserer menschlichen Existenz, und Soobies Ahnung, er sei ein Niemand, allein auf der Welt, und gehe nirgendwohin, gehört zu den elementaren Erfahrungen der Adoleszenz.

Woher kommen wir? Wer sind wir? Was ist Wirklichkeit? Wohin gehen wir? Undurchsichtig bleibt die geheimnisvolle Puppenexistenz. Einmal allerdings vollzieht sich das Erwachen zum Leben vor unseren Leseraugen, als Soobie seine Zwillingsschwester als noch unfertige Puppe auf dem Dachboden entdeckt. Die Mutter näht sie zusammen und führt sie durch Vorlesen langsam ins Leben - eine wahrhaft literarische Geburt. Wie hier Pilbeam im Binnenraum der Erzählung, so verdankt die fiktive Welt insgesamt ihr Leben der literarischen Imagination. Sind vielleicht auch wir Geschöpfe von Erzählungen?

Im ersten Band liegt der Schwerpunkt auf der eigentümlichen Zeitstruktur der Puppenwelt, im zweiten Band sind die Mennyms mit der Forderung nach räumlicher Mobilität und Beschleunigung konfrontiert. Wieder steht ein Brief des Hausbesitzers am Anfang: Das Vorstadthaus mit den langsamen Bewohnern soll einer Schnellstraße weichen. Die Begegnung mit dem jungen Mann wird nun unvermeidlich. Den ersten Band prägt die englische Tradition des phantastischen als philosophisch-religiösen Romans, im zweiten dominiert das Muster der Schauer- und Gespenstergeschichte. Die Handlung wird entsprechend turbulenter. Ein Umzug aufs Land bringt Unruhe und Heimweh, für Soobie sogar Entführung, Gefangenschaft, tödliche Gefahr, Flucht und Rettung in letzter Minute. Als schließlich alles wieder seinen geregelten Lauf nimmt, werden die Mennyms tiefer verstört: Der Hausbesitzer Albert und Pilbeam verlieben sich ineinander. Großeltern und Eltern schrecken zurück vor dem Risiko einer grenzgängerischen Liebe zwischen Mensch und Puppe und schicken Albert fort aus ihrem scheinhaften Leben. Vollständiges Vergessen läßt für ihn ihre Welt ins Nichts versinken.

Leser mit Sinn für die spezifisch englische Variante phantastischer Literatur werden die Puppen mit ihren sehr menschlichen Schrullen, Eitelkeiten und Leidenschaften nicht so schnell vergessen und sich auf weitere Nachrichten von den Mennyms freuen. GUNDEL MATTENKLOTT.

Sylvia Waugh: "Die Mennyms". - "Die Mennyms auf der Flucht". A. d. Engl. von Cornelia Krutz-Arnold. Hanser Verlag München 1996. Geb., 240 u. 272 S., je 24,80 DM. Ab 11 J.

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"Sylvia Waugh, die pensionierte Lehrerin im nordenglischen Gateshead, hat mit den Mennyms einen schönen stillen Roman in der besten britischen Tradition geschrieben, eine Jane Austen oder ein Thomas Hardy für alle Kinder und Kindgebliebenen." (Süddeutsche Zeitung)