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Der neue Stuckrad-Barre: Deutsches Theater. Ein Befund, ein Zeugnis, ein Programm, auch eine Liebeserklärung - und eine Kartographie des Terrors. Die Inszenierung unseres Alltags, theatrum mundi im Speziellen: in Deutschland. Deutsches Theater bietet keinen Blick hinter die Kulissen, sondern einen darauf. Wer spielt was für wen? Wo endet die Bühne? Die Hypothese: Sie endet gar nicht. Stuckrad-Barre liefert punktgenaue Szenen der allumfassenden Inszenierung: Im Bundestag, in der Tanzschule, auf dem Amt, auf der öffentlichen Toilette, am Arbeitsplatz, im Gefängnis, in der Warteschleife, an der…mehr

Produktbeschreibung
Der neue Stuckrad-Barre: Deutsches Theater. Ein Befund, ein Zeugnis, ein Programm, auch eine Liebeserklärung - und eine Kartographie des Terrors.
Die Inszenierung unseres Alltags, theatrum mundi im Speziellen: in Deutschland. Deutsches Theater bietet keinen Blick hinter die Kulissen, sondern einen darauf. Wer spielt was für wen? Wo endet die Bühne? Die Hypothese: Sie endet gar nicht.
Stuckrad-Barre liefert punktgenaue Szenen der allumfassenden Inszenierung: Im Bundestag, in der Tanzschule, auf dem Amt, auf der öffentlichen Toilette, am Arbeitsplatz, im Gefängnis, in der Warteschleife, an der Sammelkasse und in der Kaserne. Er begleitet einen Pizzaboten, eine Neue-Mitte-Repräsentantin beim Besuch ihrer Mieter, einen Wahlkämpfer im Wohnmobil. Den Bundeskanzler bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, den Bürger beim Brötchenkaufen - es wird niemand vorgeführt, vielmehr wird das aufgeführte nachgezeichnet.
Die textflankierenden Fotografien stammen durchweg vom Autor, der mit diesem Buch seine ganz eigene Form des literarischen Journalismus vorantreibt. Und so liest sich Stuckrad-Barre in Deutsches Theater variationsreich wie nie - unter anderem wartet er mit einer hübschen Novität auf: Er covert Thomas Bernhard mit dem Stück Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit essen.
Aus all den Splittern entsteht in der Zusammenschau ein buntes, bestechend klares Bild. Der Spielplan der Landes-Bühne. Eine Bestandsaufnahme durch teilnehmende Beobachtung.
Autorenporträt
Benjamin von Stuckrad-Barre wurde am 27. Januar 1975 in Bremen geboren, lebt in Berlin, schreibt Bücher und arbeitet journalistisch für verschiedene Zeitungen, darunter die FAZ, Die Woche, Allegra und Welt am Sonntag.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.02.2002

