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In einer beschaulichen Gemeinde in Brandenburg leben viele junge Familien aus Berlin. Als plötzlich ein Kind verschwindet, bricht die glatte Oberfläche des freundlichen Miteinanders der kultivierten Akademiker ein, zum Vorschein kommen Gier, Angst und Betrug. Silvio Huonder gehört zu den wichtigsten Stimmen der Gegenwartsliteratur der Schweiz. In "Dicht am Wasser" verbindet er Thriller und Drama, um eine unheimliche Geschichte aus der Mitte des gebildeten Wohlstands zu erzählen.

Produktbeschreibung
In einer beschaulichen Gemeinde in Brandenburg leben viele junge Familien aus Berlin. Als plötzlich ein Kind verschwindet, bricht die glatte Oberfläche des freundlichen Miteinanders der kultivierten Akademiker ein, zum Vorschein kommen Gier, Angst und Betrug. Silvio Huonder gehört zu den wichtigsten Stimmen der Gegenwartsliteratur der Schweiz. In "Dicht am Wasser" verbindet er Thriller und Drama, um eine unheimliche Geschichte aus der Mitte des gebildeten Wohlstands zu erzählen.
Autorenporträt
Silvio Huonder, geboren 1954 in Chur, absolvierte ein Studium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz, es folgten Regie-Arbeiten in Österreich und der Schweiz. 1990-1994 Studium an der Hochschule der Künste in Berlin, erster Absolvent des Studienganges Szenisches Schreiben bei Heiner Müller, Tankred Dorst und anderen. Zum Wintersemester 2006 wurde Silvio Huonder als Dozent an das Schweizerische Literaturinstitut berufen und leitet dort das Schreibatelier. Heute lebt Silvio Huonder mit Ehefrau und zwei Kindern am Rand von Berlin an der Havel und schreibt Romane, Hörspiele, Theaterstücke und Drehbücher.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sabine Doering stellt den Roman des Schweizer Autors Silvio Huonder vor, der seine Geschichte um Lüge, Betrug und Untreue unter der idyllischen Oberfläche stadtflüchtiger Bildungsbürgerlichkeit in seiner Wahlheimat in der Nähe Berlins angesiedelt hat. An diesem fiktiven Ort an einem Havelsee verschwindet der 9-jährige Sohn einer Bioladenbetreiberin, die währenddessen ein geheimes Stelldichein mit dem Musiklehrer des Ortes hat, lässt die Rezensentin wissen. Seltsam und manchmal anscheinend durchaus irritierend mutet ihr die dominante Erzählperspektive des Romans an, die sich allwissend und kulturkritisch gibt, deren Sprecher sich letztlich aber auch in das unmoralische Treiben des Dorfes verwickelt entpuppt. Leider gerate der Roman sprachlich allerdings mehr und mehr aus dem Lot, so die Rezensentin unzufrieden, die immerhin erleichtert wirkt, dass dieser Roman, der ihr offenkundig alles in allem zu leichtgewichtig geraten ist, zumindest offen endet, auch wenn der verschwundene Junge schließlich unbeschadet aus einer Jauchegrube gezogen wird.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.09.2009

Buletten im Bioladen

Was sich da alles selbst verwirklicht: Ein neuer Roman von Silvio Huonder lotet die Abgründe einer Mittelstandsidylle in bester Seelage aus.

Brandenburgische Seen, das wissen wir seit Fontanes "Stechlin", können manches Geheimnis unter ihrer Oberfläche bergen. Nun hat sich auch der Schweizer Silvio Huonder darangemacht, die Reize und Geheimnisse eines solchen märkischen Sees zu erkunden - aus eigener Anschauung, denn seit einigen Jahren lebt er mit seiner Familie in Ferch am Schwielowsee, rund eine halbe Stunde von Berlin entfernt. "Buletten" werden denn auch salopp die vielen Berliner genannt, die in seinem Roman hinaus aufs Land ziehen, in das kleine Neumühl am Julensee. Dieser See allerdings ist auf keiner Landkarte zu finden, aber Huonder hat hier offenkundig seine Wahlheimat porträtiert, von der verlassenen Nerzfarm am Seeufer bis hin zu den Wohnhäusern, die im Wechsel der politischen Verhältnisse zu beliebten Anlageobjekten wurden.

