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Die echte Alternative zum Feiertagston im Supergedenkjahr 2009: Frank Witzel, Klaus Walter und Thomas Meinecke im popkulturellen Diskurs über crucial moments von 60 Jahren BRD-Geschichte. Absolut unseriös, äußerst unterhaltsam und von befreiender Komik!
Dass Pop als Weltaneignungsmodell taugt, haben die Autoren und Musiker Frank Witzel, Klaus Walter und Thomas Meinecke schon in ihrem Rede-und-Antwort-Buch Plattenspieler unter Beweis gestellt. In Die Bundesrepublik Deutschland dreht sich ihr Gespräch nicht mehr nur um generationstypische und stilbildende Musik, sondern um die Menschen,…mehr

Produktbeschreibung
Die echte Alternative zum Feiertagston im Supergedenkjahr 2009: Frank Witzel, Klaus Walter und Thomas Meinecke im popkulturellen Diskurs über crucial moments von 60 Jahren BRD-Geschichte. Absolut unseriös, äußerst unterhaltsam und von befreiender Komik!
Dass Pop als Weltaneignungsmodell taugt, haben die Autoren und Musiker Frank Witzel, Klaus Walter und Thomas Meinecke schon in ihrem Rede-und-Antwort-Buch Plattenspieler unter Beweis gestellt. In Die Bundesrepublik Deutschland dreht sich ihr Gespräch nicht mehr nur um generationstypische und stilbildende Musik, sondern um die Menschen, Bilder und Sprechweisen, die auf sehr verschiedene Art für die BRD prägend waren.
Wann etwa sagte man überhaupt "Deutschland", und was drückte es aus, wenn man die Abkürzung BRD verwendete? Bis wann waren Kioskbesitzer und Lehrer alte Nazis, und wann ist einem das aufgefallen? Worauf gründete sich der ideologische Konsens repressiver Toleranz, und woher rührte der Widerstand dagegen?
Mit solcher Art Fragen unterwandern "die drei von der Punkstelle" (WoZ) die in diesem Jahr zu erwartenden Gedenkreden zu 60 Jahren BRD und 20 Jahren Mauerfall oral history live!
Autorenporträt
Frank Witzel, geboren 1955 in Wiesbaden, lebt als Schriftsteller und Musiker in Offenbach. Romanveröffentlichungen. 2015 ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.11.2009

Generation Käfer
Frank Witzel, Klaus Walter und Thomas Meinecke improvisieren über den popkulturellen Turn der alten BRD
Wer in Westdeutschland in den sechziger Jahren sozialisiert wurde, steht im Zentrum der „BRD”. Man war zu jung, ein 68er sein zu müssen, aber genau im richtigen Alter, um die Popkultur aufzusaugen. Thomas Meinecke, Klaus Walter und Frank Witzel gehören dieser ersten Generation an, für die eine Pop-Umgebung selbstverständlich wurde, und sie haben sich für ihr Bändchen „Die Bundesrepublik Deutschland” ein angemessenes Arrangement einfallen lassen: die freie Trio-Improvisation. Man traf sich zu einzelnen Gesprächsrunden, ließ das Band mitlaufen und kompilierte daraus den jetzt vorliegenden Text. Nach dem Single-Hit „Plattenspieler” vor einigen Jahren, der die musikalischen Prägungen der einzelnen Protagonisten umspielte, holte man nun weiter aus.
Die Band wechselt zwar häufiger die Instrumente, aber letztlich ist es doch meist Thomas Meinecke, der die Leadgitarre übernimmt. Er setzt mit dem Bild Adenauers ein, wie er Rosen schneidet; Schlagzeuger Walter und Bassist Witzel stellen die Erinnerungsfragmente „Eurovision” und „Capri-Fischer” dagegen. Meist geht es um konkrete Details wie Fernsehserien oder Namen von Sängern und Gruppen. In guten Momenten spielen die drei traumhaft zusammen, so bei Werner Höfers „Internationalem Frühschoppen” und wie man sich daran freute, wenn ein Amerikaner deutsch sprach. Witzel fällt ein: „Das war die weite Welt. Das war praktisch das, was Werner Vetterli und...” – Walter: „...Teddy Podgorsky...” – Meinecke: „...aus Wien” - Witzel: „...im ZDF waren.” Werner Vetterli! Teddy Podgorsky! Die Schaltungen in „Aktenzeichen XY ungelöst” nach Zürich und Wien waren legendär, und man hat diese zweifellos sprechenden Namen eigentlich längst vergessen und ist jetzt berauscht, in welch entlegenen Ecken des Gedächtnisses man kramen kann. Das ist das Geheimnis von Pop!
