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Ein Buch, das Oligarchen nicht lesen wollen: wie Großbritannien der Diener von Milliardären, Finanzbetrügern, Kleptokraten und Kriminellen wurde. Die Suezkrise von 1956 gilt als der Tiefpunkt der britischen Geschichte im 20. Jahrhundert, der Moment, in dem eine globale Supermacht in die Knie gezwungen wurde. In den berühmten Worten des US-Außenministers Dean Acheson: »Großbritannien hat sein Reich verloren, aber noch keine neue Rolle gefunden.« Das entsprach nur der halben Wahrheit, denn Großbritannien hatte schon eine neue Rolle gefunden und das Kostüm dazu lag auch schon bereit. Die Welt…mehr

Produktbeschreibung
Ein Buch, das Oligarchen nicht lesen wollen: wie Großbritannien der Diener von Milliardären, Finanzbetrügern, Kleptokraten und Kriminellen wurde. Die Suezkrise von 1956 gilt als der Tiefpunkt der britischen Geschichte im 20. Jahrhundert, der Moment, in dem eine globale Supermacht in die Knie gezwungen wurde. In den berühmten Worten des US-Außenministers Dean Acheson: »Großbritannien hat sein Reich verloren, aber noch keine neue Rolle gefunden.« Das entsprach nur der halben Wahrheit, denn Großbritannien hatte schon eine neue Rolle gefunden und das Kostüm dazu lag auch schon bereit. Die Welt hatte es nur noch nicht bemerkt. Oliver Bullough enthüllt in diesem Buch, wie Großbritannien zu einem der zentralen Orte der globalen Offshore-Ökonomie und zum Handlanger der Oligarchen, Kleptokraten und Kriminellen dieser Welt wurde. Denn während Großbritannien nach außen gerne die Werte des Fairplay und der Rechtsstaatlichkeit betont, gibt es wenige Länder, die die globale Anti-Korruptions-Anstrengung mehr behindern und von einem unregulierten Finanzmarkt mehr profitieren.
Autorenporträt
Oliver Bullough, geb. 1977, hat in Oxford Geschichte studiert und arbeitet als Journalist u.a. für den Guardian, die New York Times und als freier Autor. Auf Deutsch erschien zuletzt »Land des Geldes« (2020).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2023

Saustall
of London
Oliver Bullough erzählt brillant und unterhaltsam,
warum Großbritannien zum Butler von Finanzhaien,
Oligarchen und Steuerschlupfloch-Fans wurde
VON VIOLA SCHENZ
nfang der 1990er-Jahre importierte Gibraltar so viele Zigaretten, dass jeder Gibraltarer täglich sieben Packungen rauchen konnte. Theoretisch jedenfalls, die meisten Kippen wanderten nämlich direkt weiter nach Spanien. Möglich war das auch, weil der damals regierende „Chiefminister“, der Sozialist Joe Bossano, den Schmuggel indirekt unterstützte und Geschäftsleute „ermutigte“, ihr Geld in Schnellboote zu investieren. Der illegale Handel brachte seiner Regierung 16 Millionen Pfund im Jahr ein, die kriminellen Banden, die ihn kontrollierten, erwirtschafteten einen hübschen Profit. Die spanische Regierung jedoch koste­te er Hunderte Millionen Pesetas an verlorenen Zöllen. Jahrelang weigerte sich Bossano, dem Treiben Einhalt zu gebieten; er ließ sich erst dazu bewegen, als die Regierung in London drohte, ihren Außenposten wieder direkt zu verwalten. Von da an konzentrierten sich die Gibraltar-Regenten auf andere Einnahmen: steuerbegünstigte Online-Sportwetten und Offshore-Finanzpakete. Beides ist eh lukrativer.
Gibraltar ist nur ein Beispiel für Großbritanniens verkommenes Finanz- und Bankensystem. „Finanzbetrug geschieht im Vereinigten König­reich nicht einfach, er wurde hier jahrzehntelang durch konzertierte Bemühungen gefördert“, schreibt der Journalist Oliver Bullough in einer gnadenlosen wie deprimierenden Abrechnung mit seiner Heimat. Deren Regierungen waren und sind auf sämtlichen Augen blind, was Finanzdienstleistungen angeht, egal ob in Überseegebieten wie Gibraltar, den Jungfern- und den Cayman-Inseln oder im Herzen der Hauptstadt, der City of London. „Der Welt zu Diensten“ versammelt schmutzige Geschichten über eine Nation, die ihre Immobilien, ihre Fußballklubs und ihren guten Namen an den zwielichtigsten und höchsten Bieter verhökert, ohne Fragen zu stellen.