Erfunden aber hat Huonder die mythische Vergangenheit seines Julensees, und womöglich hat ihn Fontanes Geschichte über den Stechlin-See dazu inspiriert. "Die Jule pfeift", heißt es bei Huonder, wenn im Sommer ein starker Wind über den See geht, und seine Anwohner erinnern sich dann mit angenehmem Grusel an die Geschichte von Müllers Jule, die lieber mit dem Hausierer schäkerte, als in der Mühle zu bleiben. Der grausame Müller hat sich, so weiß es angeblich die Sage, für die Untreue seiner Frau bitter gerächt und sie eines Tages an ihrem roten Halstuch an einem Flügel seiner Mühle aufgehängt, wo sie drei Tage lang zum Schrecken der Nachbarn durch die Luft gedreht wurde.

Man könnte glauben, dass solch trauriges Schicksal bis heute eine Warnung vor zu großer Leichtfertigkeit wäre, aber die modernen Neumühler sinnieren allenfalls darüber, ob die Geschichte der untreuen Müllerin die Touristen vertreiben könnte, auf deren Geld die Gastwirte und Bootsverleiher hoffen. So eifern sie also mehr oder weniger offen der unsteten Jule nach, all die Musiklehrer, Anwältinnen, Unternehmer und Ingenieure, die aus der Großstadt an den See gezogen sind. Ein bunter erotischer Reigen à la Schnitzler entwickelt sich hinter der Fassade liberaler Bürgerlichkeit, nach außen aber wahrt man den Anschein eines geordneten Familienlebens mit Öko-Essen, selbstgemauertem Kamin und Musikunterricht für die Kinder.

Erschüttert wird die Bilderbuchidylle, als der neunjährige Nelson an einem Juni-Nachmittag nicht nach Hause kommt. Über das Wasser bläst der kräftige Julenwind, und Nelsons Mutter, die energische Sanna aus dem Bioladen, trifft sich gerade mit dem attraktiven Musiklehrer heimlich am See, während sich ihr jüngster Sohn, ein mäßiger Klavierschüler, aus Angst vor dem abendlichen Konzertabend am Ufer versteckt hat. Später macht Sanna sich natürlich bittere Vorwürfe über ihren Leichtsinn, und ihre Angst um den Jungen schreckt allmählich die gesamte kleine Gemeinde auf. Dabei kommt nun eben allerlei Verschwiegenes an die Oberfläche: Amouröse Verwicklungen und kleine Schiebereien werden offenbar, Nelsons Vater Oschi kann seine Alkoholsucht nicht länger verbergen, während Tom, Nelsons sechzehnjähriger Bruder, mit verbotenen Waffen im Wald spielt und die Gesellschaft obskurer Freunde sucht.

Huonder hat eine eigenwillige Perspektive gewählt, um von den Verwirrungen am Seeufer zu berichten. Auf den ersten Seiten des Buches meldet sich ein sittenstrenger Erzähler zu Wort, der das freizügige Treiben der Erwachsenen zunächst verurteilt: "Die Vorstellung, dass ein neunjähriges Kind grausam für die Sucht nach sogenannter Selbstverwirklichung bezahlen sollte, erscheint mir unerträglich. Verbergen sich hinter diesem Wort in Wirklichkeit nicht bloß Langeweile, Egoismus, Genusssucht und die Frustration einer übersättigten Generation?" Die innere Logik dieser kulturkritischen Erwägungen bleibt freilich schütter - als ob der schüchterne Nelson keine Angst vor dem Klaviervorspiel verspüren würde, wenn seine Mutter den Lockungen eines heimlichen Stelldicheins widerstanden hätte. Vollends aber entlarvt sich die Scheinheiligkeit des Erzählers, als sich herausstellt, dass er selbst Teil des allgemeinen Wechselspiels ist, bangt er doch darum, dass seine längst zurückliegende Affäre mit der Frau des Musiklehrers ans Licht kommen könnte.

