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Der vorliegende Materialienband begleitet den jüngst erschienenen Nachdruck der zweiten Auflage des Standardwerks 'Die Baukunst der neuesten Zeit' (1930) von Gustav Adolf Platz (1881-1947). Er dokumentiert die Entstehungsgeschichte des Buches, erläutert seine Bedeutung und schildert die bisher kaum bekannte Biographie seines Autors. Außerdem macht der Band weitere Texte von Platz wieder zugänglich. Für einen Klassiker der modernen Architekturgeschichtsschreibung wird damit erstmals der angemessene Kontext hergestellt.

Produktbeschreibung
Der vorliegende Materialienband begleitet den jüngst erschienenen Nachdruck der zweiten Auflage des Standardwerks 'Die Baukunst der neuesten Zeit' (1930) von Gustav Adolf Platz (1881-1947). Er dokumentiert die Entstehungsgeschichte des Buches, erläutert seine Bedeutung und schildert die bisher kaum bekannte Biographie seines Autors. Außerdem macht der Band weitere Texte von Platz wieder zugänglich. Für einen Klassiker der modernen Architekturgeschichtsschreibung wird damit erstmals der angemessene Kontext hergestellt.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2000

Relativ neutral
Gustav Adolf Platz' Geschichte der Modernen Architektur

Kubisch und weiß sollte die Welt werden, funktionalistisch und ornamentlos. Der Aufbruch zu einer neuen Architektur als Ausdruck einer neuen Zeit war weit weniger eine Frage der gebauten Fakten denn eine der Publikationspolitik. Die Moderne kam gleich mit zwei Zwillingsschwestern zur Welt: der Propaganda und der Selbstlegitimierung. Le Corbusier, Walter Gropius, Walter Curt Behrendt, Philip Johnson und Henry-Russell Hitchcock, Sigfried Giedion - Kunsthistoriker und Architekten gleichermaßen bemühten sich um die Popularisierung ihrer Theorien, verfluchten den Historismus, predigten das Maschinenzeitalter, besangen den Fortschritt und hielten sich selbst für die einzig legitimen Vertreter ihrer beruflichen Spezies. Ihre Bibliotheken füllenden Schriften: alle apologetisch, gänzlich selbstreferentiell, sämtlich tendenziös.

So wollte es zumindest eine nachfolgende Generation, die seit Mitte der sechziger Jahre der Moderne und ihrer Ideologie einen Totenschein nach dem anderen ausstellte. Im Mittelpunkt postmoderner Kritik stand der Verfall der Baukultur, die Zerstörung der Traditionen, der Verlust einer semantisch-semiotischen Kommunikationsfähigkeit von Architektur und damit der Verlust des Dialoges mit dem Nutzer. Mittlerweile ruht auch die Postmoderne sanft in der Grabkammer der Geschichte; eine neue Ideologie, "Zweite Moderne" (Heinrich Klotz) oder "Supermodernismus" (Hans Ibelings) genannt, trat den Siegeszug durch die Welt der Lebenden an - noch immer mit medialer Hilfe im Marschgepäck.

Diesen ständigen Prozeß des Denkens und Gegendenkens, des Schreibens und Umschreibens bereichert der Berliner Gebrüder Mann Verlag mit einer Reprint-Edition: quasi eine publizistische Rückblende, die wichtige, lange vergriffene Kampfschriften der Moderne wieder zugänglich macht. Jüngster Sproß der Nachdruck-Familie ist "Die Baukunst der neuesten Zeit", die zuerst 1927 und weitgehend überarbeitet drei Jahre später noch einmal erschien. Der Autor, der heute nahezu unbekannte Mannheimer Stadtbaudirektor Gustav Adolf Platz (1881 bis 1947), konzipierte das Buch als Ergänzungsband der von 1923 an herausgegebenen "Propyläen-Kunstgeschichte" - ein Unternehmen ganz in der Tradition des positivistischen neunzehnten Jahrhunderts, das sich daher vermeintlich schon programmatisch von den gleichzeitig veröffentlichten Kampfschriften unterscheidet.

Platz beschreibt die Architektur der Moderne anschaulich und teilweise erstaunlich distanziert. Mit wenigen Sätzen skizziert und erzählt er die ausgewählten Bauwerke, wertet ihre Bedeutung, charakterisiert ihr Wesen, ihre Intentionen und ihre Neuerungen in ästhetischer und konstruktiver Hinsicht. Ganz Kind seiner Zeit zeigt sich Platz begeistert von den rationellen Fertigungsmethoden im Wohnungsbau. Doch auch vor Problemen, die in der zweiten Nachkriegszeit virulent werden sollten, warnt er bereits: "Machen wir den Serienbau dem Menschen dienstbar, aber hüten wir uns, ihn darin zu ersticken."

Bei aller gebührenden Neutralität, die der Hamburger Kunsthistoriker Roland Jaeger seinem Helden im gleichermaßen aufschlußreichen wie mustergültigen Begleitband auch bescheinigen mag: Vieles, was aus heutiger Perspektive an der wiederentdeckten, durchaus vielschichtigen Epoche wichtig erscheint, läßt auch Platz links - oder rechts - liegen, wie schon eine oberflächliche Probe zeigt. Zwar zeigt er Beispiele einer "anderen Moderne", etwa die Bauten der Stuttgarter Schule oder den expressiv-klassizistischen Düsseldorfer Ehrenhof von Wilhelm Kreis, diesen allerdings nur in zwei halbseitigen Abbildungen. Dementsprechend ist über Kreis zu lesen, sein "Schaffen liegt abseits vom geraden Wege der puritanischen Sachlichkeit, die dem heutigen Architektengeschlecht am besten frommt". Der bedeutende konservative Reformer Paul Schmitthenner ist lediglich mit einem "Einheitsfenster für Kleinwohnungen" vertreten, was man getrost als Gemeinheit bezeichnen kann.