Lesung
Regisseur im Land
der Ausziehpuppen
Benjamin von Stuckrad-Barre will ruhiger
werden und das „Deutsche Theater” entlarven
Sie nennen ihn „Hey!” und „Du!” und „Junge!” und wissen nicht, wen sie vor sich haben. Er nennt sich „Westentaschen-Wallraff” – ein Spion, der sich artig als Reporter angemeldet hat. Drei Tage will er mit anpacken beim Edelfischlieferanten auf Sylt, beim weißbärtigen Herrn Gosch, den die echten Arbeiter „Wirt des Jahres” nennen. Benjamin von Stuckrad-Barre – Jungliterat, Teenagerschwarm, „Geschmacksterrorist” (Spiegel) – entkorkt Wein, bedient, stampft Meeresgetier das Wasser aus dem labbrigen Leib. Und er lernt, dass nicht alles frisch ist, nur weil es an der Nordsee verkauft wird. So wie ein Sänger im Fernsehen nicht immer live singt, nur weil er ein Mikro hält. Alles Konservenkost – was kaum einer merkt.
„Deutsches Theater” nennt Stuckrad-Barre sein sechstes Buch (bei KiWi) und alles, was der Zuschauernation so aufgetischt wird. Ein Jahr reist der 27- Jährige durchs Land, begleitet Prominente und Pizzaboten, schleicht sich als Reklame-Handy verkleidet im Fußballstadion ein, besucht Zolltaucher und Abizeitungsredaktionen. Um zu erleben, was sonst nicht gezeigt wird, um „Missstände aufzudecken”, zu notieren und zu fotografieren. Er nimmt Fernsehleuten, Veranstaltern, Journalisten die Regie aus der Hand. Mit all den namhaften und -losen Darstellern und Strippenziehern inszeniert er sein eigenes Stück: Geht mit Claus Peymann (keine) Hosen kaufen, ist dabei, wie Günther Jauch den „goldenen Lachs 2001” erhält und Soldaten von einem „Spindluder” besucht werden. Nicht nur sie, alle sind „Ausziehpuppen”, die er auf seine Bühne, in seinen „Thesenkatalog vom Alltag der Inszenierung” stellt.
Manche Szene endet abrupt. Etwa als der weißbärtige Gosch ihn, der sich gerade ein neues Abladesystem ausgedacht hat, brüllend und „rot wie heißgeräucherter Stremellachs” vom Hof jagt. „Ich habe ihm noch gesagt: ‘Lassen sie’s doch lieber; ich werde das alles schreiben.’ Aber das war dem egal.” Noten verteilt Stuckrad-Barre nicht („Wer bin ich denn?”) – es wird auch so klar, wer für ihn die Guten sind (H. Karasek, H. Schmidt, C. Schlingensief), und wer die Dummen (F.J. Wagner, Hera L., Premiere World).
Auch er ist bekannt – für seinen detailvernarrten Blick, seine charmanten Abreibungen. Das hat ihm die Recherche erst ermöglicht – und oft schwer gemacht. „Mein Name ist belastet”, sagt er. Selber schuld: Schick und erfolgreich zeigte er sich in allen Medien als Popstar, machte sich Fans und Feinde. Lesungen glichen Rockkonzerten: Da las er kaum, legte Musik auf, witzelte drauf los, holte kieksende Mädels auf die Bühne, ließ T-Shirts verkaufen, trat auf, wo große Bands spielen. „Ich hab’s auf die Spitze getrieben”, sagt er, „heute langweilt mich das”. Auf der neuen Lesereise will er der unpoppige Erzähler sein – gespannt, was die Fans dann zu ihm sagen. Michael Zirnstein
•Benjamin von Stuckrad-Barre, So., 10.Feb., 20 Uhr, Aula der LMU, Geschwister-Scholl-Platz 1, 54818181
Als Gedächtnisstütze hat der Autor seine Darsteller im Stück von der „Inszenierung des Alltags” fotografiert. Nun gibt es die Bilder auch als Postkarten zu kaufen (nur bei Amazon.de). Fotos: B. v. Stuckrad-Barre
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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BvSB
Benjamin von Stuckrad-Barres neuester Coup ist wohl tatsächlich sein "bislang bestes Buch", wie der Spiegel lobte. Und dabei ist das Buch mit dem ironischen Titel Deutsches Theater doch "nur" eine Sammlung von Reportagen und Betrachtungen, die der Pop-Literat in den letzten Jahren unter anderem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem Stern und der Woche bereits veröffentlicht hat. Vielleicht aber auch gerade deshalb, denn in der kurzen Form von drei bis vier Seiten entwickelt Stuckrad-Barre all seine Qualitäten am besten: Sarkasmus, Witz und Ironie, gepaart mit einem erbarmungslosen Blick für peinliche Situationen und Menschen.
Patchwork
Dem Autor selbst erscheinen die knapp vier Dutzend Geschichten als "Zwischenergebnis eines Großprojekts", ja, als Lebensaufgabe, die darin besteht, den Inszenierungsformen des öffentlichen wie privaten Lebens nachzuspüren. Auf seiner Reise durch die große Bühne Deutschland werden Themen wie "Homeshopping", "Hobbykeller" oder "Muttertag" vom eiskalten Licht der Ironie beleuchtet. Ereignisse wie die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes oder die Währungsreform werden ebenso zynisch untersucht wie das Phänomen des Kultursponsorings. Auch der "Preisverleihungsirrsinn" der Deutschen erfährt eine Würdigung durch Stuckrad-Barre, für die der Leser höchst dankbar ist.
Doch nicht genug damit. Stuckrad-Barres entlarvender Sarkasmus macht auch vor den Exponenten des Anti-Establishments nicht Halt: "Manchmal heißt es, Christoph Schlingensief sei gar nichts peinlich. Richtiger ist: Alles ist ihm peinlich, der Verklemmung setzt er Exhibitionismus entgegen und stellt sich zur Verfügung, wirft sich den ersten und zweiten Stein gleich selbst mitten ins Gesicht. (...) Seht her, zeigt er, ich kann es nicht, und das ist nicht schlimm, denn es ist normal."
Die vielen, die Texte illustrierenden Fotografien tun ihr übriges um das Bild von Deutschland, das Stuckrad-Barre hier entwirft, abzurunden. Selten scheint die Sonne auf ihnen, die Haut der Fotografierten ist fahl, Hinweis- und Verbotsschilder bestimmen das Bild auf einigen von ihnen und andere sind in ihrer Nüchternheit einfach nur widerwärtig.
Porträt einer oberflächlichen Gesellschaft
Das Patchwork dieser Geschichten fügt sich zu einem Bild der deutschen Gesellschaft, die in der Oberflächlichkeit ihre Tiefe findet und deren bestes Exemplar Stuckrad-Barre selbst ist. Wer sensibel ist für die Missstände und Schieflagen, die unser Zeitgeist gebiert, wird sich beim Lesen peinlich berührt schütteln vor Lachen. Für alle Archäologen unserer Zeit und ihres Geistes ist dieses Buch eine unerlässliche Quelle. (Andreas Rötzer)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2012

