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Glücklich in der Hypermoderne? Eines Tages werden Sie sehr müde sein. Der Morgen graut, vielleicht im Frühling. Ihr Vater ist tot, die Frau Ihres Lebens (kurz: D.F.I.L.) wird Sie verlassen haben. Dann besteht kein Zweifel mehr: Die Moderne hat uns im Stich gelassen. Die Moderne hat Sie im Stich gelassen. Und wenn dann schon beinahe alle Kraft aus Ihnen gewichen ist, kurz bevor es endgültig zu spät ist, sollten Sie sich entschließen zu retten, was noch zu retten ist. "Die enthemmte Moderne meistern und den Rest seines Lebens retten in 25 einfachen Schritten" ist ein Ratgeberroman, der uns in 25…mehr

Produktbeschreibung
Glücklich in der Hypermoderne?
Eines Tages werden Sie sehr müde sein. Der Morgen graut, vielleicht im Frühling. Ihr Vater ist tot, die Frau Ihres Lebens (kurz: D.F.I.L.) wird Sie verlassen haben. Dann besteht kein Zweifel mehr: Die Moderne hat uns im Stich gelassen. Die Moderne hat Sie im Stich gelassen. Und wenn dann schon beinahe alle Kraft aus Ihnen gewichen ist, kurz bevor es endgültig zu spät ist, sollten Sie sich entschließen zu retten, was noch zu retten ist.
"Die enthemmte Moderne meistern und den Rest seines Lebens retten in 25 einfachen Schritten" ist ein Ratgeberroman, der uns in 25 einfachen Schritten Antworten auf Fragen gibt wie z. B.:
Wie können Sie das angehende 21. Jahrhundert überstehen, ohne sich in seinen Sackgassen zu verrennen, sich von seinen Luftspiegelungen täuschen zu lassen?
Mit wem hat die Frau Ihres Lebens letzte Nacht geschlafen?
Was können Sie gegen die ständige Angst tun, etwas zu verpassen, Ihr Leben nicht intensiv genug zu genießen?
Wie solltenSie reagieren, wenn Sie erfahren, dass Ihr Vater Krebs hat?
Was wird Ihre Generation der Nachwelt hinterlassen?
Wer kann eigentlich von Ihnen verlangen, erwachsen zu werden, ausgerechnet in einer Zeit, in der alles darauf abzielt, die Jugend immer weiter zu verlängern?
Der kanadische Autor Nicolas Langelier ist eine Entdeckung für den modernen Roman. Unkonventionell und scharfsinnig arrangiert er Bilder unserer Gegenwart: steril und zugleich tieftraurig, ästhetisch überzeichnet und zugleich voller Wahrhaftigkeit.
Autorenporträt
Nicolas Langelier, geboren 1973 in Montréal, ist Autor, Journalist, Kritiker und Herausgeber. Seine Themen sind Kultur, die Neuen Medien und ihr Einfluss auf unser soziales Leben. Er ist Gründer und Chefredakteur des Magazins Nouveau Projet.

Andreas Jandl, geboren 1975, lebt in Berlin und übersetzt seit 2000 Dramatik und Belletristik aus dem Englischen und Französischen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2012

Zum Teufel mit der Ironie!

Er hat die Nase voll von Selbstmitleid. Er will den großen Ernst und dass Worten endlich wieder Taten folgen. Sein Roman ist nicht weniger als ein Aufruf zum Aufstand. Der Kanadier Nicolas Langelier möchte mit Büchern und einem Magazin die Welt verändern. Höchste Zeit

Wie oft hat man selbst schon einmal so gedacht oder gefühlt. Hat versucht, seinem Tischnachbarn davon zu erzählen oder bei seiner Freundin damit Eindruck zu machen. Man hat versucht, es mit Worten zu beschreiben, die, kaum im Mund geformt, kaum auf dem Laptop-Bildschirm erschienen, sofort zu Phrasen verkümmert sind, gerade so, als ob kleine Teufel dem großartig Gedachten beim Formulieren einen schweren Umhang übergeworfen hätten, unter dem es nun klein und nichtssagend wirkt: das Gefühl der unerträglichen Einsamkeit hinter der selbstironischen Oberfläche, die Angst vor eigener Bedeutungslosigkeit, der Widerwille gegen das Gebaren der angepassten Mehrheit, die Sehnsucht nach radikalem Wandel, einer neuen Erzählung, einem anderen Morgen. All das hat man schon irgendwann gespürt und sich vielleicht sogar insgeheim vorgenommen, derjenige zu werden, der umwirft, neu anlegt. Aber schnell fällt alles wieder in sich zusammen, bleibt am Wegrand beim morgendlichen Gang zur Arbeit nichts zurück als ein Häufchen glimmender Ideen-Asche: Wenn noch nicht einmal das Wort folgen will, woher sollen da erst die echten Taten kommen?

