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Der erfolgreichste Börsenspekulant der Nachkriegszeit zeigt in seinem neuen Buch, wie der bedingungslose Glaube an die selbstregulierende Kraft des Marktes uns blind gemacht hat für die Bedrohung des kapitalistischen Weltsystems durch die entfesselten Finanzmärkte.

Produktbeschreibung
Der erfolgreichste Börsenspekulant der Nachkriegszeit zeigt in seinem neuen Buch, wie der bedingungslose Glaube an die selbstregulierende Kraft des Marktes uns blind gemacht hat für die Bedrohung des kapitalistischen Weltsystems durch die entfesselten Finanzmärkte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.1998

Eher eine Abrißbirne
Soros macht sich Gedanken über das Ende des Kapitalismus

George Soros: Die Krise des Globalen Kapitalismus. Offene Gesellschaft in Gefahr. Aus dem Amerikanischen von Klaus Binder, Meinhard Büning, Tatjana Eggeling, Jeremy Gaines und Bernd Leineweber. Alexander Fest Verlag, Berlin 1998. 300 Seiten, 39,80 DM.

George Soros hat mindestens drei Berufe: Er ist Fondsmanager, Wohltäter und Buchautor. Doch Erfolg und Stärken sind ungleich verteilt. Während ihn seine Investitionen auf den internationalen Finanzmärkten zu einem der reichsten Männer der Welt gemacht haben, während den gebürtigen Ungarn seine Philanthropie in Osteuropa in die beste Tradition amerikanischer Charity stellt, sind seine essayistischen Fragmente von eher zweifelhaftem und angreifbarem Wert. Das gilt besonders von seinem jüngsten Buch über die Krise des globalen Kapitalismus: Mit hoher Volatilität zwischen Karl Popper und Hedge Funds wechselnd, ist die Lektüre für jeden Leser eine Zumutung. Diese Zumutung haben freilich auch die Übersetzer mitzuverantworten. Das Buch, in Eile geschrieben und Anfang Dezember in New York erschienen, scheint in Hast ins Deutsche übertragen, aber nicht mehr sachkritisch korrigiert worden zu sein. Sonst hätte man "interest rate" kaum als Zinsrate, "exchange rate" nicht als Tauschrate und, sachlich schlimmer noch, "currency board" nicht irreführend als Währungsbehörde übersetzen dürfen.

Es ist Soros' Verdienst, nach dem Ende des Sozialismus auf die Notwendigkeit einer Kapitalismusdebatte hingewiesen zu haben. Der Skeptiker aus der Schule des Kritischen Rationalismus hat nicht nur aus eigener schmerzlicher Erfahrung allen nationalsozialistischen und kommunistischen Welterklärungsentwürfen zu mißtrauen gelernt. Das Mißtrauen gilt auch einem kapitalistischen Absolutheitsanspruch. Wer Soros' Gedanken und Aufsätze in den vergangenen Monaten verfolgt hat, wird im "Globalen Kapitalismus" wenig Neues finden: "Das kapitalistische Weltsystem steht unmittelbar vor seiner Auflösung." Der Kapitalismus erodiere, weil weder die G-7-Regierungen noch die Bretton-Woods-Nachfolgeinstitutionen heute noch funktionierten. Daß die Ökonomen ihre Ideen immer noch an Gleichgewichtstheorien ausrichteten, sei besonders verhängnisvoll, tendierten doch die modernen Finanzmärkte zu übertriebenen Instabilitäten. Sie glichen eher einer Abrißbirne als einem - zum Gleichgewicht zurückfindenden - Pendel.

Soros' Gegner heißt Marktfundamentalismus. Das sei jene Spielart des ungezügelten Wirtschaftens, die man früher Laisser-faire-Kapitalismus genannt habe. Soros' Prophet heißt Karl Popper; aber vor dem Liberalismus hat er zutiefst Angst. Sein Weg geht nicht von Karl Popper zu Friedrich A. von Hayek, sondern zurück zu jenem anmaßenden Wissen, das den Märkten Regeln auferlegen will, die über die Grundbedingungen einer freiheitlichen Ordnung - Privateigentum und Vertragsfreiheit - hinausgehen: Wenn schon nicht Kapitalverkehrskontrollen, so soll doch ein globales Monitoring die internationalen Finanzströme in Schach halten. Wie viele träumt er von einem Weltbürgertum mit Weltparlament. "Hedge Funds sollten wie alle Investmentfonds reguliert werden", schreibt ein Finanzinvestor, der seinen eigenen Fonds bewußt außerhalb der amerikanischen Finanzaufsicht SEC errichtet hat.

Spricht man ihn auf den Widerspruch zwischen Handeln und Denken an, kontert er mit der Unterscheidung zwischen Soros als profitinteressiertem Wirtschaftssubjekt und verantwortungsbewußtem Weltbürger. Die Spaltung ist legitim, wenngleich nicht unproblematisch. Soros' zentraler Begriff heißt Reflexivität. Er soll jenen Spiegelungsmechanismus der Rückbezüglichkeit von Denken und Handeln bezeichnen, durch welchen die Sozialwissenschaften sich von den Naturwissenschaften unterscheiden. Doch zwischen der Handlungslogik des Fondsmanagers und des Philosophen herrscht nicht Reflexivität, sondern Spaltung und Ignoranz. Wenn der Spekulant zum Moralist wird, ist allemal Vorsicht geboten. "Ich bereue nichts", hat Soros jüngst - wie weiland Edith Piaf - verlauten lassen. Das bezieht sich auf die Macht, für die er gefürchtet wird. Diesen Ruf hat er als der Mann erworben, der es erfolgreich mit der Bank von England aufgenommen hat. Immerhin hat Stanley Fischer, Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, noch in diesem Sommer rügend gesagt, ohne Soros' Ruf nach einer Abwertung des Rubels hätte Rußland auf den rechten Weg zurückgefunden. So merkwürdig diese Diagnose klingt: Sollte es bei Soros womöglich doch ein schlechtes Gewissen geben? Dann hätte er dieses in 300 Seiten Kapitalismuskritik abgearbeitet. Vielleicht schreckt da einer vor seiner eigenen Macht zurück und sucht sie als kapitalismuskritischer Essayist in das Gleichgewicht zu rücken? Die Vermutung ist nicht ohne Plausibilität. Der Essayist, mit ignorantem anstatt "reflexivem" Bezug zum Spekulanten, bestätigte wider Willen die von ihm selbst verworfene Gleichgewichtstheorie. RAINER HANK

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