Das Schlüsseldatum der alten Bundesrepublik liegt für die drei irgendwo um 1980: dies war der popkulturelle Turn der Geschichte. Die Hippies hatten sich überlebt, die traditionelle politische Linke hatte abgedankt mit dem Showdown der RAF als großem Symbol, und die Konturen des Neuen waren mit Punk, Dekonstruktion und Ironie sichtbar geworden. Es vollzog sich ein Übergang von der Politik zur Ästhetik: Seither funktionierte alles nach den Kriterien des Pop, und selbst das, was vorher war, erschien im Nachhinein vor allem als Pop-Phänomen, sogar Franz Josef Strauß. Am interessantesten wird es, wenn Thomas Meinecke bekennt: „Ich würde mir auch heute eher ein Straußbild aufs Klo hängen als eins von Augstein.” Rudolf Augstein, ein linksliberales Aushängeschild der frühen BRD und früherer „Nazi”, wie die drei immer wieder betonen, wirkt „verlogener” als Strauß: „weil Strauß geradeheraus Gangster ist, quasi 50 Cent.”
Das lebt natürlich vor allem vom Groove, aber man hätte gern mehr über die Konsequenzen dieser Ästhetisierung gehört. Was nach dem „deutschen Herbst” durch Punk, New Wave und kulturelle Umcodierungen passierte, wird zwar relativ genau umschrieben, aber wie die drei Solisten dieser Sprech-Band heute damit umgehen, außer dass ihnen zunehmend unwohl ist, bleibt etwas diffus. Ab und zu tauchen soziologische Muster auf: Meinecke stammt aus einem liberalen, bürgerlichen Elternhaus, Klaus Walter dagegen spricht einmal von seinem klassischen Unterschichtmilieu, wo von Juden und Zigeunern und Vergasen die Rede war. Vielleicht rührt es daher, dass Walter die Haltung der frühen „Toten Hosen” ernst nimmt, während Meinecke vor allem ästhetisch argumentiert: „Das war noch zehn Jahre nach Punk Festhalten an diesen Scheißriffs und Mitgröhl-Fußball-Bierdosen-Launen.”
Auffällig ist, wie rigoros Meinecke mit den „Grünen" abrechnet – Angela Merkel und natürlich Joseph Ratzinger erscheinen bei ihm in einem milden, fast goldenen Licht, aber die Grünen sind die wirklichen Hassfiguren. Und Klaus Walter stellt fest, das Problem der deutschen Linken sei, dass sie „einfach Pop nicht verstanden” hätten. Hier wird es spannend, aber unversehens zeigt sich „Pop” dabei auch als ideologischer Kampfbegriff, der unter der Hand in einer sehr deutschen Tradition zu stehen scheint. So wie die 68er die Prägungen durch ihre Nazieltern nicht loswurden und sie negativ wendeten, haben manche Vertreter der späteren deutschen Popkultur in ihrer Verbissenheit viel mehr mit den 68ern gemeinsam, als ihnen lieb sein kann. Nirgendwo wurde der Begriff „Pop” so dogmatisch aufgerüstet wie in Deutschland. Leider brechen die drei Diskutanten hier ab. Und es fehlen wohl schon auch ein paar Gedanken darüber, dass die Konsumgesellschaft erst seit den siebziger Jahren einen allgemeinen Wohlstand prägte und die Popkultur in dieser Form erst möglich machte.
