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Neu an der Darstellung des Themas ,Einzigkeit" eines Gottes ist der Versuch, den für die Bibel und dann für das Judentum als Glaubensbekenntnis zentralen Text Deuteronomium 6,4 (das Schma Jisrael) im Rahmen der altorientalischen Argumentation für die Einzigkeit eines Gottes zu verstehen. Die Vorgeschichte des Schma Jisrael läßt sich bis in die Baal-Texte aus Ras Shamra / Ugarit zurückverfolgen.

Produktbeschreibung
Neu an der Darstellung des Themas ,Einzigkeit" eines Gottes ist der Versuch, den für die Bibel und dann für das Judentum als Glaubensbekenntnis zentralen Text Deuteronomium 6,4 (das Schma Jisrael) im Rahmen der altorientalischen Argumentation für die Einzigkeit eines Gottes zu verstehen. Die Vorgeschichte des Schma Jisrael läßt sich bis in die Baal-Texte aus Ras Shamra / Ugarit zurückverfolgen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.1997

Der eifersüchtige Gott
Konkurrenz belebt das Gebet: Oswald Loretz glaubt nicht an die monotheistische Religion / Von Jan Assmann

Der Mann Moses und die monotheistische Religion", dieser Buchtitel Sigmund Freuds faßt die allgemeine Überzeugung brennpunktartig zusammen, daß der Monotheismus, der Glaube an einen und nur einen Gott, der die Vorstellung anderer Götter kategorisch ausschließt, auf Israel zurückgehe und sich mit der Gestalt des Mose verbinde.

Zwar hat die alttestamentliche Wissenschaft seit langem klargestellt, daß der Monotheismus in diesem strengen Sinne erst am Ende einer langen Entwicklung steht und sicher nicht in die Zeit des Mose (die man in das dreizehnte Jahrhundert vor Christus setzt), sondern allenfalls auf die Zeit der babylonischen Gefangenschaft im sechsten Jahrhundert zurückgeht, aber man hat doch nicht bezweifelt, daß der Eingottglaube die Errungenschaft Israels darstellt. Ihren reinsten Ausdruck findet sie im ersten Gebot - "Du sollst keine Götter haben neben mir" - und im Schma-Gebet: "Höre Israel, Jahweh ist unser Gott, Jahweh ist einzig!" Oswald Loretz, der Münsteraner Alttestamentler und Ugarit-Forscher, entzieht in seinem neuen Buch der Frage nach dem Ursprung des Monotheismus auch noch diese letzten Anhaltspunkte.

Das erste Gebot bestreitet nicht die Existenz anderer Götter, sondern verbietet die Herstellung und Anbetung von Ahnenfiguren. Auch das Schma-Gebet bestreitet die Existenz anderer Götter nicht. Der entscheidende Satz heißt: "Jahweh ist unser Gott", Jahweh und kein anderer. In dieser Rolle und Beziehung ist Jahweh einzig. Daher sollen wir ihn lieben "von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit ganzer Kraft". Es ist eine Einzigkeit der Beziehung, nicht der Existenz. Ebenso wie eheliche Treue nur unter der Voraussetzung anderer möglicher Sexualpartner ein Ideal sein kann, ist auch der Eingottglaube nur unter der Voraussetzung anderer Götter eine sinnvolle religiöse Idee. Von der Metapher der Ehe machen die biblischen Texte ja auch reichlich Gebrauch.

Der "theoretische Monotheismus", der die Existenz anderer Götter kategorisch bestreitet und nur eine einzige Gottheit anerkennt, ist für Loretz im Ursprung kein religiöser, sondern ein philosophischer Gedanke, der sich zuerst bei griechischen und jüdischen Philosophen wie Philo von Alexandrien findet. Der Bibel ist dieser Gedanke fremd. Die "Einzigkeit Gottes" ist ein im Grunde mythisches Theologumenon - Loretz sagt "Argumentationsmodell" -, das seinen eigentlichen Sinn nur vor dem Hintergrund einer Götterwelt erhält.

In den Texten aus Ugarit, einer syrischen Hafenstadt des vierzehnten und dreizehnten Jahrhunderts vor Christus, finden sich ähnliche Aussagen in bezug auf Baal, den Wetter- und Fruchtbarkeitsgott. Baal feiert im Herbst sein Neujahrs- und Thronbesteigungsfest; dann singen die Götter: "Unser König ist der allmächtige Baal, unser Richter, über dem niemand ist." Baal ist der einzige, der Götter und Menschen als König mit Nahrung und Recht zu versorgen imstande ist. Darin liegt seine Einzigkeit. Es ist die Einzigkeit dessen, der als Herrscher, Versorger und Nothelfer in Betracht kommt.