Der Frankokanadier Nicolas Langelier kennt die Teufelchen mit den schweren Umhängen. Oft hat er schon mit ihnen gerungen, als Journalist, als einsamer Mittdreißiger auf Afterwork-Partys und als Gründer der Kulturzeitschrift "Nouveau Projet", die sich eine neue Entschleunigung auf die Fahnen geschrieben hat und derzeit in Kanada sehr erfolgreich ist. Oft haben die Teufelchen ihn damit gepiesackt, dass seine Gedanken nicht mehr seien als das schon oft gehörte, von anderen besser ausgedrückte Weltschmerzgefühl eines noch nicht erwachsen Gewordenen. Kommt Zeit, kommt rettender Zynismus, das haben sie ihm versucht einzureden. Langelier hat sich nicht einschüchtern, nicht vertrösten lassen. Den gemeinen Dämonen zum Trotz hat er ein Buch geschrieben, in dem er all das formuliert, was ihm groß und wichtig ist. Es ist kein Roman im herkömmlichen Sinne, denn der Protagonist ist vom ersten Satz an der Leser selbst: "Eines Tages werden Sie es unweigerlich satthaben. Sie werden beschließen, dass um Sie herum genug gestorben wurde und Sie endlich etwas tun müssen, bevor es zu spät ist." Die persönliche Anrede, jenes "Sie", gilt dem Leser, der zugleich mit dem traurigen Protagonisten der Geschichte verschmilzt. Er ist der Prototyp des post- oder, wie ihn der Autor nennt, "hypermodernen" jungen Mannes, ein Musikjournalist, der am Tag vor seinem 35. Geburtstag und fünf Monate nach dem Krebstod seines Vaters der Leere seines Hipster-Lebens in Montreal entflieht. Mit der väterlichen Asche auf dem Rücksitz fährt er aufs Land zum ehemaligen Familienferienhaus, bleibt dort im Schlamm stecken und wird geläutert durch die Begegnung mit der kraftspendenden Natur. So weit der Plot, so weit die feixenden Teufelchen. Was dieses Buch aber eigentlich interessant macht, was ihm seine Wucht gibt, das ist nicht die konventionelle Story, das sind vielmehr die prägnanten Reflexionskapitel, die den Fiktionsstrang unterbrechen.

Schlag in den Magen

Auf den ersten Blick kommen sie manchmal daher wie eine Gebrauchsanweisung zum Verständnis der klassischen Moderne, die einen harmlosen Überblick über die Erfindungen, Vertreter und Ideen jenes "goldenen Zeitalters" bietet. Doch dann wenden sie sich plötzlich gegen den Leser und fordern ihn mit suggestiven Fragen heraus. Da wird etwa das berühmte Futuristen-Manifest abgedruckt, jenes, das die "Liebe zur Gefahr" propagiert und die "Krebsgeschwüre der Professoren" anklagt. Schnell überfliegt man den Text, ein historisches Dokument eben, Grabdeckel zu. Aber genau in diesem Augenblick wird man heftig am Ärmel gerissen: "Verstehen Sie? Begreifen Sie überhaupt, welche Verheißungen dieser Vorstellung innewohnen? Erahnen Sie, mit wie viel Begeisterung man sich als Dreißigjähriger eine strahlende und großartige Zukunft ausmalen kann?" Man fühlt sich ertappt, liest das Manifest noch einmal aufmerksamer und spürt plötzlich wirklich etwas vom Fieber der "Schlaflosigkeit", vom Knall der "Ohrfeige", und ein wenig gerät auf einmal auch das eigene Blut in Wallung, lässt man für einen Moment jede ideologiekritische Haltung fahren. Wenige Kapitel später ein ähnliches Erlebnis: Es wird von David Foster Wallace berichtet, jenem großen amerikanischen Autor, den wohl seine Verzweiflung an der Postmoderne in den Selbstmord trieb. Tragisches Schicksal, traurige Geschichte. Aber auch hier wird der Leser aggressiv angegangen: "Wie kommen Sie eigentlich zu der Annahme, etwas ertragen zu können, das er, der intelligenter war als Sie und mehr Talent hatte und so weiter, nicht ertragen konnte?"

