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Das Christentum gilt allgemein als körperfeindlich und vergeistigt. Daß in der Bibel der Körper und seine Organe symbolische Bedeutung haben, zeigen die Autoren anhand zahlreicher Textbeispiele und Bilder. Auf diese Weise entsteht eine spannende und anschauliche Kulturgeschichte unseres Körpers.

Produktbeschreibung
Das Christentum gilt allgemein als körperfeindlich und vergeistigt. Daß in der Bibel der Körper und seine Organe symbolische Bedeutung haben, zeigen die Autoren anhand zahlreicher Textbeispiele und Bilder. Auf diese Weise entsteht eine spannende und anschauliche Kulturgeschichte unseres Körpers.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.1998

O Haupt, sonst schön gezieret
Die Bibel, feministisch zergliedert / Von Klaus Berger

Körperwelten" - in dieser erfolgreichen Ausstellung zu Mannheim drehte sich alles um das, was man immer schon einmal wissen wollte. "Körpersymbolik der Bibel" - da geht es um das, was man immer schon gewußt, doch selten klar bedacht hat. Daß "Hand" Macht bedeutet und "Herz" alles Denken, daß der Mund für Kommunikation steht und das Auge für Erkennen, daß der Nacken die Bastion des Stolzes ist. Schließlich gehört es zu den Aha-Erlebnissen jedes Erstsemesters beim Hebräischlernen, daß das biblische Wort näfäsch ("Seele") eigentlich "Kehle" bedeutet, die Stelle, an der man den Atem fühlt. In der Liturgie haben diese Bilder immer fortgelebt. So kennt die altkirchliche Taufliturgie die "apertio aurium", Öffnung der Ohren: In der Fastenzeit berührte der Priester die Ohren des zukünftigen Täuflings mit Speichel und sagte "effata", tu dich auf, um die Bereitschaft zum Hören zu wecken.

Dem Nestor der bibelbezogenen altorientalischen Bilderkunde, Othmar Keel, haben eine Schülerin und ein Schüler diesen Band gewidmet. Zu erwähnen wäre noch, daß schon Romano Guardini in seinem programmatischen Büchlein "Vom heiligen Zeichen" (1952) und dann auch der evangelische Pfarrer Helmut Wenz in seiner Studie "Körpersprache im Gottesdienst" (2. Auflage 1996) in dasselbe Horn geblasen haben. Hier ist von diesen Vorgängern nichts zu hören. Die Kapitel lesen sich wie eine kurz kommentierte Bibelkonkordanz mit ausgedruckten Zitaten, hübsch geordnet nach Körperteilen. Kommentierte Abbildungen zeigen, wie man die betreffenden Glieder im Alten Orient sah. Neues erfährt man eigentlich nicht, aber die Bilder der Bibel werden plastisch. So weit, so gut.

Der interessierte Leser fragt natürlich, was das alles soll, und er kann sich jedenfalls nicht beschweren, darüber im unklaren gelassen zu werden. Ganz im Gegenteil. Penetranz ist ein Langzeitgift und wirkt doch schon recht bald tödlich; nur sehr Hartgesottene werden bis zum Ende der Lektüre überleben. Es mag ja daran liegen, daß der Kernbestand des Buches schon vor etwa fünfzehn Jahren im Radio gesendet wurde und daher etwas alt aussieht. Kurzum, das Buch trieft von Anwendung im Sinne der damaligen innerkatholischen Emanzipationen; dazu gehören einmal harmlosere "Häresien" wie die Behauptung, daß der Leib ein Sakrament sei, oder die fatale Rede vom Ersten und Zweiten Testament. Schon immer war es eine Versuchung der Bibelauslegung, den Lesern nahezulegen, sie hätten alles, aber auch alles bisher falsch verstanden. So ist es die erklärte Absicht des Buches, statt der bisher anzunehmenden androzentrischen Bibelauslegung endlich eine Theologie zu treiben, "die vom Körper der Frau ausgeht".

Und alles falsch war nicht nur in unserer Auslegung, auch die Bibel selbst ist ganz falsch. Wenn sie gegen die Verbindung von Sex und Religion bei den Kannaanäern wettert (seitenweise, bücherweise), so ist das alles gar nicht wahr. Die Kanaanäer waren anders. Das einzige, was stimmt, sind Katastrophengeschichten wie Sodom, Turmbau zu Babel, Sintflut. Sie stimmen deshalb, weil hier eben Katastrophen über Männer und ihr Tun berichtet werden! Also: Lest Katastrophengeschichten als Männergeschichten, alles andere aber haltet für androzentrische Lüge. Die feministische Wut der Mitautorin geht so weit, daß sie sich beklagen kann, an der Festschrift für den ehrwürdigen Alttestamentler Hans Walter Wolff sei keine einzige Frau beteiligt gewesen. Zum Ausgleich wird für das letzte Mahl Jesu, von dem alle Zeugnisse sagen, Jesus habe es mit seinen zwölf Jüngern gefeiert (unter den Zwölfen gab es keine Frau), munter und frech von Jesu JüngerInnen berichtet. Denn was muß, das muß.

Leider tappen die Autoren auch in linguistische Fallen. Da ist einmal das mittlerweile berüchtigte "ruach" (Geist), das feminin sei; in feministischen Kreisen spricht man seither von Gottes Heiliger GeistIn. Aber was macht man mit den Stellen, wo "ruach" maskulin ist (Jeremia 4,11 f und weitere Belege)? Sodann wird, wann immer vom Erbarmen Gottes die Rede ist, postuliert, es sei von Gottes Mutterschoß gemeint; also endlich: Gott als Frau. Es ist ja wahr, daß racham "Mutterleib" bedeutet und das Verb RCHM "erbarmen". Aber auch im deutschen Wort "Erbarmen" steckt laut Grimm der "Barm", ein Wort, das wie das hebräische Äquivalent die Gegend zwischen Schoß und Brust beschreibt. Wer aber von den lebenden Zeitgenossen assoziiert bei der Rede vom Erbarmen den Barm? Eben weil niemand daran denkt, kann man hier auch nicht auf dem Weg der Etymogelei die Weiblichkeit Gottes deduzieren. Angeblich sind abstrakte Wortbildungen typisch männlich. Wie kommt es dann, um den Unsinn auf die Spitze zu treiben, daß diese sehr oft weiblichen grammatischen Geschlechts sind?

Bluten muß, man ahnt es schon nach den ersten Seiten, der Apostel Paulus. Wenn er vom Fleisch spricht, das er angeblich negativ wertet, gehe es pauschal und total gegen den Leib. Doch schon seit den sechziger Jahren weiß man, daß Paulus mit Fleisch nicht den Leib meint, sondern dessen Schwäche und Todverfallenheit. So ersehnt er einen neuen Leib. Das darf man doch auch als Feminist, oder etwa nicht? Und die Schleierpflicht für Frauen beim Beten nach 1 Korinther 11 ist nicht einfach undiskutabel anti-weiblich, sondern nach allem, was man überhaupt sagen kann, von Paulus zum Schutz der Frauen vor übelwollenden Engeln angeordnet worden. Noch heute erinnert jeder Hochzeitsschleier daran, daß Frauen als Ursprung des Lebens ganz besonders zu schützen sind. Und wer wollte das bestreiten?

Auch bestätigt sich die alte Regel, daß die Bekämpfung von Klischees sehr leicht Antiklischees erzeugt, die an Dummheit dem Bekämpften nicht nachstehen. Denn wer meint, das "Gefühl aus dem Bauch" mit "Frau" identifizieren zu müssen, muß sich nicht wundern, wenn der nächste Macho wie gewohnt der Frau den Verstand abspricht. Kurzum: In diesem Buch werden viele altbekannte richtige Bilder und Weisheiten vor den Wagen einer unerträglich schlingernden Ideologie gespannt. So wird unter anderem "Tschernobyl" als Folge der "Leibverdrängung" bezeichnet. Ich bin ja auch gegen Tschernobyl, aber überall dieselbe Nachtigall trapsen zu lassen, das ist einfach schrecklich.

Außer Feminismus wird auch in vollen Zügen Befreiungstheologie der älteren Bauart unbefangen zum Muster der Auslegung gemacht. Die Krönung des Buches am Ende ist ein Plakat von Klaus Staeck, "Nord-Süd-Konferenz", das einen Sitzungstisch mit umgebenden leeren Sesseln zeigt. Auf dem Tisch liegt ein abgemagerter Mensch. Anwendung: Das Bild sagt etwas über den Heiligen Geist aus. Denn der Mensch gehe zugrunde am Zeitgeist des mörderischen Kapitalismus. Was man 1984, als diese Botschaften Radiohörern ins Ohr geträufelt wurden, nur ahnen konnte, weiß man heute mit Sicherheit: Mit solchen Kalauern, dick aufs Auge gedrückt, wird christliche Botschaft unglaubwürdig und langweilig.

Silvia Schroer, Thomas Staubli: "Die Körpersymbolik der Bibel". Primus Verlag, Darmstadt 1998. 272 S., 110 Abb., geb., 49,80 DM.

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