Produktdetails
  • Klassiker der Freiheit
  • Verlag: Academia Verlag
  • 2. Aufl.
  • Seitenzahl: 283
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 384g
  • ISBN-13: 9783896650863
  • Artikelnr.: 08078867
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.1999

Der Staat als Eindringling
Rothbards "Ethik der Freiheit" jetzt auf deutsch

Murray N. Rothbard: Die Ethik der Freiheit. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Guido Hülsmann. Academia-Verlag, Sankt Augustin 1999. 284 Seiten, 38 DM.

Unter Konservativen, welche die Freiheit des Marktes in wirtschaftlicher Hinsicht verteidigen, gilt als ausgemacht: Der Markt ist zwar effektiv, ethische Prinzipien wie Verantwortung, Rechtssinn, Toleranz und Mitgefühl müssen ihm aber von außen beigestellt werden. Geeignete staatliche Institutionen sollen diese Prinzipien sichern. In seiner "Ethik der Freiheit" stellt der amerikanische Ökonom und Politiker Murray Rothbard die konservative Auffassung in Frage. Seine Grundthese: Die Freiheit des Marktes ist ein sich selbst genügendes ethisches Prinzip.

Für Rothbard gründet die Freiheit des Marktes in der menschlichen Natur. Durch seine Ausstattung mit Denkvermögen sei der Mensch zur Eigenverantwortung bestimmt. Die Eigenverantwortung deutet Rothbard als "Selbsteigentum": Der Mensch "gehöre" sich selbst. Konsequenterweise müsse ihm dann auch alles gehören, was er selbst schaffe, das heißt, er verfüge rechtmäßig über sein Arbeitsprodukt.

Diese Argumentation unterscheidet sich noch nicht von anderen klassischen Verteidigungen der Marktfreiheit. Die Provokation besteht in Rothbards Schlußfolgerungen: Der eigenverantwortlich handelnde Mensch schafft durch Absprachen und Verträge auf freiwilliger Basis auch alle notwendigen sozialen Einrichtungen, seien es Gerichte und Polizei oder Schulen und Kulturinstitutionen.

Der Staat dagegen ist für Rothbard immer ein Eindringling. Da der Staat darauf beruhe, die Menschen eines Teils ihres Arbeitsproduktes zu berauben ("Steuern") und ihnen Regeln aufzuzwingen, die sie nicht freiwillig annehmen ("Gesetze"), kann der Staat nach Rothbards ethischer Auffassung nicht rechtmäßig sein.

Rothbard baut den Liberalismus, der den Staat so "klein" wie möglich zu halten beabsichtigt, zum Anarchismus aus. Dabei versteht Rothbard unter "Anarchie" jedoch nicht Recht- und Zügellosigkeit. Seine Anarchie ist wehrhaft. Aber die Institutionen, die zum Beispiel das Eigentum schützen, müssen nach Rothbard selbst dem Kriterium der Freiheit genügen, also freiwillig zustande kommen.

Während für den deutschsprachigen Raum Rothbards Thesen noch absonderlich klingen mögen, so gehört er doch in eine geistige Bewegung, die in den angelsächsischen Ländern seit einigen Jahren Furore macht. Diese Bewegung nennt sich "Libertarianism" (um nicht mit der sozialdemokratischen oder konservativen Verwässerung des Liberalismus verwechselt zu werden).

Rothbard (1926 bis 1995) hat diese Bewegung mitbegründet. Als marktwirtschaftlicher Ökonom näherte er sich in den sechziger Jahren der linken Kritik am Vietnamkrieg, an der Mißachtung der Bürgerrechte, an der Drogenprohibition und ähnlichem. Es gelang ihm, einem Teil der "neuen Linken" klarzumachen, daß nicht der Marxismus, sondern der Liberalismus antiautoritär sei. Die amerikanischen Konservativen ("alte Rechte") entfernten sich in ihrer Mehrheit dagegen von den klassischen Grundsätzen und wandten sich dem religiösen Fundamentalismus ("neue Rechte") zu. Das brachte den Kreis um Rothbard dazu, eine neue politische Heimat "jenseits von rechts und links" aufzubauen.

Wie die meisten amerikanischen Moden kommt auch der anarcho-liberale "Libertarianism" mit mehrjähriger Verspätung nach Deutschland. Rothbards "Ethik der Freiheit" ist in den Vereinigten Staaten 1980 erschienen. Jetzt hat die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung das Buch in deutscher Übersetzung herausgebracht. Ob die Stiftung weiß, was sie damit anrichten kann? Leser, die sich von Rothbard überzeugen lassen, werden mit gegenwärtigen FDP-Positionen kaum noch zufrieden sein. STEFAN BLANKERTZ

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