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Produktdetails
  • BVT Bd.17
  • Verlag: Berlin Verlag Taschenbuch
  • Originaltitel: Le trois parques
  • Seitenzahl: 238
  • Deutsch
  • Abmessung: 190mm
  • Gewicht: 220g
  • ISBN-13: 9783833300172
  • ISBN-10: 3833300175
  • Artikelnr.: 12045271
Autorenporträt
Linda Le, 1963 in Vietnam geboren, kam 1977 nach Frankreich. Französisch lernte sie in ihrer Kindheit in Saigon, und in dieser Sprache hat sie auch ihre zahlreichen Bücher geschrieben, die stets für ihre besondere Originalität gelobt wurden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.04.2002

Der Vogel Graus
Linda Lé will dem Wahnsinn eine Stimme geben
Was tun, wenn man nichts zu erzählen hat? Entweder schreibt man darüber, dass es mit dem Schreiben nicht klappt, oder man schreibt über nichts, gibt sich dabei aber sehr viel Mühe, oder man schreibt gar nicht. Die Autorin Linda Lê, 1963 in Südvietnam geboren und 1977 mit Mutter, Großmutter und Schwestern nach Frankreich ausgewandert, hat sich für den zweiten Weg entschieden. Sie hätte sich für den dritten entscheiden sollen.
Auf den ersten Blick ist es gewiss kein nichts, das Lê zu erzählen hat. Es geht um drei Schwestern, die aus Vietnam nach Frankreich auswanderten, als Saigon Ho-Chi-Minh-Stadt wurde, deren Vater zurückblieb und die mehr oder weniger von der Großmutter erzogen wurden. Jetzt sitzen sie zusammen in der Küche und planen, dass Papa noch einmal nach Frankreich kommen soll, bevor er stirbt. „Schwester Dickbauch”, die Älteste, ist verheiratet mit einem „Schraubennagelhaken-Fabrikanten” und schwanger, „Schwester Langbein” ist die Schöne mit dem schrillen Lachen und dem kleinen Gehirn, und die dritte ist die zu Selbstverstümmelungen neigende Schwester „Vogel Graus”. Ihr fehlt eine Hand, und sie erzählt.
Aber all das ist nicht mehr als notwendiges Material. In erster Linie versucht Linda Lê, mit der Figur der Einhändigen dem Wahnsinn eine Stimme zu geben. Dieser Wahnsinn erzählt keine Geschichte, sondern schildert isoliert die einzelnen Figuren, indem er ihre Bilder aus Anekdoten zusammensetzt. Die Bilder, die von Tagesgeschäften, langweiligen Partnerquerelen und dem Rösten von Aalen erzählen, sind nichts und bleiben banal. Vor allem aber zeichnen sie sich durch schrille Farbgebung aus. Das hört sich so an: „Er machte noch ein paar Zuckungen, sorgfältig ausgeklügelt in der Stille der Mansarde, wo das neu hinzugezogene Kätzchen umherschlich und die Telefonleitung gekappt war, da das Schätzchen keine Lust mehr hatte, aufzukommen für die fruchtlosen Wahnideen, mit denen der Freibeuter den zweiten Sekretär eines großen Tiers umschmeichelte, dem er telefonisch um den Bart strich, bis er am anderen Ende der Leitung schnurrte und wie der Kater, wenn er ihn streichelte, seine Huldigungen mit königlichem Gleichmut hinnahm.”
Hinter der Maske ein Nichts
Der Schicksalsfaden der einhändigen „Parze” ist seltsam schleimig; die Erzählung der „Schicksalsgöttin” ist ein nervtötendes, dauerironisches Gekeife, das sich auf die kläglichste Weise witzig vorkommt. Nun ja, könnte man einwenden, es ist eben dieser Vogel Graus, der erzählt, und der ist eben so. Aber der Einwand zählt nicht. Hinter der Maske des psychopathologischen Realismus verbirgt sich die krampfhafte und glanzlos scheiternde Anstrengung der Autorin, der Trivialität und der Langeweile ihrer Geschichte zu entkommen, indem sie in die eigene Ideenleere Nippes kippt. Linda Lê hält das Ornamentale ausufernder Beiwortgruppen für Wahnsinn reinster Form und reiht doch nur einfältig Perlen auf eine Schnur. Ihre Anspielungen auf Weltliteratur und antike Mythologie adeln ihr Werk nicht, sondern weisen es als peinlichen Fall von Überheblichkeit aus. Auch wenn die Autorin in einer kurzen Nachbemerkung vor dem Altar der Authentizität niederfällt und betont, nur mit Hilfe eines Arztes imstande gewesen zu sein, ihr Werk zu vollenden („drei Monate Bestürzung und Verwirrung”), ist ihr Text keineswegs solcher Art, dass ihn viele Menschen lesen müssten.
KAI MARTIN WIEGANDT
LINDA LÊ: Die drei Parzen. Aus dem Französischen von Brigitte Große. Ammann Verlag, Zürich 2002. 241 Seiten, 21,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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