Natürlich steht Großbritannien damit nicht allein da, auch andere Länder helfen Kleptokraten und Kriminellen bei Kapitalanlagen, in Dubai, Sydney, Liechtenstein und Curaçao ebenso wie in der Schweiz oder in New York. Ganze Regionen profitieren von Geldwäsche, das Schattenbanksystem, so Bullough, sei schließlich von Natur aus grenzübergreifend. Doch England sei schlimmer, es fungiere schon lange als gigantisches Schlupfloch, das Regulierungen außer Kraft setze oder Steuersätze drücke.
Oliver Bullough, 1977 geboren, wuchs auf einer walisischen Schaffarm auf, studierte in Oxford Geschichte und blickt auf eine wilde Journalistenkarriere zurück. Für den Guardian oder die Nachrichtenagentur Reuters schrieb er über die Tschetschenienkriege, er arbeitete in St. Petersburg und in Kirgistan. Das englische Original („Butler to the World“), bereits im Juni 2022 erschienen, landete auf der Longlist des Business Book of the Year Award der Financial Times. Es fußt in Teilen auf früheren Artikeln und ist quasi die Fortsetzung von „Land des Geldes (2020), das ebenfalls illegalen Finanzflüssen nachgeht.
Alles begann 1956 mit der Suezkrise, als die Supermacht Großbritannien in die Knie gezwungen wurde und die Kontrolle über den Suezkanal verlor, die Schlagader der weltweiten Schifffahrt. Das britische Establishment musste sich nach anderen Einnahmequellen umsehen, um den gewohnten Luxus beizubehalten. Die „unübertroffene Finanz- und Rechtsinfrastruktur“, so Bullough, die es dem Vereinigten Königreich ermöglicht hatte, ein Viertel der Welt zu erobern, wurde umfunktioniert, um „den Wünschen von Individuen aus zweifelhaften Regimen zu entsprechen, die es manchmal gefördert hatte, und von anderen, die die Kontrolle über die Ressourcen ihres Landes an sich gerissen hatten und einen Ort brauchten, um das zu verstecken, was sie abgesahnt hatten“.
Bullough dröselt diesen Systemwechsel auf gut 260 Seiten plausibel auf. „Wir sind kein Polizist wie ihr, wir sind ein Butler, der Butler der Welt“, erläutert er einem amerikanischen Gesprächspartner. Diesen Butler charakterisiert er so: Jemand, der gegen Geld alles ermöglicht, ein Vollstrecker gegen Barzahlung, der die Realität dessen, was er tut, versteckt hinter „kauzigen Traditionen, literarischen Anspielungen, makellos geschneiderten Anzügen, Verweisen auf den Zweiten Weltkrieg und Arroganz“.
Alte Kolonialisten fanden also eine neue Nische, indem sie entfernte Niederlassungen des Empires als Zufluchtsorte für Plünderer einrichteten, indem sie ihr ausgeklügeltes Fachwissen nutzten, das Kleingedruckte von Briefkastenfirmen zu formulieren, die es Multimillionären und Konzernen ermöglichten, das zu vermeiden, was sie am wenigsten wollten: Steuern zahlen. Die Regierungen des Vereinigten Königreichs handelten derweil nach dem heuchlerischen Prinzip: Wenn wir es nicht tun, wird es jemand anderes tun.
Förderlich für dieses Unwesen war und ist das britische Elitewesen, wo man sich aus gemeinsamen Eton- und Oxford-Tagen kennt, einander vertraut und sich gegenseitig deckt. In diesem eingeschworenen Establishment sprechen die Insider einander mit Vornamen an, Außenstehende aber mit Nachnamen, was sich in Briefen und Dokumenten der City-Archive nachlesen lasse. „Das führte dazu, dass den Insidern – jenen Männern, die als Charles oder Louis angesprochen wurden, statt als Smith oder Perkins – fast alles verziehen wurde“, schreibt Bullough.