Von einem, der sich anzog, das Fürchten zu lernen

Benjamin von Stuckrad-Barre hat Angst, einen Roman zu schreiben. Stattdessen verfasst er die genauesten Texte über die deutsche Gegenwart

Nichts zu besprechen zu haben, keinen Anlass wie ein Buch oder einen Film, sich aber trotzdem zu treffen: das sind gute Voraussetzungen für ein Gespräch. Es geht erst mal um nichts. Man redet einfach so. Er wolle, sagt der Autor und Moderator Benjamin von Stuckrad-Barre, 37, bei seiner Arbeit "Nebensächlichkeit" herstellen - um etwas herauszufinden, über die Gäste seiner Talkshow, über die Menschen, die er begleitet, um von ihnen zu erzählen. Seit 2008 schreibt er für den Springer-Verlag; die neue Staffel seiner Talkshow fängt nächste Woche bei Tele 5 an.

Nebensächlichkeit bedeutet aber in diesem Fall nicht das fleißige Detailaufschreiben, mit dem man sich als Reporter umbringen kann, um am Ende im Text zwar die Farbe eines Knopfes an der Jacke eines Politikers nennen zu können, ohne aber zu wissen, was und wem damit geholfen wäre. Nebensächlichkeit, so liest man es aus den kurzen Reportagen heraus, die Stuckrad-Barre im Laufe der Jahre zum Beispiel über Klaus Wowereit oder Guido Westerwelle oder Marius Müller-Westernhagen geschrieben hat, ist eher der Leerlaufzustand sozialer Interaktion. Der Augenblick, in dem nichts passiert. Wenn es langweilig wird. Man so vor sich hin labert.

Stuckrad-Barre hat aus diesem Zustand des Egalgeredes den wahrscheinlich schönsten Text gewonnen, der je über den Schauspieler Manfred Krug erschienen ist: Er besucht ihn, zehn Jahre ist das schon her, in seiner Berliner Wohnung. Überall hängen Zettel, auf denen "FETT" steht: "Der Erdbeerkuchen vor Manfred Krug hat eine überdurchschnittliche Tellerverweildauer, fast zwei Stunden lang bietet er Wespen eine attraktive Landemöglichkeit, jedoch nicht, weil Krug die selbstmaßregelnden Warnzettel zu ernst nimmt, ,sondern weil ich grad vorher noch eine Riesenwurststulle hatte'."

