Marktplatzangebote
12 Angebote ab € 1,45 €
  • Broschiertes Buch

Kaum war er benannt, entbrannte auch schon der Streit um den neuen Finanzexperten in Angela Merkels "Kompetenzteam". In seinem Buch beschreibt Kirchhof seine Ideen eines neuen Steuerrets. Die ideale Gelegenheit, sein Denken besser kennen zu lernen.

Produktbeschreibung
Kaum war er benannt, entbrannte auch schon der Streit um den neuen Finanzexperten in Angela Merkels "Kompetenzteam". In seinem Buch beschreibt Kirchhof seine Ideen eines neuen Steuerrets. Die ideale Gelegenheit, sein Denken besser kennen zu lernen.

Autorenporträt
Kirchhof, Paul
Paul Kirchhof war von 1987 bis 1999 Richter des Bundesverfassungsgerichts und lehrt und forscht heute an der Universität Heidelberg.
Für seine klare Sprache im Bereich der Juristerei wurde Paul Kirchhof 2005 mit dem Jacob-Grimm-Preis für deutsche Sprache gewürdigt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2004

Lust auf ein neues Steuerrecht
Paul Kirchhof sieht die Steuer als Preis für wirtschaftliche Freiheit

Paul Kirchhof: Der sanfte Verlust der Freiheit. Verlag Hanser, München 2004, 228 Seiten, 19,90 Euro.

Der Schwung ist dahin. Schien zu Jahresbeginn die Möglichkeit einer großen Koalition der Steuerreformer auf, erlosch der Elan bald darauf im Streit um Pendlerpauschalen und Nachtzuschläge. In dieser Wahlperiode nicht mehr, winken die Matadore ab. Doch der Druck wächst. Mit der Ost-Erweiterung der EU hat die Konkurrenz attraktiver Niedrigsteuerländer zugenommen. Zugleich erregt der Steuerfall Vodafone die Gemüter. Die Steuersparversuche des Konzerns bestätigen abermals die Untiefen des deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts.

Sollte es in Deutschland je zu einer wirklichen Reform des Steuersystems kommen, wird dies dennoch vor allem das Verdienst eines Mannes sein: Paul Kirchhof. Nach wie vor gelingt es niemandem überzeugender als dem ehemaligen Verfassungsrichter, die Lust auf ein neues Steuerrecht zu wecken und die Mißstände des herrschenden Systems anzuprangern. Keiner übertrifft ihn darin, Steuermaterie zum Leben zu erwecken und ihre Bedeutung für ein wirtschaftlich blühendes, freiheitliches Gemeinwesen auszumalen. Niemand findet lockendere Argumente für ein einfaches, transparentes Einkommensteuerrecht, ein Steuerrecht gleichwohl, das dafür sorgt, daß der Staat bekommt, was ihm zusteht. Nach Kirchhofs Ansicht ist das ein Viertel des Einkommens seiner Bürger und Unternehmen - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Steuer wird gemeinhin als Zwang wahrgenommen. Kirchhof indes führt in seinem Buch vor Augen, daß die Steuer der Preis für wirtschaftliche und persönliche Freiheit ist. "Sie beläßt das Wirtschaftsleben in privater Hand, vertraut auf die freiheitlichen Initiativen des Menschen und zieht sich darauf zurück, einen maßvollen Teil des erzielten Privateinkommens und der eingesetzten Kaufkraft für den Staat zu beanspruchen." Die Steuer sei Ausdruck der Freiheit, nicht der Unfreiheit. Sie erst ermögliche die Trennung von Staat und Wirtschaft. Das steuerliche Freiheitskonzept sieht Kirchhof bedroht durch die Vielzahl der Steuerregeln, die das Verhalten des Bürgers heute lenken (sollen). Seit seinem Abschied vom Bundesverfassungsgericht Ende 1999 arbeitet Kirchhof an einem radikalen Gegenmodell. Es soll sicherstellen, daß der Staat bei größtmöglicher wirtschaftlicher Freiheit der Bürger zu Geld kommt. Grundlage bleiben die Prinzipien des Einkommensteuerrechts, das Kirchhof als "Juwel" preist, dessen Glanz indes durch Ausnahme- und Verfremdungstatbestände so getrübt sei, daß es wieder poliert werden müsse.