Nicht nur Diktatoren irgendwo auf der Welt verstecken via Großbritannien ihr Geld, auch russische Oligarchen waschen so ihre Westen weiß. Wirtschaftskriminelle wie Roman Abramowitsch oder Boris Beresowski, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und einer gezinkten Versteigerung des sibirischen Erdölgiganten Sibneft ein Millionenvermögen ergattert hatten. Oder Alexander Lebedew, einstiger KGB-Oberst, Eigentümer der englischen Zeitungen The Independent und Evening Standard, dem sein enger Freund Boris Johnson die Baronswürde verlieh. Als Johnson im Dezember 2019 seinen Wahlsieg feierte, tat er das in Lebedews Palais am Rand des Regent’s Park. „Seit den 1990ern hatten britische Politiker russisches Geld sehr begrüßt. Sie hatten sich gefreut, wenn Oligarchen Fußballvereine kauften, gejubelt, wenn sie ihre Unternehmen an die Londoner Börse brachten und mit ihnen auf ihren Jachten gefeiert. Sie hatten politische Spenden gerne angenommen und die wohltätigen Stiftungen der Oligarchen unterstützt, ohne allzu viele Gedanken darauf zu verschwenden, woher das Geld kam“, lautet Bulloughs bittere Bilanz.
Wirtschaftskriminalität ist ein undankbares Thema, es ist komplex, kompliziert, staubtrocken und kann für schnüffelnde Autoren gefährlich werden. Oliver Bullough aber macht, wie es wohl nur Angelsachsen können, aus Eurodollars, Schattenfinanzindizes oder International Banking Facilities einen witzig-unterhaltsamen Wirtschaftskrimi oder greift zu einprägsamen Vergleichen: „Ich werde in den folgenden Kapiteln einige sehr große Zahlen nennen. Hunderte von Milliarden Pfund werden jedes Jahr über das britische Bankensystem gewaschen. (. . .) Wenn man von 1 auf 100 Milliarden Pfund zählen wollte, würde man, bei einem Pfund pro Sekunde, mehr als 3000 Jahre dafür brauchen. Man hätte um die Zeit des Trojanischen Krieges anfangen müssen, um jetzt ungefähr bei 100 Milliarden angelangt zu sein.“ Und er besitzt das Reportertalent, auf süffige Anekdoten und ebenbürtige Witzbolde zu treffen.
Da verzeiht man ihm, dass manches Kapitel etwas ausschweifend und detailverliebt gerät. Tatsächlich ist das Thema Geldwäsche so ergiebig, dass Bullough als Stadtführer „London Kleptocracy Tours“ anbietet, eine Rundfahrt zu den Oligarchen-Immobilien der Hauptstadt.
Das Thema scheint so oder so zeitlos zu sein, und Bullough macht wenig Hoffnung, dass sich zwischen der City of London und den Cayman-Inseln so bald etwas bessert, dass irgendein Premierminister oder Parlament sich daranmacht, den britischen Saustall auszumisten – im Gegenteil: Joe Bossano etwa brachte sein Treiben Lorbeeren von höchster Stelle ein. Am 30. Dezember 2017 schlug ihn Ihre Majestät, die Queen, zum Knight Commander des Order of St. Michael and St. George. Seitdem darf sich der Finanz-Hallodri „Sir“ nennen.
A
Nach der Suezkrise 1956
musste sich die Noch-Großmacht
neue Einnahmequellen suchen
Der Autor nutzt sein Wissen:
Er bietet für Touristen
„London Kleptocracy Tours“ an
Oliver Bullough:
Die Welt zu Diensten. Wie Großbritannien zum Butler von Oligarchen, Klepto-
kraten, Steuerhinterziehern und Verbrechern wurde. Übersetzt von Sigrid Schmid und Rita Gravert. Kunstmann-Verlag, München 2023. 272 Seiten, 26 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Gerne lernt Rezensentin Ursula Weidenfeld vom Finanzjournalisten Oliver Bullough, wie und warum London zum Paradies für Finanzverbrecher werden konnte: Er führt ein mit der Geschichte des Suez-Kanals, dessen Verstaatlichung einen enormen Rückgang der Einkünfte für England und Frankreich bedeutete. Das hat die Briten dazu gebracht, sich Oligarchen und reichen Diktatoren anzubiedern, und ihnen dabei zu helfen, ihr Geld in der Steueroase London mit immer neuen Businessideen zu vermehren und vorm Zugriff des Staates zu schützen, wie Weidenfeld schildert. Sie findet das wider Erwarten überhaupt nicht trocken, sondern spannend und durch Anekdoten auch anregend, auch wenn ihr manchmal der große Überblick verlorengeht und sie das ein oder andere schon aus dem vorherigen Buch des Journalisten kennt.

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