Darauf hinzuarbeiten und dann genau mitzuschreiben, was passiert, wenn nichts passiert: das kann andererseits auch eine sehr höfliche Art sein, die schlimmsten Dinge über einen Menschen herauszufinden. Es ist aber erst mal höflich gegenüber den Lesern, weil sie der Text dann nicht so anschreit vor lauter Bedeutung, wie das Reportagen ja oft tun. Man wird von Stuckrad-Barre wahrscheinlich nie etwas von einem Müllberg in Kathmandu zu lesen bekommen, auf dem Waisenkinder ohne Zukunft leben. Wie schrecklich die Welt sein kann und ungerecht verteilt, erfährt man trotzdem aus seinen Texten. Stuckrad-Barre geht dazu dann aber in die Boxengasse der Formel 1 oder zu einer Dichterlesung von Günter Grass. Den er auf sehr unterhaltsame Weise hasst, weil er wiederum Walter Kempowski so liebt.

Wir treffen uns um 18 Uhr vor Benjamin von Stuckrad-Barres Schreibbüro am Berliner Kurfürstendamm, unten im Neubau ist ein angsteinflößender, deshalb sehr einladender Pub, in den wir aber nicht gehen, sondern die Treppe hinauf in sein möbliertes Apartment. Der gläserne Schreibtisch, auf dem ein Laptop liegt, zeigt nach draußen. Stuckrad-Barre macht sofort die Balkontür auf. Zum Rauchen. Draußen ist ein letzter Spätsommertag im Oktober, die Häuserecken, es sind ein paar der fiesesten von Charlottenburg, sind ganz weich vom Licht.

Hier arbeitet Stuckrad-Barre gerade an einem längeren Text. Ist das endlich der neue Roman? Er antwortet ausweichend. Was macht ihm eigentlich mehr Spaß, Fernsehen oder Schreiben? "Schreiben ist das Grundding, alles beginnt immer mit Text, und alles wird immer Text. Lesungen, Fernsehen - das sind Formvarianten." Wie nennt er sich selbst? "Autor. Weil ich es am prosaischsten finde."

An der Klingel zu dieser Wohnung steht ein Deckname, die Verwaltung hat ihn falsch geschrieben, ungefähr so, als würde dort jetzt "Capoti" stehen, vertippt ist es aber natürlich noch viel lustiger: an der Wirklichkeit gescheiterte Ambition, Privatwitze, die keiner mehr versteht. Stuckrad-Barre hat vor fast 15 Jahren einen Roman geschrieben, "Soloalbum", über Frauen, Liebe, Platten, als gleichzeitig jede Menge solcher Romane erschienen sind, die sich sehr oft verkauften und schnell als "Popliteratur" etikettiert wurden - was von Anfang an ein Mittel des Betriebs war, einen Ton leiser zu stellen, den man nicht hören wollte und dem man vor allem nicht traute. Dann setzte es noch ein paar Seminarbegriffe, "affirmatives Verhältnis zur Wirklichkeit", "Gebrauchssprache", und bald war das, was da endlich begonnen hatte in der deutschen Literatur, Jahre, nachdem es in Amerika und Großbritannien etabliert war, ein prätentionsfreies Schreiben aus Spaß am Text, erledigt. Mit dem Verdacht, etwas könnte zu populär sein, kriegt man bis heute die schönsten Sachen tot.

Jedenfalls begann damit die Karriere von Benjamin von Stuckrad-Barre. Auch mit der Abwehr also, mit dem Widerstand gegen seine Art von Text. Mit dem Ekel vor seinen Werbefotos für einen Herrenausstatter - und der Häme über seine Abstürze, die er verfilmen ließ. Stuckrad-Barre hat aber nicht aufgehört zu arbeiten. Er hat ein Buch nach dem anderen gemacht mit Texten, die in fast allen Zeitungen und Zeitschriften Deutschlands erschienen sind. Seit 2008 ist er als freier Mitarbeiter beim Springer-Verlag unter Vertrag, was die, die ihn vorher schon nicht mochten, natürlich noch übler nehmen. Es ist ein bisschen wie in dem alten Witz von Woody Allen: Nicht nur, dass wir hier in diesem schlechten Restaurant sitzen, die Portionen sind auch noch viel zu klein!

