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Feindinnen und Freundinnen, Rivalinnen und Vertraute - fünfzehn Biographien deutscher Schwestern. Porträtiert werden u.a. Bettine und Gunda Brentano, Dorothea und Henriette Mendelssohn, Maria und Eugenie Schumann, Jenny, Laura und Eleanor Marx, Inge und Sophie Scholl, Alice und Ellen Kessler.
Hinter bekannten Namen warten unbekannte Geschichten. Biographische Porträts von Schwestern aus drei Jahrhunderten.

Produktbeschreibung
Feindinnen und Freundinnen, Rivalinnen und Vertraute - fünfzehn Biographien deutscher Schwestern. Porträtiert werden u.a. Bettine und Gunda Brentano, Dorothea und Henriette Mendelssohn, Maria und Eugenie Schumann, Jenny, Laura und Eleanor Marx, Inge und Sophie Scholl, Alice und Ellen Kessler.
Hinter bekannten Namen warten unbekannte Geschichten. Biographische Porträts von Schwestern aus drei Jahrhunderten.
Autorenporträt
Katharina Raabe, geboren 1957 in Hamburg, ist Lektorin für osteuropäische Literaturen im Suhrkamp Verlag. 2015 erhielt sie den Deutschen Sprachpreis für eine "außergewöhnliche Lebensleistung" und ihre Verdienste für die Gegenwartsliteratur Osteuropas.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.08.1997

Wir wollen sein kein einig Volk von Schwestern
Und mit der Asche von Eleanor schmücken wir das Büro: Vierzehn Nadelstiche als Beitrag zur schmerzhaften Schwesternforschung

Eine niedrige Geburtenrate bringt heute viele Mädchen um die Erfahrung, mit einer Schwester aufzuwachsen. Auf der anderen Seite hat die neue Frauenbewegung sich als Schwesternverschwörung inszeniert und hoffnungsvoll unterstellt, Schwesterlichkeit sei die auf Gleichheit, wechselseitiges Verständnis und Solidarität zielende Urstimmung des weiblichen Menschen. Worauf sich diese Hoffnung gründet, ist dem Leser dieser vierzehn Porträts wirklicher Schwestern, die in den vergangenen zweihundert Jahren gelebt haben oder noch leben, ziemlich unerfindlich. Zieht man das Andauern der Familienbande und deren verhaltene Pflege auch durch Schwestern und unter Schwestern einmal nicht in Betracht, dann bleibt wenig, was das Schwesternschicksal als soziale Ressource positiv kennzeichnet.

Lange ehe die neue Frauenbewegung sich zu Wort gemeldet hat, befand denn auch Margaret Mead, daß von allen Familienkonstellationen die schwesterliche am stärksten von Rivalität und Konkurrenz bestimmt sei. Dafür gibt es natürlich zahlreiche handfeste soziale, in subtile psychische Verstrickungen von Personen übersetzte Gründe, deren Ausleuchtung die Autoren zugunsten der biographischen Erzählung leider eher als Nebensache behandeln.

Verhängnisvoller für Mädchen als für Jungen hat sich der sogenannte Kindersegen in der Vergangenheit ausgewirkt. Das Lob der Mutterliebe mußte desto lauter gesungen werden, je mürrischer eine Königin Luise oder eine Clara Schumann eine Schwangerschaft nach der anderen hinter sich brachte. Kinder waren eine Last, und in Töchtern mochten Mütter die Wiederkehr ihres eigenen Schicksals beklagen. Unbewußt stifteten sie mehr als die im Vordergrund lärmenden Patriarchen eine Tradition weiblicher Mutlosigkeit, die das Schneckentempo der Emanzipation begreiflicher macht als der Widerstand der Verhältnisse. Letztere waren so unflexibel und festgefügt nicht, wie man am Beispiel des vielgepriesenen Schwesternquartetts der Prinzessinnen von Mecklenburg-Strelitz sehen kann.

Fügten sich Charlotte und Luise den Erwartungen, die an Ehefrauen und Mütter, an Fürstinnen und Königinnen gestellt wurden, so taten das Therese und Friederike keineswegs. Ehe letztere mit Ende Dreißig zum dritten Mal heiratete, hatte sie der ehrbaren Luise mehr als einmal Gelegenheit zu Moralpredigten gegeben. Heute können wir uns ausmalen, welchen Schaden das preußische Königshaus zu Zeiten der Regenbogenpresse durch diese unkontrollierbare Verwandte genommen hätte. Noch mehr Affären und viele uneheliche Kinder sagte man Therese von Thurn und Taxis nach. Leider wird nicht überliefert, wie sie damit im katholischen Regensburg durchkam und wie sie es anstellte, ihren Gatten kaltzustellen und die Herrschaft des Postimperiums zu übernehmen - mit großem Erfolg nebenbei. Die Schönheit der Schwestern machte das Quartett zur Pop-Ikone der Zeit. Es ist gut zu wissen, daß wenigstens zwei von ihnen die Anmut mit dem Geschmack an weiblicher Freiheit und Selbstbestimmung zu komplettieren wußten, obwohl die Zeiten noch nicht danach waren.