Da Huonder zudem häufig zwischen dem selbstgefälligen allwissenden Erzähler und einer eingeschränkten personalen Perspektive wechselt, geraten die Koordinaten seiner Schilderung immer mehr ins Schwanken. Aus dem Gleichgewicht gerät aber auch Huonders Sprache, etwa wenn Nelsons Klavierlehrer geradezu akrobatische Verrenkungen auf sich nehmen muss, um auf sein Fahrrad zu steigen: "Mit dem Gummiband befestigte er seine Mappe auf dem Gepäckträger und seine Hosenklammer über dem Knöchel." Ein Wunder, dass der solcherart Gefesselte dennoch rechtzeitig zum Rendezvous am Seeufer gelangt.

In der Nacht wird schließlich der verschüchterte Nelson gefunden, der sich bei dem Sturz - die Symbolik sticht in die Nase - in eine Jauchegrube verletzt hat. Trotz des unangenehmen Gestanks bei seiner Rettung scheint die Rückkehr der Idylle möglich. Aber hat Nelsons Vater unterdessen wirklich der Versuchung widerstanden, endgültig aus dem Leben zu fliehen, das ihm bis vor kurzem so sicher erschienen war? Huonder lässt den Schluss seines Romans in der Schwebe, und dieser Verzicht auf ein Happy End gibt der Geschichte vom Ufer des Julensees ein wenig mehr Gewicht, als es die selbstgewissen Kommentare des zwielichtigen Erzählers vermocht haben.

SABINE DOERING.

Silvio Huonder: "Dicht am Wasser". Roman. Verlag Nagel & Kimche, Zürich/München 2009. 222 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Der Autor bietet die Entschlüsselung in kleinen Dosen an, so dass die Spannung in gleichem Masse wächst und bis zum Ende nicht erlahmt. Den handelsüblichen Thriller lässt Huonders Roman jedoch entschieden hinter sich. Vielmehr grundiert die 'Schuld und Sühne'-Thematik das Buch. Das mag altmodisch klingen, verrät aber ein Gefühl für Werthaltungen." Beatrice Eichmann-Leutenegger, Neue Zürcher Zeitung, 24.03.09

"'Dicht am Wasser' ist ein doppelbödiger Roman - einerseits die schnelle, direkte, genaue Beschreibung eines ziemlich einzigartigen sozialen Biotops; andererseits ein kunstvolles Stück Literatur voller Falltüren." Wieland Freund, Die Welt, 23.05.09

"Wie Huonder im Zuge eines einzigen dramatischen Tages den Ort zum Exerzierfeld verzeihlicher Schwächen und gefährlicher Leidenschaften macht und analytisch aufwickelt, ist psychologisch stimmig und spannend zugleich. Besonders schön sind die pastell-leichten Landschaftsbilder, die wie ein magischer Schleier über dem dörflichen Gefühlsaufruhr liegen." Ulrike Baureithel, Der Tagesspiegel, 10.05.09

"Huonder erzählt eine Geschichte untergründiger Malaisen, und es ist anerkennenswert, mit welch einfachen literarischen Mitteln er die Beklemmung seiner Protagonisten aufzeigt. Je mehr man sich auf sein leises Wellenschlagen einlässt, desto klarer werden die Kunstgriffe Huonders." Rainer Moritz, Die Welt, 07.11.09

"Huonder macht eine liebevoll erzählte Milieustudie zum spannenden Krimi. Ein Buch, das anschaulich, glaubwürdig und unmittelbar aus dem Erzählten heraus lebt und den Leser nicht veräppeln oder belehren, sondern auf ebenso spannende wie berührende Weise einfach nur unterhalten will." Charles Linsmayer, Die Weltwoche, 09.04.09…mehr