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Mit der Reife des Alters spürt sie den Unterschieden zwischen denen nach, die gingen, und denen, die blieben, sie überdenkt ihre Träume, von denen einer sie nicht verlassen hat: Ihr Leben in einen Roman zu verwandeln.
Letitia Branea hat sich in ihrer neuen Welt eingerichtet, seit langem lebt sie mit ihrem Mann Petru Arcan in einer Kleinstadt im stillen ländlichen Frankreich . Doch kehrt sie regelmäßig nach Bukarest zurück, um das ehedem vom kommunistischen Ceau escu-Regime konfiszierte "schöne Erbe" eines Onkels zurückzuerhalten. Bei Sultana Morar, ihrer einzigen verbliebenen Freundin aus…mehr

Produktbeschreibung
Mit der Reife des Alters spürt sie den Unterschieden zwischen denen nach, die gingen, und denen, die blieben, sie überdenkt ihre Träume, von denen einer sie nicht verlassen hat: Ihr Leben in einen Roman zu verwandeln.

Letitia Branea hat sich in ihrer neuen Welt eingerichtet, seit langem lebt sie mit ihrem Mann Petru Arcan in einer Kleinstadt im stillen ländlichen Frankreich . Doch kehrt sie regelmäßig nach Bukarest zurück, um das ehedem vom kommunistischen Ceau escu-Regime konfiszierte "schöne Erbe" eines Onkels zurückzuerhalten. Bei Sultana Morar, ihrer einzigen verbliebenen Freundin aus Studientagen, wohnt sie zu diesen Anlässen - und wird von der rumänischen Vergangenheit immer wieder schmerzlich eingeholt; zu der gehört ein weitverzweigter Familien- und Bekanntenkreis und das eng verwebte Leben zwischen den Generationen; den Eltern und den Kindern, die von den Dezembertagen des Jahres 1989, als die "Revolution" eine neue Freiheit brachte, schon bald nichts mehr wissen wollen.

Für sie, mit neuen Moden und Stilen vertraut, ist der berühmte Trevi-Brunnen in Rom das Sinnbild von Liebe, freiem Leben und Rückkehr. Ein Münzwurf. Ein Versprechen.

Ein Tag Bukarest lässt in Bruchstücken ihre kollektiven wie intimen Erinnerungen wiederkehren, Erinnerungen an das gesellschaftliche Provisorium eines gelähmten Landes und an das amouröse Provisorium eines Lebens zwischen Ehemann und Geliebtem.

Letitia Branea gleitet in ihren Selbstbefragungen von einem Land und einem Leben ins andere, aus der Vergangenheit in die Gegenwart: Die Ausgewanderte holen ihre rumänischen Tage ein. Gibt es ein zweites Leben?

Was ist geblieben von der heimlichen Liebe, die sie mit dem politischen Opportunisten Sorin Olarau verband, der sie fallengelassen, verraten hat? Ihre Trennung hat sie an die Seite derer getrieben, die ins Exil gehen mussten. So wie Petru Sorin, der junge Universitätsdozent, den Letitia geheiratet hat, der seinen Beruf nicht mehr ausüben durfte und sich über den Weg durch deutsche Flüchtlingslager bei Radio Free Europe in München wiedergefunden, aber in Deutschland nie Fuß fassen konnte und rumänischen Boden nie wieder betrat. Erst als sie beide schon über 50 waren, haben sie sich in Deutschland wiedergefunden.

Letitia Braneas Mantra im reif gewordenen Leben lautet: Ich bin eine andere geworden. Sie will nicht mehr eintauchen in die Geschichte der verlorenen Jahre, sie will auf die Überraschungen der Zukunft setzen.

Mit all ihrer psychologisch raffinierten und eleganten Erzählkunst, die mehr denn je von lebendigen und temperamentvollen Dialogen des schier unüberschaubar reichen Personals je lebt, schreibt Gabriela Adamesteanu in der unterhaltsamen Selbstbeobachtung ihrer hellsichtigen Hauptfigur eine Chronik von fünfzig Jahren rumänischer Geschichte, entwirft sie ein atmosphärisches Panorama von Bukarest.