In besserem Licht als vordem erscheint ein zweites Schwester-Quartett, Mozarts "Weberische": Aloysia, Constanze, Josepha und Sophie. Mit der ersten, einer hervorragenden Sängerin, hatte Mozart eine romantische Affäre; die zweite, vielgescholten, hat er dann geheiratet. Die Autorin räumt mit all den Vorurteilen auf, welche eifersüchtige Mozart-Fans auf die "Weberischen" allgemein und Constanze im besonderen projiziert haben. Das ist schon wegen der Quellenlage eher eine musikkritisch geführte Ehrenrettung der Liebesehe von Wolfgang und Constanze denn eine Schwesterngeschichte. Immerhin haben die drei überlebenden Schwestern schließlich gemeinsam ihr Leben in Salzburg zu Ende geführt, aus welchen Gründen bleibt dunkel.

Als Schwesterngeschichte eher unergiebig sind auch Elli, Valli und Ottla Kafka. Gewiß hätten auch sie Grund gehabt, folgt man dem Tenor der Darstellung, einen "Brief an den Vater" oder gleich ans bürgerliche Patriarchat zu schreiben (wieder einmal bleibt die Mutter außen vor). Der Untergang der Schwestern als Opfer des Holocaust relativiert solche Widrigkeiten allerdings entsetzlich. Elli und Valli starben im Ghetto von Lodz. Ottla überlebte länger, weil sie mit einem Nichtjuden verheiratet war, von dem sie sich aber zum Schutz ihrer Kinder scheiden ließ. Sie kam nach Theresienstadt und von dort als Begleiterin einer Gruppe von Waisen nach Auschwitz.

Der überwiegende Rest der hier überlieferten Schwesterngeschichten ist gräßlich bis horribel, auch wenn die Autoren sich beharrlich weigern, die Sache beim Namen zu nennen oder ihr auf den Grund zu gehen. Aus der Tatsache, daß eine in zweiter Ehe der Mutter nachgeborene Schwester an Krebs erkrankt und zehnjährig daran gestorben ist, hat Petra Kelly eine ökologische Weltsicht mit dem entsprechenden Missionsgeist entwickelt. Jeder halbwegs aufgeklärte Leser müßte sich fragen, welche Eifersucht, welcher Haß hier am Werke waren, um bei einer intelligenten, gebildeten Person solche exorbitanten Reaktionen zu provozieren. Hinter der Idealisierung der Günzburger Großmutter, die Petra Kelly erzogen hat, erkennt man den Schmerz, den berühmten "Glanz im Mutterauge" nie erblickt zu haben, im Unterschied zu Grace Patricia, der Nachgeborenen und Schwester.

Wenig erfreulich auch das Kapitel über die drei Töchter von Karl und Jenny Marx, geborene von Westphalen. Der Vater wollte ihnen das Schicksal der Polit-Boheme ersparen, dem er seine Frau ausgesetzt hatte, bis ihr Erbe der Familie einen bürgerlichen Lebenszuschnitt ermöglichte. Die Ehrenrettung von Marx als Familienvater ist plausibel, die Geschichte der Schwestern dennoch eher schwarz. Die Lieblingstochter Jenny stirbt früh an Blasenkrebs. Eleanor verwickelt sich in ein langjähriges masochistisches Liebesverhältnis und begeht Selbstmord, nachdem sie erfahren hat, daß der unwürdige Dr. Aveling nun auch noch heimlich eine andere geheiratet hat. Selbstmord begeht später auch die mittlere Marx-Tochter Laura, verehelichte Lafargue, gemeinsam mit ihrem Ehemann. Was schwesterngeschichtlich interessant wäre, wissen wir auch nicht: Warum hat die letzte überlebende Marx-Tochter Laura nicht einmal Sorge dafür getragen, daß die Asche ihrer jüngsten Schwester unter die Erde kam? Bis 1967 stand die Urne in einem Pariser Büro, ehe sie in Highgate beigesetzt wurde. Der gröbliche Verstoß gegen die Gesetze der Pietät wird, wie viele andere Sonderbarkeiten schwesterlichen Betragens, wohl vermerkt, aber nicht als Datum schmerzlicher Schwesternforschung begriffen.

Daß aus Kinderstubenarrangements ganz ohne Zutun des Patriarchats lebenslange Schwesterndramen werden können, zeigt die Geschichte von Lilly und Ricarda Huch. Vielleicht kommt es nicht so selten vor, daß jüngere Schwestern ein Auge auf die Verehrer der älteren werfen; und daß diese Verehrer verführbar sind, mag auch einmal passieren. Warum Ricarda Huch fast lebenslang, trotz Studium, Schriftstellerkarriere, Ehe und Liebesverhältnissen anderswo, nicht davon lassen konnte, ein Trio infernale mit Schwester und Schwager zu inszenieren, müßte einmal eine Psychoanalytikerin ergründen. Die Leidtragende war die vernünftige, ältere Schwester, die mehrfach versuchte, durch Rückzug dem angeblichen Glück der Schwester den Weg zu ebnen. Natürlich vergebens, denn nicht auf den Mann, sondern aufs hysterische Drama hatte Ricarda Huch es ja abgesehen.

Das ist gewiß eine krasse Geschichte, aber auch die übrigen Schwestern hatten es schwer miteinander. Die Sammlung regt an, über die Gründe dafür nachzudenken und andere als die inzwischen konventionellen Deutungsmuster zu finden. KATHARINA RUTSCHKY

"Deutsche Schwestern." Vierzehn biographische Porträts. Hrsg. von Katharina Raabe. Rowohlt Verlag, Berlin 1997. 463 S., Abb., geb., 45,- DM.

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