Marktplatzangebote
7 Angebote ab € 2,90 €
  • Broschiertes Buch

Deutsch, aber glücklich - ist das ein Widerspruch? Gewiß. Wir haben uns daran gewöhnt, aus sehr viel Wohlstand relativ wenig Glück und Zufriedenheit zu ziehen. Bisher lag darin kein allzu großes Problem; schließlich wuchs der Wohlstand ja unablässig; das erleichterte. Jetzt aber sind die Zeiten überquellenden Reichtums vorbei. Nie wieder werden so viele Menschen so reich und so sicher leben wie in den westlichen Wohlstandsgesellschaften am Ende des 20. Jahrhunderts. Politiker und Bürger stehen vor einer völlig neuen Herausforderung. In Zukunft nämlich muß weniger Wohlstand genügen, um…mehr

Produktbeschreibung
Deutsch, aber glücklich - ist das ein Widerspruch? Gewiß. Wir haben uns daran gewöhnt, aus sehr viel Wohlstand relativ wenig Glück und Zufriedenheit zu ziehen. Bisher lag darin kein allzu großes Problem; schließlich wuchs der Wohlstand ja unablässig; das erleichterte. Jetzt aber sind die Zeiten überquellenden Reichtums vorbei. Nie wieder werden so viele Menschen so reich und so sicher leben wie in den westlichen Wohlstandsgesellschaften am Ende des 20. Jahrhunderts. Politiker und Bürger stehen vor einer völlig neuen Herausforderung. In Zukunft nämlich muß weniger Wohlstand genügen, um Sozialstaat und Demokratie zu erhalten - und um glücklich zu sein. Wie dies gelingen kann, zeigt Bernd Ulrich in seinem Buch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.1997

Wäre die Rückkehr in die Familie ein Unglück?
Die "Wende zum Weniger" und das Prinzip Hoffnung

Bernd Ulrich: Deutsch, aber glücklich. Eine neue Politik in Zeiten der Knappheit. Alexander Fest Verlag, Berlin 1997. 175 Seiten, 36 Mark.

In den westlichen Industriestaaten, vor allem aber in Deutschland gilt das in fünf Nachkriegsjahrzehnten erreichte Maß an Wohlstand, sozialer Sicherheit und individueller Unabhängigkeit als ein Standard, den verlassen zu müssen als Katastrophe empfunden wird. "Wer um 1950 in einem der westlichen Länder geboren wurde, lebte in einem Zeitkorridor aus Freiheit und wachsendem Wohlstand, konnte alles für möglich halten, weil täglich mehr möglich war", schreibt Bernd Ulrich in seinem Buch über eine "neue Politik in Zeiten der Knappheit". Mancher habe in den achtziger Jahren geglaubt, es könnten mit dreißig Arbeitsjahren und 35 Arbeitsstunden pro Woche sechzig arbeitsfreie Lebensjahre finanziert werden, dreißig Jahre Ausbildung, dreißig Jahre Rente und Pflege.

Es ist nun an dieser Generation, ihren Irrtum einzusehen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Ulrich beschreibt überzeugend die letzten fünfzig Jahre als "allzu bequemen Sonderfall", der unter einmaligen Bedingungen möglich geworden sei, sich aber nicht in die Zukunft fortdenken lasse. Ein historischer Ausnahmezustand allgemein wachsenden Wohlstandes gehe zu Ende. Eine "Wende zum Weniger" sei unausweichlich. Sie breche entweder katastrophisch über die westlichen Gesellschaften herein, oder sie werde verstanden und gestaltet.

Ulrich hat ein erhellendes, ein kluges Buch vorgelegt. Er beschreibt und analysiert präzise die zu Ende gehende Ausnahme-Epoche in ihren wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und mentalen Ausprägungen. Er führt vor, wie weit die Politiker, wie weit Regierung und Opposition noch davon entfernt sind, die Bedeutung des Epochenbruchs zu erfassen. Noch immer klammern sie sich an den Glauben, die gegenwärtige Krise sei nur eine vorübergehende Abweichung vom Wohlstands- und Wachstumspfad. Für kurze Zeit nur sei der Gürtel enger zu schnallen, dann könne es wieder in der gewohnten Weise weitergehen.

Vor allem ist das Buch ein Appell, die Erwartungen an die Politik zurückzuschrauben und scheinbar unbestreitbare Ziele der Politik - etwa "soziale Gerechtigkeit" - in Frage zu stellen und unvoreingenommen neu zu durchdenken. "In unzeitgemäßen Ansprüchen liegt, soviel scheint außer Frage zu stehen, der größte soziale Sprengstoff", lautet eine der Thesen, die den größten Teil der politischen Klasse in Deutschland eigentlich vor Schrecken oder Zorn erblassen lassen müßten. Zu solch unzeitgemäßen Ansprüchen zählt Ulrich auch den auf einen die persönliche wirtschaftliche Unabhängigkeit sichernden Arbeitsplatz für jeden. Das Streben nach persönlicher Autonomie sei die Hauptursache der nicht mehr zu befriedigenden Nachfrage nach Arbeit. Darüber, wie diese Nachfrage einzudämmen sei, werde noch nicht genügend diskutiert. Wer Glück, ein gelungenes Leben nur in Erwerbsarbeit und Emanzipation sucht, wird es in Zukunft immer schwerer haben. Ulrich legt Pfade frei, die unter einem Gestrüpp von Tabus verborgen sind. Wäre eine dauerhaft niedrigere Erwerbsquote, so könnte man fragen, ein Unglück, wenn Männer und Frauen in die Familien, "an den Herd", zurückkehrten? Solange die Systeme sozialer Sicherheit an der Erwerbsarbeit hängen, ist dieser Gedanke undenkbar. Aber diese Systeme werden ohnehin zerbrechen.

So realistisch Ulrich in seiner Diagnose ist, so sehr setzt er auf das Prinzip Hoffnung, wenn es um die Frage geht, wie denn die "Wende zum Weniger" politisch ins Werk gesetzt werden soll. Dem Staat traut er wenig zu. Um so mehr der Fähigkeit der Gesellschaft zur Selbstaufklärung. Die Politik nicht als Entscheidungsmaschine, sondern als ein theatralisch inszeniertes "großes Selbstgespräch der Gesellschaft" erscheint ihm als Medium, in dem und durch das der notwendige Einstellungswandel herbeigeführt werden kann. Hier träumt der Intellektuelle dann doch vielleicht von einer Republik, die nicht von dieser Welt der organisierten Interessen ist. ECKHARD FUHR

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr