Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 5,99 €
Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktdetails
  • Verlag: Müller (Otto), Salzburg
  • Seitenzahl: 450
  • Deutsch
  • Abmessung: 46mm x 150mm x 216mm
  • Gewicht: 830g
  • ISBN-13: 9783701311095
  • ISBN-10: 3701311099
  • Artikelnr.: 14411770
Autorenporträt
Harald Irnberger, geboren 1949 in Kärnten, ist freier Autor und Journalist. Er hat lange Jahre in Zentralamerika gearbeitet und die Entwicklung von García Marquez drei Jahrzehnte lang u. a. mit zahlreichen Essays begleitet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Von Herberger bis Heppenheim Große Erklärungen, kleine Fundstücke

Acht Monate vor der Fußball-WM, so scheint es, hat hierzulande eine Fußballbuch-WM begonnen. Während sich allerdings die 204 Mitglieder des Internationalen Fußballverbandes in langwierigen Gruppenphasen und womöglich Relegationsspielen für nur 32 Plätze im Teilnehmerfeld qualifizieren müssen, steht es auf dem Buchmarkt jedem Verlag frei, unbegrenzt Autoren und Werke in den literarischen Fußballwettbewerb zu schicken. Das Ergebnis ist vorhersehbar: viel Masse, (noch) wenig Klasse. Im Gegensatz zur vierwöchigen WM-Endrunde im Sommer 2006, wo sich nur die Besten messen, bietet der Bücherherbst 2005 daher nur selten Stoff, der Fußballbuchliebhaber ins Träumen bringt; zu groß ist die Flut der Sammlungen, die auf die Schnelle geschrieben und veröffentlicht wurden und die auch in kürzester Zeit konsumiert werden können. Doch neben Quizbüchern und Bildbänden, Sammlungen von altbekannten Zitaten und von mehr oder minder launigen Geschichtchen, die allesamt als krasse Außenseiter in den literarischen Wettbewerb gehen, ist auch längst nicht jedes ambitionierte Werk reif für den Titel eines Fußballbuchweltmeisters.

So versucht Harald Irnberger zwar den großen Wurf, läßt den Leser aber nach 488 Seiten gleichermaßen erschöpft wie ratlos zurück. Was wollte der Autor eigentlich sagen in seinem Fußballwelterklärungsmodell, dessen Titel "Die Mannschaft ohne Eigenschaften" auf nichts Geringeres als Robert Musils literarisches Hauptwerk anspielt? Ein paar mit Schmäh geschriebene Kapitel zum deutschen Fußball (der Autor ist Österreicher), ein paar Kapitel über den internationalen Kick, viele Gedanken zum Sport und viel Schelte für dessen Kritiker fügen sich nicht recht zu einem Ganzen. Trotz pfiffiger Überschriften wie "Die Früchte der Feigheit", "Von Genießern und Spießern" oder "Schlichte Einfalt, schrumpfende Größe" bietet das Buch wenig originelle Einsichten in das Wesen des Fußballs und seiner Protagonisten. Dem allumfassenden Anspruch, den der Untertitel suggeriert ("Fußball im Netz der Globalisierung"), wird der Autor selten gerecht. Unbeantwortet bleibt vor allem die Frage, wie groß der Einfluß von nationalen Mentalitäten und Spielweisen im globalisierten Fußball noch ist.

In der Nachfolge des argentinischen Erfolgstrainers Menotti schwärmt Irnberger zwar für den "linken Fußball", den nach seiner Meinung auch Real Madrid verkörpert; wie diese wohlwollende Haltung gegenüber dem spanischen Rekordmeister aber mit der zeitweise ungezügelten Einkaufspolitik von Real zusammenpaßt, vermag der Autor nicht hinreichend zu erklären. Dem deutschen Fußball hingegen bescheinigt Irnberger vor allem einen akuten Mangel an Spielwitz, weil hierzulande die Meinung vorherrsche, Zweikampfverhalten, Laufbereitschaft und Ordnungswillen würden ausreichen im internationalen Wettbewerb. Leider geht der Grantler weit zurück, bis zu einem Aufsatz von Gerd Hortleder aus dem WM-Jahr 1974 (!), um seine These plausibel zu machen. Um so ärgerlicher ist es, daß es der Verlag trotz zahlreicher Querverweise und Zitate nicht für nötig hielt, das dicke Buch mit Personenregister sowie Literaturverzeichnis abzuschließen.

Während Irnberger scheinbar ziellos durch die Fußballwelt flaniert, präsentiert sich Christoph Biermann als Jäger und Sammler. Auch sein Buch trägt einen anspruchsvollen, aber wohl nicht ironiefreien Titel. "Fast alles über Fußball" heißt es und versammelt viel Lehrreiches, Skurriles, Erklärendes, Tabellarisches. Angelehnt am Bestseller "Schotts Sammelsurium", listet der Autor zweckfreies, aber für den eingefleischten Fan mitnichten nutzloses Wissen auf, beispielsweise "schöne Vereinsnamen" wie jenen von "Starkenburgia Heppenheim". Er dokumentiert Trapattonis Wutrede als Bayern-Trainer 1998, ordnet die Fußballtrophäen ihrer Größe nach und zitiert die gängigsten "Herbergerismen". Mit jeder Seite wächst die Faszination über die Fülle des Materials - und die schiere Besessenheit ihres Sammlers. "Dieses Zeug kann süchtig machen", schreibt Biermann in seinem Vorwort. Es gibt schlimmere Abhängigkeiten als jene von der Droge Fußball.

THOMAS KLEMM

Besprochene Bücher: Harald Irnberger: Die Mannschaft ohne Eigenschaften. Fußball im Netz der Globalisierung. Otto Müller Verlag, Salzburg/Wien, 488 Seiten, 28 Euro. - Christoph Biermann: Fast alles über Fußball. Verlag Kiepenheuer & Witsch, 223 Seiten, 9,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr