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Timothy Gedge ist ein Streuner. Weil immer nur fernsehen langweilig ist, spaziert er durch den idyllischen Badeort, drängt den Leuten ein Schwätzchen auf und beobachtet, was sie so machen. Schließlich hat er eine Idee. Beim österlichen Talentwettbewerb im Pfarrgarten will er eine makabre Nummer zum besten geben, um als Entertainer entdeckt zu werden. Dazu braucht er nur ein paar Requisiten: eine Badewanne, einen Herrenanzug, einen Theatervorhang und ein Brautkleid. Es ist nicht leicht für einen einsamen Jungen, sich all dies zu beschaffen. Aber schließlich weiß er ja Bescheid über die Bewohner…mehr

Produktbeschreibung
Timothy Gedge ist ein Streuner. Weil immer nur fernsehen langweilig ist, spaziert er durch den idyllischen Badeort, drängt den Leuten ein Schwätzchen auf und beobachtet, was sie so machen. Schließlich hat er eine Idee. Beim österlichen Talentwettbewerb im Pfarrgarten will er eine makabre Nummer zum besten geben, um als Entertainer entdeckt zu werden. Dazu braucht er nur ein paar Requisiten: eine Badewanne, einen Herrenanzug, einen Theatervorhang und ein Brautkleid. Es ist nicht leicht für einen einsamen Jungen, sich all dies zu beschaffen. Aber schließlich weiß er ja Bescheid über die Bewohner des Städtchens, ihre Geheimnisse, ihre Lebenslügen, ihre Affären und ihre Untaten. Und er weiß sich seines Wissens zu bedienen.
Autorenporträt
William Trevor, geboren 1928, verbrachte seine Kindheit im ländlichen Irland. Er besuchte das Trinity College in Dublin und ist Mitglied der Irish Academy of Letters. Sein umfangreiches Werk umfasst Romane und Erzählungen und wurde mit zahlreichen literarischen Preisen ausgezeichnet. So erhielt er 1999 den 'David Cohen British Literature Prize' für sein Gesamtwerk und 2008 den 'Bob Hughes Lifetime Award'. William Trevor verstarb 2016.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.1997

Der sahnegewölkte Taugenichts
Bedächtig: William Trevors Roman "Die Kinder von Dynmouth"

Der irische Schriftsteller William Trevor, der im Jahre 1928 in der Grafschaft Cork geboren wurde, in einer protestantischen Familie aufwuchs und schon in den fünfziger Jahren nach England auswanderte, ist einer der erfolgreichsten Erzähler im englischen Sprachraum. Mehrfach erhielt er die höchstdotierte britische Literaturauszeichnung, den "Whitbread Award", zuletzt für seinen Roman "Felicias Reise" (1994). Erst in den letzten zehn Jahren sind Teile seines umfangreichen Werkes auch hierzulande erschienen.

William Trevor schreibt so, wie man sich in einem von Rhododendren umstandenen Landhaus über einer Tasse goldenen Tees, sahnegewölkt, und einem warmen Rosinengebäck unterhalten könnte. Das hält ihn nicht davon ab, von Junkies und Abtreibungen, lärmenden Jugendlichen mit Ghetto-Blastern, schwulen Liebesspielen im Jungeninternat und Selbstmördern zu erzählen. Gewalt in Nordirland kommt bei ihm genauso vor wie der inzestuöse Dünkel der angloirischen Elite und gescheiterten Existenzen in schmierigen englischen Hotels. Aber in seinen Romanen und Kurzgeschichten gibt es nichts Wildes, Rasches, Rohes; der Erzählgestus bleibt stets seltsam gemessen und gepflegt. Manchmal möchte man deswegen dem alten Herrn die Teetasse aus der Hand schlagen, seinen Figuren die Eloquenz austreiben und ihrem Schöpfer das unbegrenzte Zutrauen in die Allmacht des Erzählers.

Der im Original bereits im Jahre 1977 erschienene, nun auf deutsch vorliegende Roman "Die Kinder von Dynmouth" gehört zu Trevors schwächeren Werken. Er ist mißlungen, obwohl er ein bewährtes Muster einsetzt: In einer engen, maroden Gemeinschaft rumort ein Störenfried, der Gerüchte schürt, Zwietracht sät und aus unterdrückten, kompromittierenden Wahrheiten Kapital schlägt. Bei Trevor ist dieser gewitzte, ins Rücksichtslose zugespitzte Eulenspiegel ein Jugendlicher, der mit genüßlicher Boshaftigkeit hinter den Fassaden der Erwachsenenwelt stöbert und natürlich auch fündig wird.

Das Thema ruft die Erinnerung an Patrick McCabes sehr viel markanteren Roman "Der Schlächterbursche" wach, der in Irland vor fünf Jahren erschien. McCabe macht darin makabren Ernst mit dem Fassadenstürzen. Er verlegt sich ganz auf die Perspektive des jungen Francies, der mit der unbezwingbaren Logik des Psychopathen seinen Rachefeldzug gegen die verlogene heile Welt antritt, die ihn ausgesperrt hat.

Während McCabes drastisch-komischer Veitstanz den Leser in dunkle Regionen zwingt, verbleibt Trevors Roman bei allem Bemühen um Abgründigkeit an der Oberfläche. Zwar ist sein Held Timothy aufdringlich und abstoßend, aber die teuflische Insistenz, mit der er die Bewohner von Dynmouth heimsucht, traut man der Figur nicht zu. Er verfolgt den Pfarrer, erpreßt den respektablen, aber homosexuellen Major mit seiner geheimgehaltenen Neigung, malträtiert das vereinsamte Ehepaar mit verletzenden Bemerkungen über den verschollenen Sohn und zwei ahnungslose Geschwister mit der Vorgeschichte ihrer Eltern.

Doch bei aller Boshaftigkeit bleibt es völlig unglaubwürdig, daß dieser mäkelnde Pubertierende in seinen Opfern die existentiellen Glaubenskrisen und Epiphanien auslöst, mit denen viele Werke Trevors enden. Oft sind in seinen Geschichten die Figuren am Ende weiser, blinzeln nüchterner ins blasse Herbstlicht, erahnen Leere oder verpaßte Möglichkeiten. Hier dagegen wird die Moral der Geschichte wenig behutsam, eigenartig unbeholfen und banal präsentiert: "Sie würden ihre Eltern nie mehr genauso sehen, und paradoxerweise war das auch richtig so", "In ihrer Ehe herrschte eine Leere", "Ein Teil ihrer weiblichen Intuition sagte ihr, daß man nicht ohne Hoffnung leben konnte".

Thomas Gunkels bestenfalls unauffällige, oft schlichtweg ungelenke Übertragung macht aus Trevors altväterlichem Puppentheater eine vollends hölzerne Angelegenheit. Es gäbe doch sicher gewandtere Lösungen für neblige, auf präziöse Weise irrende Sätze wie "Das braune Haar, das sich an ihren Wangen nach innen wölbt" oder "Mrs. Blakey hatte ein Wesen, das davon geprägt war, die Dinge positiv zu sehen"? ANNETTE PEHNT

William Trevor: "Die Kinder von Dynmouth". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Gunkel. Rotbuch Verlag, Hamburg 1997. 255 Seiten, gebunden, 38,- DM.

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