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  • Buch mit Leinen-Einband

Produktdetails
  • Kataloge der Kunstsammlungen
  • Verlag: Prestel
  • Seitenzahl: 327
  • Abmessung: 315mm
  • Gewicht: 2181g
  • ISBN-13: 9783791315911
  • ISBN-10: 3791315919
  • Artikelnr.: 06034543
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.1998

Das Beste, was zu haben war
Der Katalog der Möbel der Müchner Residenz schärft den Blick

Die Wittelsbacher Herrscher waren nicht nur, wenn sie in Paris einkaufen ließen, wählerische Herren (vgl. die Rezension des ersten Bandes dieser Kataloge über das französische Mobiliar der Münchner Residenz in der F.A.Z. vom 3. August 1996). Auch dann, wenn sie Architekten, Bildhauer und Ebenisten aus eigenen Landen ins Brot setzten, wollten sie das Beste, was zu haben war, und erhielten es auch. In der Münchner Residenz sind die meisten Möbel, wenn sie nicht verkauft oder verloren wurden, noch heute in überwiegend erfreulichem Zustand zu sehen. Es gibt in Deutschland, trotz Potsdam, Karlsruhe und Kassel, kein gleichermaßen eminentes Ensemble aus dieser Zeit. Es zeigt zugleich katholische Lebensfreude - im nahen Württemberg zum Beispiel nicht geteilt -, den Einfluß französischer Eleganz - im nahen Österreich eher abwesend - und unbändige Lust - Luxus also in einer spezifisch kurbayerischen Verbindung.

Der zweite Katalogband faßt die deutschen Möbel des sechzehnten bis achtzehnten Jahrhunderts zusammen und ist, wie der erste über die Erzeugnisse der französischen Ebenisten und Menuisiers, von hoher Qualität, er ist nicht nur ein Augenschmaus, sondern auch ein wissenschaftlicher Katalog, der Maßstäbe setzt. Die Fotos sind von hoher Perfektion, die Nahaufnahmen zeigen Patina und Werkeigentümlichkeiten, es werden auch Innenansichten geboten, die Techniken und Vorgehensweisen der alten Kunsttischler beleuchten.

Dem 20. Jahrhundert ist, wie jeder Blick auf staatliche Repräsentationsräume der Gegenwart erweist, der Sinn für Raumfolgen, symbolische Hierarchien und gesellschaftliche Distanzen weitgehend verloren. Hans Ottomeyer erinnert in seiner kundigen Darlegung des Hofzeremoniells und seiner Beziehung zum Mobiliar an die geheime Dramaturgie, die den Auftritt des Monarchen wie seines Hofstaats lenkte. Nichts war dem Zufall oder der Laune eines Architekten anheimgegeben. Die Münchner Residenz wurde nur in den Wintermonaten bewohnt. Sie hatte unter Bayerns Kurfürsten den höchsten Rang. Nur hier gab es die vollständige Ausstattung und das vollständige Zeremoniell.

Dazu gehörte, wie in anderen Residenzen und kirchlichen Orten, eine besondere Rechtsstellung, an der auch die Hofhandwerker aufs angenehmste partizipierten: Nicht nur die Befreiung von lästigen Zunftauflagen, sondern auch durch Steuerfreiheiten und bürgerliche Privilegien. Ottomeyer betont, im Gegensatz zu landläufigen Thesen von der absoluten Vorbildrolle von Versailles, die Eigenständigkeit des deutschen Hofzeremoniells. Ein förmliches "Lever" gab es nicht, statt dessen Abschließung der Privatheit. Vor dem Raum, in dem der Monarch war, lagen bis zu vier Vor-Räume, um Gnaden abzustufen. Ein mondänes Ballett spielte sich ab, nicht ein Dolce vita. Ein strenges, herrschaftlich orientiertes Gesamtkunstwerk war die Idee, das Rang akzentuierte und auf Distanzen hielt. Dem Zufall und der Laune blieb so gut wie nichts überlassen.

Vieles steht nicht mehr am alten Ort, manches ist auf immer verloren. Es sind die alten Inventare, die seit 1769 die Bestände festhalten, wie sie einmal waren. Inventarmarken auf den Möbeln halfen bei der Rekonstruktion, übrigens auch bei der Beantwortung der Frage, welcher Handwerker wofür die Rechnung stellte. So gewinnt auch die Münchner Möbelkunst des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts respektable Konturen. Aber offene Fragen bleiben, nicht nur die nach Entstellungen und mechanistischen Restaurierungen der älteren Zeiten. Es gibt auch manche Rätsel, zum Beispiel, was die drei zierlichen Schreibpulte aus der Roentgen-Manufaktur angeht, eines davon 1773 datiert, die sich mit den Inventaren der Residenz und Rechnungen nicht recht im Einklang befinden, zugleich aber gloriose Stücke von "Herrnhuter" oder von "Neuwitter Arbeith" sind.

Im Lauf der Analysen, die diesem Katalog vorausgingen, hat man auch Enttäuschungen erlebt, König Ludwig II. liebte Neuvergoldungen massiver Art, was manchen Möbeln nicht bekam. Anderes wurde im neunzehnten Jahrhundert nachgeschaffen, oftmals in virtuoser Technik, aber ästhetisch eher des Guten zuviel. Jetzt hat man es entdeckt. Ein solcher Katalog ist nicht nur Selbstzweck oder Sammlung bunter Bilder. Er schärft das Auge für Qualität, rekonstruiert historische Zusammenhänge vom Machtzeremoniell bis zum Werkstattleben, und er erinnert daran, daß die Objekte der angewandten Künste im allgemeinen nicht Kunstwerke eigenen Ranges waren, sondern Teil eines sinnhaften Ganzen, von dem sie der Nachwelt bemerkenswerte Zitate liefern. MICHAEL STÜRMER

Gerhard Hojer und Hans Ottomeyer (Hrsg.): Die Möbel der Residenz München, Band II: Die Deutschen Möbel des 16.-18. Jahrhunderts, bearbeitet von Brigitte Langer und Alexander Herzog von Württemberg. Mit Beiträgen von Hans Ottomeyer, Christoph Graf von Pfeil und Sigrid Sangl, Prestel-Verlag, München, 312 Seiten, Leinen mit zahlr. Farbabbildungen, 198,- Mark.

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