Es sind präzise Schläge in die Lesermagengrube, die Langelier austeilt. Er tut das nicht mit dem Gestus des überlegenen Zeitkritikers, sondern mit der Härte eines Leiderprobten, der aus bitterer Erfahrung weiß, welche Schläge sitzen. Der Gedanke ans eigene Alter ist solch ein Schlag, der besonders schmerzhaft wird, wenn der Blick auf eine Tabelle fällt, in der aufgelistet wird, mit wie viel Jahren Berühmtheiten der Moderne ihre größten Leistungen vollbracht haben: Marie Curie entdeckt das Radium mit 21, Pablo Picasso malt "Les Demoiselles d'Avignon" mit 25, Ernest Hemingway veröffentlicht "Fiesta" mit 27. Und das "Sie" im Roman? Was hat dieser "arme Mittdreißiger", der man vielleicht selbst ist, einmal war oder sein wird, erreicht? Wovon geträumt, wofür gekämpft? Er hat Geld verdient, ein Facebook-Profil angelegt und trennt den Müll, wie die Eltern es ihm vorgemacht haben.

"Was wird das Erbe Ihrer Generation sein?" Ein weiterer Schlag in den Magen des Lesers. Wie wird man sich wohl an uns, die wir heute und morgen noch jung sind, in hundert Jahren erinnern? Welche Utopien haben wir entwickelt, welche Revolutionen angestiftet? Auch wenn sie manchmal formuliert sind, als wären sie dem Kummerkasten der Schülerzeitung entnommen, man kann kaum umhin, Langeliers Fragen eine existentielle Sogwirkung zuzugestehen. Gerade weil seine Überlegungen keinen theoretischen oder gesellschaftsanalytischen Anspruch haben, treffen sie ins Schwarze.

Mut für Emotionen

Darüber hinaus ist der Text durchzogen von einer Sehnsucht nach Ernsthaftigkeit. An einer Stelle heißt es: "Sie verstehen, dass die weitverbreitete Ironie und der Zynismus Ihrer Generation nichts Gutes bringt. Warum trauen Sie sich dann nicht, Ihre tiefsten Überzeugungen und verzweifelten Fragen unverstellt zu äußern?" Langelier spricht vom Rebellentum und bewundert den Mut derjenigen, die sich furchtlos den eigenen Emotionen stellen, ohne sie sarkastisch zu brechen. Mit Selbstbewusstsein bekennt sich hier einer zum romantischen Ideal der entschiedenen Gefühlsäußerung, deutet die Geste des an seiner Zeit leidenden "Zuspätgekommenen" spielerisch an: "Es gibt diese Momente", so heißt es einmal, "da wünschte man sich, im Jahr 1724 auf einem kleinen Hof am unteren Südufer des Sankt-Lorenz-Stroms geboren worden zu sein."

Nichts liegt dem Autor jedoch ferner, als sich eskapistischen Regungen hinzugeben, immerhin will sein Buch dem Leser dabei helfen, "den Rest seines Lebens zu retten". Da braucht es neben einer neuen Ernsthaftigkeit in seinen Augen vor allem noch eines: die Abkehr vom narzisstischen Individualismus als charakteristischster Grundlebenseinstellung der Hipster-Generation. Es gilt deswegen, das Kollektiv als Lebens- und Arbeitsform neu zu beleben. Mit Faszination erinnert Langelier an die vielen "Bewegungen! Kundgebungen! Die Pamphlete! Die Schreie der neuen Welt!", die die klassische Moderne hervorgebracht hat, und stellt der gruppendynamischen Energie jener Zeit die schlaffe Selbstbefriedigung derjenigen gegenüber, die heute "den ganzen Tag über in sozialen Netzwerken und Chats ihre eigenen Pläne, eigenen Hoffnungen, eigenen Erregungen nähren". Leicht lässt man sich anstecken von Langeliers Begeisterung für die Gemeinschaft, imaginiert sich selbst in einen Kreis junger Menschen, die in einem rauchigen Salon wild diskutieren, Manifeste verfassen und die Gläser vom Tisch fegen. Einmal mehr gelingt es dem Buch an dieser Stelle, anzustiften, die Augen leuchten zu lassen und das Gefühl der Unzufriedenheit mit sich selbst und seiner Umgebung zu wecken. Es ist kein "Ratgeberroman" (wie ihn der deutsche Verlag im Untertitel unglücklich zu definieren versucht), den man hier in den Händen hält, das wäre zu harmlos. Dieses Buch ist im besten Sinn ein Pamphlet, ein Aufruf zur Tat, das selbstmitleidige Geschwätz von "No future" und "gesellschaftlichem Druck" ebenso wie das Beschwören einer neuer Familienidylle in die Ecke zu knallen und zur Abwechslung mal wieder Radikalität und große Ideen zu wagen.

SIMON STRAUSS

Nicolas Langelier: "Die enthemmte Moderne meistern und den Rest seines Lebens retten". Aus dem Englischen von Andreas Jandl. Bloomsbury-Verlag, 176 Seiten, 16,99 Euro

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