Auch unlängst erst wieder ins Blickfeld gerückte Bauten wie die Magedeburger Stadthalle, ein Bau, der seine Monumentalität ganz aus der Formensprache der Moderne entwickelt, fehlt. Von seinem Architekten Johannes Göderitz, den Platz angesichts dieses opulenten Werkes nicht vollständig ignorieren konnte, ist statt dessen eine dreischiffige, aus "zeitgemäßem" Eisenbeton gefertigte Schweinemarkthalle aufgenommen. Schließlich kommt auch der ebenfalls kräftig publizierende Heimatschützer Paul Schultze-Naumburg zu kurz, dessen mehrbändige "Kulturarbeiten" Platz zwar mit dem Siegel "wichtig" versieht, ihm aber in bezug auf seine praktischen Arbeiten attestiert, dieser sei in die gestalterische "Sackgasse" geraten.

Im Vergleich mit den kämpferischen Pamphleten erweist sich Platz' Band zwar als relativ neutral. Doch der dort mittels damnatio memoriae konstruierte Triumph der Moderne über alles "Gestrige" lebt hier als schlechtes Vorurteil weiter. "Sackgassen" ergeben sich eben nur dort, wo die Weltsicht eine allein seligmachende teleologische Hauptstraße einschlägt. Platz war daher, wie es Jaeger auch an dessen eigenem Schaffen verdeutlicht, mindestens Sympathisant der Moderne - ein Tatbestand, aus dem er keinen Hehl machte. Denn der Titel seines Propyläen-Ergänzungsbandes verspricht eben keine Bilanz einer Baukunst der "jüngsten" oder der "letzten", sondern eben der "neuesten" Zeit. Der Lesegenuß wird, bei aller verlegerischen Leistung und allem editorischen Aufwand, im Detail jedoch ein wenig geschmälert: Die im Original eingeklebten Farbtafeln, die sich auf kräftig-schwarzen, eingezogenen Pappseiten befanden, sind in der Wiederauflage durch konventionelle Druckseiten ersetzt. Solche kleinen, aber entscheidenden Schmankerln wären angesichts des stattlichen Preises durchaus wünschenswert gewesen.

CHRISTIAN WELZBACHER

Gustav Adolf Platz: "Die Baukunst der neuesten Zeit". 2. Auflage. Architectura Universalis. Hrsg. von Ulrich Conrads und Helmut Geisert. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 2000. 254 S., 74 Abb., 382 Taf. m. 564 Abb., 20 Duplex- und 8 Farbtaf., geb., 348,- DM.

Roland Jaeger: "Gustav Adolf Platz und sein Beitrag zur Architekturhistoriographie der Moderne". Architektur Archiv, Band 1. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 2000. 210 S., 43 Abb., geb., 128,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Doppelrezension bespricht Christian Welzbacher zwei Bücher von dem Architekten Gustav Adolf Platz bzw. über sein Werk.
1.) Gustav Adolf Platz: "Die Baukunst der neuesten Zeit" (Gebr. Mann Verlag)
Welzbacher verweist zunächst auf die sich ständig einander ablösenden Architekturtheorien, den lebendigen "Prozess von Denken und Gegendenken" hin, zu dem er in der Wiederveröffentlichung dieses Bandes einen Beitrag des Verlages sieht. Was das vorliegende Buch betrifft, so fällt dem Rezensenten auf, dass es sich in mancher Hinsicht von den "Kampfschriften" Platz` damaliger Kollegen unterscheidet. "Ganz in der Tradition des positivistischen neunzehnten Jahrhunderts" sind die Gedanken des Autors angesiedelt, bemerkt Welzbacher. Doch gleichzeitig zeige Platz sich vom zeitgenössischen Wohnungsbau begeistert. Gut gefällt dem Rezensenten, dass Platz in der Lage ist, mit nur wenigen Worten bestimmte Bauten zu "skizzieren" und ihre Bedeutung und Funktion (auch in ästhetischer Hinsicht) zu beschreiben. Enttäuscht zeigt sich Welzbacher jedoch darüber, dass der Autor wichtige architektonische Strömungen und ihre Vertreter weitenteils ignoriert und seine eigene Sicht als die "allein seligmachende teleologische Hauptstraße" erscheinen lässt. Davon abgesehen hätte der Rezensent es begrüßt, wenn bei diesem nicht gerade preiswerten Band die im "Original eingeklebten Farbtafeln" nicht einfach nur nachgedruckt worden wären.
2.) Roland Jaeger: "Gustav Adolf Platz und sein Beitrag zur Architekturhistoriographie der Moderne" (Gebr. Mann Verlag)
Nur kurz geht der Rezensent auf diesen Band ein, den er allerdings für "gleichermaßen aufschlussreich wie mustergültig" hält, ohne dies im Detail zu begründen. Immerhin erfährt der Leser, dass in Jaegers Buch deutlich wird, wie sehr Platz durchaus "ein Sympathisant der Moderne" war.

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