Sein an der Universität Heidelberg entwickelter Vorschlag lautet: Besteuert werden die am Markt gewonnenen Einnahmen, von denen nur das existenzsichernde Minimum, der erwerbssichernde Aufwand und Spenden bis zu 10 Prozent des Einkommens abgezogen werden dürfen. Besteuert werden natürliche und juristische Personen. Einnahmen aus Arbeit und Kapital werden gleich behandelt. Kirchhof kommt formal mit einem einzigen Steuersatz von 25 Prozent aus, Unterschiede im Zuschnitt der Bemessungsgrundlage sorgen allerdings dafür, daß die Steuerlast mit wachsendem Einkommen mäßig progressiv steigt. Eingebettet sehen will Kirchhof die Einkommen- und Körperschaftsteuerreform in eine umfassendere Erneuerung des Steuerrechts. Statt 31 Bundessteuern soll es künftig nur noch vier geben, zusammengefaßt zu einem Steuergesetzbuch. Neben der Einkommensteuer (ergänzt um eine kommunale Zuschlagsteuer) umfaßt es die Umsatz- und die Erbschaftsteuer sowie eine Steuer auf den Sonderverbrauch.

Der Leser hält aber kein Steuergesetzbuch in den Händen, sondern ein Werk, das ihm die Prinzipien nahebringt, auf denen ein gutes, gerechtes Steuerrecht basiert. Zu den zentralen Maßgaben gehört das Äquivalenzprinzip, nach dem der Steuerlast entsprechende Vorteile gegenüberstehen müssen. Die Belastung sollte sich zudem an der individuellen Leistungsfähigkeit ausrichten und mit der verfassungsrechtlichen Garantie des Eigentums in Einklang stehen. Kirchhof erläutert die Verfassungsvorgaben, an denen er maßgeblich mitgewirkt hat: den Halbteilungsgrundsatz, nach dem der steuernde Staat höchstens etwa die Hälfte der Erträge seiner Bürger beanspruchen darf. Bewußt verzichtet der Autor auf steuerliche Details - sie sind in seinen früheren Veröffentlichungen nachzulesen. Das Buch enthält seine Steuerphilosophie und hilft so, den Überblick zu bewahren in einer Steuerdebatte, in der zu oft nachrangige Details wichtiger genommen werden als die Grundausrichtung einer Reform. Kirchhof liefert wie schon als Verfassungsrichter Maßstäbe, an denen die Steuerpolitik zu messen ist.

Seine Vorschläge sind allerdings unter Steuerrechtlern und Finanzpolitikern umstritten. Ein Teil der Zunft hält es für utopisch, das heute 235 Paragraphen zählende Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz auf 23 zu kürzen. Man weist auf die große Zahl von ergänzenden Rechtsverordnungen hin, ohne die auch Kirchhof nicht auskommt. Der Professor kontert mit dem Hinweis, er brauche weniger als die Hälfte der heute notwendigen Durchführungsverordnungen. Das hält der Steuerrechtler Joachim Lang, der ebenfalls für eine radikale Reform ficht, für zuwenig. Es sei nicht möglich, das Steuerrecht mit einigen Generalklauseln zu regeln, weil es eine sehr komplexe Vielfalt öffentlicher und privater Interessen erfasse. Generalklauseln schafften der Finanzverwaltung zu viel Spielraum und seien streitanfällig. Die Attacken aus der Finanzpolitik richten sich auf die Finanzierbarkeit. Modellrechnung steht gegen Modellrechnung. Unterstützung findet Kirchhof immerhin bei den Ökonomen des renommierten Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Nach ihrer Einschätzung rechnet sich Kirchhofs Reform auch für den Staat.

Wie hoch aber ist der Zugewinn an Freiheit zu veranschlagen, den Kirchhof verspricht? Welchen Wert hat eine Reform, mit der Deutschland in die Nähe eines Niedrigsteuerlandes rückte? Was bedeutet es, wenn der Abgeordnete endlich wieder versteht, welches Gesetz er beschließt, und der Steuerpflichtige nachvollziehen kann, welche Last er und sein Nachbar zu tragen haben und warum? Und wie ist es zu beziffern, wenn der Staat steuerlich den Bürger nicht länger maßregelt, indem er ihn in allerlei Sparmodelle treibt? Das sind Fragen, die keine der angestellten Berechnungen erfaßt. Wer Steuerpolitik auch nach der Lektüre des Buchs noch an nackten Zahlenspielen ausrichten will, hat Kirchhof nicht verstanden.

HEIKE GÖBEL

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"In seiner Stringenz ist das Buch bestechend und in seinem Anspruch, die Menschen und die Wirtschaft vom Joch Tausender Paragraphen zu befreien, ein Maßstab." (Die Zeit)