Langsam ändert sich aber der Ton. In den Kritiken des letzten Reportagebandes "Auch Deutsche unter den Opfern" von 2010 kam der Name "Peek & Cloppenburg" so gut wie nicht mehr vor. Ein bisschen ist es wie bei der alten Barbourjacke Christian Kracht, einem Weggefährten Stuckrad-Barres, die Werbekampagne damals haben die beiden zusammen gemacht. Als vor kurzem um den Nazigehalt in Krachts Roman "Imperium" gestritten wurde, war zumindest eins klar: dass es sich bei diesem Roman um Literatur handelte, mit einem Erzählbegriff und allem Drum und Dran. Wie lange hat es nur gedauert, bis das Imperium der Branche das kapiert hat! "Ich wollte nie etwas durchsetzen", sagt aber Stuckrad-Barre jetzt, "sondern das tun, was mir selber Spaß macht. Ich habe auch kein Programm für die nächsten dreißig Jahre. Das einzig Programmatische ist vielleicht meine Nervosität."

Bisschen kokett, das mit der Nervosität. Wobei es stimmt für seine Talkshows, in denen Stuckrad-Barre oft sympathisch herumhampelt. Bei den Reportagen fragt man sich dagegen genauso oft, wie er nur wissen konnte, dass nun ausgerechnet an diesem Tag an diesem Ort sich der Weltgeist kurz zeigen würde, und wenn nur in Form des Literaturkritikers Hellmuth Karasek, der seine Hose trocken föhnt "Die Wahrheit ist, dass man sich infernalisch viel Mist angucken muss", sagt Stuckrad-Barre. "Man muss unheimlich oft am falschen Ort sein und Sachen wieder abbrechen. Ich habe da keinen besonders guten Instinkt."

Jetzt müsste Benjamin von Stuckrad-Barre eigentlich zur Krankengymnastik, aber wir labern gerade so angenehm egal vor uns hin, an einer Straßenecke am Kurfürstendamm. "Im Stehen spricht man wahrer", hatte Stuckrad-Barre eben gesagt, auch in seiner Talkshow müssen sich die Gäste, Marina Weisband, Erwin Huber, Sahra Wagenknecht, am Anfang vor ihn hinstellen und Fragen beantworten.

Und so, im Stehen, geht es noch schnell über seine Helden Kempowski, Udo Lindenberg, Hans Magnus Enzensberger, über Rainald Goetz, über Berlin ja oder nein (ja) und noch mal darüber, ob Stuckrad-Barre es eigentlich auch merkt, dass er in seinen Gesprächspartnern enormen Konkurrenzdruck auslöst. Dass er sogar den Literaturkritiker Denis Scheck, kein Mann großer Selbstzweifel eigentlich, dazu gebracht hat, in einem Interview mit Stuckrad-Barre mithalten zu wollen, genauso cool sein zu wollen, weit vorn, bestens angezogen, amtlich informiert. Ist das nicht unfassbar anstrengend?

Stuckrad-Barre geht nicht so recht darauf ein. Redet über das Interview an sich, die komische Situation der gegenseitigen Erwartung und Übertrumpfung, und dann sagt er: "Was habe ich eben geantwortet, als Sie gefragt haben, wann mein neuer Roman erscheint? ,Wenn er fertig ist.' Die ehrliche Antwort wäre: ,Ich weiß es nicht. Ich habe Angst, dass ich es nicht kann, ich habe Angst, dass ich es noch nie gekonnt habe.' Das ist ja eigentlich die Wahrheit."

Nein, die Wahrheit ist, dass es zwar toll wäre, wenn Benjamin von Stuckrad-Barre endlich einen neuen Roman schriebe, dass es andererseits aber nicht schlimm wäre, falls es nicht mehr dazu käme, solange er die Gegenwart einfach immer weiter mit seinen Mitteln aufzeichnet. Es gibt nicht viele Autoren, die das im Fernsehen und in Texten gleichzeitig täten. Es gibt eigentlich keinen in seinem Alter, der beides gleichzeitig könnte.

TOBIAS RÜTHER

Benjamin von Stuckrad-Barre: "Deutsches Theater", 363 Seiten, 12,95 Euro; "Auch Deutsche unter den Opfern", 336 Seiten, 14,95 Euro (beide Kiepenheuer & Witsch). Siehe auch Medienseite

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»Kein Wort ist überflüssig. An einigen Stellen dachte ich: Donnerwetter!« Walter Kempowski