Dieses "Argumentationsmodell" wird von Israel auf Jahweh übertragen und erfährt im Zusammenhang mit dem Bundesgedanken noch eine besondere politische Verschärfung. Denn Jahweh herrscht nicht über die Götter, sondern über sein auserwähltes Volk. Zu den Göttern unterhält Jahweh, im Unterschied zu Baal, gar keine Beziehungen, nicht einmal die der Einzigkeit. Alle Beziehungen werden hier auf das "Volk" umgebucht, das daher auch zum Objekt der Eifersucht Gottes wird. Durch sein Bündnis mit Israel hat Gott sich von den anderen Göttern ebenso entfremdet, wie Israel aus den Völkern herausgehoben wurde.

Die Einzigkeit Jahwehs muß man im engsten Zusammenhang mit der Einzigkeit des auserwählten Volkes verstehen. So wie die Auserwähltheit nur "Israel unter den Völkern" zukommt und sinnlos wäre, wenn es nur ein einziges Volk gäbe, so kommt auch die göttliche Einzigkeit nur "Jahweh unter den Göttern" zu und verliert ihren Sinn, wenn es nur einen Gott gibt. Jahweh - diesen Punkt kann man vielleicht der Argumentation von Loretz noch hinzufügen - ist nicht nur "einzig" im Sinne der Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit, er geht auch, anders als Baal, das Risiko der Einsamkeit ein. Er ist angewiesen auf die Zuwendung und Treue des Volkes "von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit ganzer Kraft".

Diese Deutung des biblischen Eingottglaubens rückt die biblischen Texte nicht nur näher an entsprechende Einzigkeitsprädikationen in ugaritischen, babylonischen und ägyptischen Texten heran, sondern läßt in diesem Kontext die Sonderstellung der biblischen Religion noch schärfer hervortreten. Es handelt sich hier also keineswegs um einen Rückfall in die "religionsgeschichtliche Schule", die überall Parallelen sah und alle Differenzen aus dem Auge verlor. Loretz geht es durchaus um den Unterschied; nur versteht er ihn nicht im Sinne von Polytheismus versus Monotheismus, sondern im Sinne einer Umbuchung der Einzigkeitsidee vom Mythos zur Geschichte und vom Kosmischen zum Politischen.

Jahweh ist kein Gott des Wetters, sondern der Geschichte und herrscht nicht über die Götter, sondern über sein auserwähltes Volk. Baal ist einzig, weil nur er als Wetter- und Fruchtbarkeitsgott Menschen und Götter versorgen kann. Jahweh ist einzig, weil nur er durch sein Gesetz die Masse zum "Volk" zu organisieren und durch seine geschichtlichen Heilstaten das Volk zu führen und zu befreien vermag.

In beiden Fällen handelt es sich um eine Einzigkeit der Beziehung, die als "Königtum" verstanden wird. "Gott und Königsein", schreibt Loretz, "bedingen sich gegenseitig als Wesensmerkmale und bilden gegenseitig eine Einheit." Aber während die altorientalische Religionsgeschichte lauter Schöpfer-, Fruchtbarkeits- und Königsgötter kennt, steht Jahweh als Gesetzgeber unter den Göttern des alten Orients einzig da. In dieser Umbuchung einer traditionellen Königssemantik liegt das umwälzend Neue der biblischen Religion. In der Ersetzung des Polytheismus durch den Monotheismus besteht es nicht. Polytheismus und Monotheismus sind vielmehr Begriffe eines philosophischen Diskurses, die als solche überhaupt erst im späten siebzehnten und frühen achtzehnten Jahrhundert geprägt wurden und deren religionswissenschaftliche Rückprojektion auf die Antike unser Verständnis entscheidend behindert. Nicht einmal für Deuterojesaja will Loretz einen "theoretischen Monotheismus" gelten lassen.

Die Thesen dieses Buches sind brisant genug; der Leser muß sie freilich unter einer Unmenge reiner Forschungsberichte ausgraben und im Zuge einer mäandernden, immer wieder zu schon behandelten Punkten zurückkehrenden Darstellungsweise im Auge behalten. Hier baut nichts in einer dem Leser erkennbaren Weise aufeinander auf. Manche Kapitelüberschriften, zum Beispiel "Das Trauma des Monotheismus", erwecken Erwartungen, denen der folgende Text (in dem das Wort "Trauma" gar nicht vorkommt) nicht im mindesten entspricht. Das Ganze wirkt wie eine auf halbem Wege zu einem Buch abgebrochene Kompilation aus Exzerpten, Referaten und Notizen. Der Leser, der sich von dieser eklatanten Organisationsschwäche des Buches nicht abschrecken läßt, wird mit einer Fülle bibliographischer, philologischer und religionswissenschaftlicher Informationen, Einsichten und Thesen reichlich belohnt.

Oswald Loretz: "Des Gottes Einzigkeit". Ein altorientalisches Argumentationsmodell zum "Schma Jisrael". Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1997. 204 S., geb., 68,- DM.

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