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Eine Entführung, eine scheiternde Ehe und schiere Verzweiflung am Älterwerden stehen im Mittelpunkt dieses geheimnisvollen und spannenden Romans. Während der Leipziger Rhetorikprofessor Holz an einem Essay über den Tod zu schreiben beginnt, weckt die Freundschaft zu einem chinesischen Studenten sein Interesse an dessen Kultur. Er nimmt die Einladung zu einer Gastprofessur in Nanking an. Aber nicht nur Neugier treibt ihn an, die Reise nach China ist auch Suche und Flucht. Flucht vor dem, was wirklich geschah. Zwischen Tod und Begehren, Verdacht und Selbstbezichtigung schwankend, lösen sich alle…mehr

Produktbeschreibung
Eine Entführung, eine scheiternde Ehe und schiere Verzweiflung am Älterwerden stehen im Mittelpunkt dieses geheimnisvollen und spannenden Romans. Während der Leipziger Rhetorikprofessor Holz an einem Essay über den Tod zu schreiben beginnt, weckt die Freundschaft zu einem chinesischen Studenten sein Interesse an dessen Kultur. Er nimmt die Einladung zu einer Gastprofessur in Nanking an. Aber nicht nur Neugier treibt ihn an, die Reise nach China ist auch Suche und Flucht. Flucht vor dem, was wirklich geschah. Zwischen Tod und Begehren, Verdacht und Selbstbezichtigung schwankend, lösen sich alle Gewissheiten auf. "Die Fünf Farben Schwarz" ist ein großer Roman, der die Tradition der Moderne mit der Tradition der klassischen asiatischen Literatur vereint.
Autorenporträt
Roes, MichaelMichael Roes wurde 1960 in Rhede geboren. Er ist Romancier, Dichter und Filmemacher, dessen Werke häufig Begegnungen mit nicht-europäischen Kulturen thematisieren. Roes ist viel und weit gereist - in den Jemen, nach Israel, Nordamerika, Algerien, Mali und China. Die Erfahrungen, die er auf seinen Reisen sammelt, schlagen sich auch in seiner Arbeit nieder. 1997 wurde Roes für seinen Roman Leeres Viertel der Literaturpreis der Stadt Bremen verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2010

Folgt der Sandale!
Der Kältetod des Erzählens: Michael Roes schickt einen deutschen Gelehrten auf die chinesische Geisterbahn

Die Entfaltung des Bewusstseins in einem Menschen, schreibt Michael Roes in seinem Roman "Die fünf Farben Schwarz", gleicht dem Urknall. Der Mensch ist demzufolge zunächst eine Singularität, ein winziger Punkt von immensem energetischem Potential, der sich auszudehnen beginnt. In Roes' Roman ist der Mensch der Leipziger Literaturprofessor Viktor Holz, die Handlung besteht in den Prozessen seines sich ausdehnenden Bewusstseins.

Einem gängigen kosmologischen Modell zufolge wird das Ende des Universums im Kältetod bestehen. Keine Austäusche von Energie würden in einem solchen Raum noch stattfinden. So auch in "Die fünf Farben Schwarz", in dem in Holzens ausuferndem Geist schließlich alles die gleiche Temperatur hat. "Ein von Kräften freier Raum wäre ein lebloser Raum", schreibt Roes, folglich ist der letzte, absolute Relativismus von Holz' Gedankenwelt auch gleichbedeutend mit dem Tod der Figur.

Viktor Holz ist ein Schmerzensmann der westlichen Kultur. Die Kindheit von einem cholerischen und gewalttätigen Vater ruiniert, flieht sich der hochbegabte Holz in die Welt des Geistes, um schließlich Rhetorikprofessor zu werden. Sein furchteinflößender Bildungsschatz geht einher mit einem Bekenntnis zur Aufklärung, die eine feste Ordnung in einer unordentlichen Welt verspricht. Holz wird schließlich jedoch eingeholt, sein Eheglück wackelt bedrohlich, der Tod bemächtigt sich als großer Auflöser seiner Gedankenwelt, und als sein Sohn einer grausamen Entführung zum Opfer fällt, bricht des Professors sorgsam eingerichtete Welt endgültig zusammen. Er flieht nach China. Doch das Reich der Mitte ist kein Zufluchtsort für die okzidentale Vernunft, sondern eine Horrorwelt, die zwischen Tradition und Moderne Löcher reißt, die Holz' Bildung nicht füllen kann.

Dem Professor wird von einem chinesischen Studenten eine Gastprofessur in Nanking vermittelt. Dort angekommen, kann er sich zum Gang an die Uni nicht motivieren, stattdessen besucht er die vermeintliche Mutter des Studenten und beginnt so seinen Abstieg in das Chaos der chinesischen Gegenwart. Er verliert sich in den Biographien politischer Dissidenten und akademischer Identitätsdiebe, lernt schwule Polizisten kennen und Breakdancer, die in Heavy-Metal-Bands spielen. Er begegnet den Käufern von Wanderarbeiterblut und Verbrechern, die Milchpulver für Babys mit Mehl versetzen. Die vielen verschiedenen Kulturen des Landes, die mit Meister Kung und Tschung-Tse so gar nichts gemein haben, faszinieren Holz in dem gleichen Maße, wie sie ihn abstoßen. Sein Bewusstsein der Welt erweitert und verzweigt sich, zugleich aber wird alles zunehmend gleich gültig, bis vom Spezialisten für Goethes Farbenlehre nur noch ein fragwürdig Erleuchteter übrigbleibt. Kierkegaard sagt dem späten Holz genauso viel wie der Zen-Meister, der eine schwierige Frage einst damit beantwortete, dass er sich seine Sandale auf den Kopf setzte.

Dem amerikanischen Philosophen Arthur C. Danto zufolge bedarf ein Roman eines metaphorischen Gehalts, um vom bloßen Text zur Kunst zu gelangen. Doch ist Roes' Roman mehr als die Summe seiner Teile? Die Romanstruktur zerfällt im gleichen Tempo, mit dem der Protagonist von den Umständen und dem eigenen wilden Denken dekonstruiert wird. Das ist konsequent, da die zerebrale Ebene jedoch die einzige ist, auf der Roes seinen Leser zu belohnen bereit scheint, bleibt dieser unterbefriedigt. Nach anfänglichem Vergnügen werden "Die fünf Farben Schwarz" bald zur Nervenschlacht. Das pflichtbewusste Abarbeiten poststrukturalistischer Fragestellungen an die Romanform, auch das muntere Versteckspiel mit den Referenzen, das der immens belesene Roes mit seinem Leser spielt, laufen ins Leere.

Ja, Holz ringt mit großen Dämonen und findet in der Fremde keinen Trost. Darin liegt eine gewisse Tragik. Diese aber wird kaum je explizit, man muss sie sich vielmehr erdenken. Was man von der Figur tatsächlich übernimmt, ist ihre Apathie. Der Autor wechselt durchaus kunstvoll zwischen Realitätsebenen und Stilarten. Der Leser kann sich aber nie sicher sein, ob er sich in den Essays, den Listen, den Träumen, Möglichkeiten und Aphorismensammlungen, die die narrativen Passagen brechen, in den Gedanken des Professors bewegt oder des Autors, der seine Gedanken an Holz ausprobiert. Diese Wirrnis zu entheddern scheint Roes auch kein Anliegen zu sein. So bekommt man zunehmend das Gefühl, sich durch die Aufzeichnungen eines Solipsisten zu wühlen, und wird dabei ein bisschen wütend auf den ostentativen Poeta Doctus, ob der nun Roes heißt oder Holz.

Denn es ist viel verlangt, einer Dekonstruktion - dem Gegenteil einer Entwicklung - über fast sechshundert Seiten folgen zu sollen. Das Rätsel um die Entführung, vielleicht noch am ehesten das, was dem Roman auf der Handlungsebene den Antrieb gibt, wird am Ende zwar aufgelöst. Doch an dem Punkt interessiert einen Viktor Holz, interessieren einen seine ewigen Spiegelungen nicht mehr, man ist die hypochondrische Larmoyanz der Figur satt und ihre Tendenz zu verkrampft poetischer Sprache. Der Schlaf eitert aus den Augen, der überflüssige Tag stiehlt sich klumpfüßig in das Notizbuch. Verfall und Degeneration allenthalben, Schritt haltend mit dem faulenden Holz, vom Leser jedoch weit entfernt.

ALARD VON KITTLITZ

Michael Roes: "Die fünf Farben Schwarz". Roman. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2009. 576 S., geb., 24,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Eine recht anstrengende Lektüre verheißt uns Rezensentin Gisela von Wysocki – und das auf 576 Seiten! Aber am Ende ihrer Kritik möchte man doch wissen, um was für ein Buch es sich handelt. Immerhin stellt sie diese Chinareise eines hochgebildet-skurrilen Protagonisten in eine Reihe mit Werken von Michel Leiris, Hubert Fichte und Bruce Chatwin. Als allen gemeinsam sieht sie eine Kunst des ethnografischen Schreibens. Der Held, so scheint es, wird in China in ziemlich unmögliche Situationen versetzt und lernt am Ende - aus Schwäche - die fünf Schattierungen des Schwarz auf einer chinesischen Tuschezeichnung zu unterscheiden. Dann wird er in einen splatterfilmähnlichen Foltertod geschickt. Der Tod ist das eigentliche Thema des Romans, so die Rezensentin. Und der Roman ist in weiten Teilen ein Essay.

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