Pop wird seit Beginn der achtziger Jahre durch eine neue Form von Ironie mitdefiniert und steht in einem Zusammenhang mit der unendlich langen Regentschaft Helmut Kohls, die jetzt begann. Thomas Meinecke ist im Rückblick fast verzweifelt: „Der ganze gesellschaftliche Ton” sei „locker geworden, aber du bist eingebunden in ein zwangsironisches System”. Und Klaus Walter spricht von der „Vermassung der Camp-Techniken, die sich in dem schrecklichen Spruch symbolisiert: Das ist so schlecht, dass es schon wieder gut ist, den dir heute 98 Prozent der Bevölkerung unterschreiben.” Eine Zeitlang streiten sich die drei darüber, ob die Bild-Schlagzeile „Wir sind Papst!” nun Pop sei oder nicht – und damit wird die Ausweglosigkeit, in die wir uns hineinbegeben haben, prägnant. Die „Affirmation”, ein um 1980 subversiv eingesetztes Instrument der sich entwickelnden Pop- und Medienkultur, angesichts der saturierten 68er-Karrieristen und der damals unsäglichen Hippiementalität eine notwendige Pendelbewegung, hat sich auf eine erstaunliche Weise verselbständigt. Die drei Solisten stoßen auf Phänomene wie den Witzemacher Mario Barth und schütteln fassungslos darüber den Kopf, „dass wir sozusagen eine selbstbewusste Unterschicht haben, die ihre Kultur selbstbewusst vertritt” (Walter). Und Meinecke denkt an Till Brönner und setzt noch eins drauf: „Die Unterschicht sitzt in der Lounge und trinkt Latte Macchiato.”
Ums Jahr 2000, auf dem Höhepunkt des teutonischen „Pop”-Konsums, brauchte man bloß eine schmale These, um das gesamte Feuilleton zum Juchzen zu bringen: kämen in einem Roman Markennamen vor, sei er gut, fehlten sie, sei er schlecht. Diese Geister haben die Pop-Avantgardisten und Affirmations-Artisten zwei Jahrzehnte vorher bestimmt nicht gemeint, als sie sie riefen. Auf dem Titelbild des Trio-Bändchens prangt das schöne Hinterteil eines alten VW-Käfers, und das passt: Die hier in Rede stehenden Zeit- und Fahrgefühle sind vom Käfer geprägt worden, und es war noch nichts zu spüren von der Stromlinienförmigkeit einer Generation Golf. So steht „Die Bundesrepublik Deutschland” glaubwürdig für eine etwas allgemeinere Orientierungslosigkeit. HELMUT BÖTTIGER
FRANK WITZEL, KLAUS WALTER, THOMAS MEINECKE: Die Bundesrepublik Deutschland. Edition Nautilus, Hamburg. 189 Seiten, 16 Euro.
Augstein ist „verlogener” als Strauß: weil Strauß geradeheraus Gangster ist, quasi 50 Cent.
Ernstzunehmende Haltung oder bloß Mitgröhl-Fußball-Bierdosen-Launen? Die „Toten Hosen” in den Achtzigern. Foto: Archiv Friedrich / Interfoto
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Helmut Böttiger findet es nur zu passend, dass Frank Witzel, Klaus Walter und Thomas Meinecke als Trio über den "popkulturellen Turn" der BRD seit 1980 improvisieren. In den besten Passagen ergibt sich daraus ein "traumhaftes" Zusammenspiel, schwärmt der Rezensent, etwa wenn sich die drei Autoren im Gespräch an die internationalen Zuschaltungen bei "Aktenzeichen XY ungelöst" erinnern. An einigen Ecken hätte Böttiger sich Vertiefung gewünscht, zum Beispiel wenn es um die Folgen der "Ästhetisierung" geht, die seit 1980 auch von der Politik Besitz ergriff. Auch, warum der Pop-Begriff ausgerechnet in Deutschland so stark dogmatisiert wurde, hätte den Rezensenten interessiert. Insgesamt aber erkennt Böttiger in dem Band einen sehr überzeugenden Niederschlag einer "etwas allgemeineren Orientierungslosigkeit" der alten Bundesrepublik, und das findet er der Thematik offensichtlich absolut angemessen.

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