Mit weiblicher Lebensklugheit und Klarsicht, mit kühlem Pathos folgt Gabriela Adamesteanus Prosa ihren großen Themen: Liebe und Verrat, Exil, Heimat, Fremde und fremde Heimat; Schuld und Versöhnung - und Alter.

Gabriela Adamesteanus Frauengestalt Letitia Branea ist ihren Weg gegangen: Sie ist uns schon aus anderen Lektüreabenteuern vertraut. Als Hauptfigur ihrer Romane Der gleiche Weg an jedem Tag, der in den rumänischen 1950er und 60er Jahren angesiedelt war und in ihrem Buch Provisorium der Liebe (Aufbau 2021), das uns in die 70er führte. Mit Der Trevi-Brunnen hat diese rumänische "Suche nach der verlorenen Zeit", Gabriela Adamesteanus die Jahrzehnte umspannende Letitia-Trilogie, ihren krönenden Abschluss gefunden.
Autorenporträt
Gabriela Adame¿teanu, geb. 1942, ist als Schriftstellerin und Publizistin neben Norman Manea und Mircea C¿rt¿rescu eine der wichtigsten Stimmen der rumänischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Sie war Bürgerrechtlerin und Präsidentin des rumänischen P.E.N. Eva Ruth Wemme studierte Rumänistik, Germanistik, Philosophie und Musikwissenschaft in Köln, Berlin und Bukarest. Sie übersetzte Werke von Mircea C¿rt¿rescu, Nora Iuga, Ioana Nicolaie, T.O. Bobe, Ion Luca Caragiale und Nicoleta Esinencu aus dem Rumänischen ins Deutsche. Für die Übersetzung von Gabriela Adame¿teanus Roman "Verlorener Morgen" erhielt sie 2019 den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse. Seit 2008 lebt Eva Ruth Wemme als Übersetzerin und Autorin in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schlichtweg große Literatur ist Gabriela Adameșteanus Roman für Rezensent Luca Vazgec. Das Buch beschreibt einen Tag im Leben Letitial Braneas, einer Frau, die inzwischen mit ihrem Mann in Frankreich lebt, aber nun in ihre rumänische Heimat zurückgekehrt ist, um ein Erbe zu erkämpfen, das im Kommunismus enteignet wurde. Desillusioniert blickt die Hauptfigur laut Vazgec auf das kapitalistisch-demokratische Rumänien der Gegenwart, mit der sie genauso wenig anfangen kann wie mit dem Ceauşescu-Staat der Vergangenheit. Aus letzterem verfolgt sie die Erinnerung an eine Affäre und eine anschließende Abtreibung. In der Gegenwart wiederum faltet Adameșteanu einerseits ein breites Figurenpanorama auf und bedient sich andererseits der Technik des Bewusstseinsstroms, so der Kritiker. Die Vergleiche, zu denen er greift, sind hoch: An den russischen Realismus und an Proust gemahnt ihn dieses flüssig geschriebene und ihn gerade in den leisen Momenten beeindruckende Buch.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2023

Auf der Suche nach dem enteigneten Haus

Zeitgenössische Literatur im Geist des Erzählens des Fin de Siècle: Gabriela Adamesteanus Roman "Der Trevibrunnen".

Stefan Zweig war davon überzeugt, dass das Exil immer noch besser sei als das Alleinsein in der Heimat. Es steht dahin, ob er damit recht hatte. In jedem Fall erlaubt es einen anderen Blick auf das Verlassene. Letitia Branea, das Alter Ego der rumänischen Erzählerin Gabriela Adamesteanu, füllt diesen Blick mit Leben. Aus dem französischen Exil kehrt sie zurück ins Rumänien der Gegenwart und versucht, sich das im Kommunismus enteignete Erbe ihrer Familie zu erkämpfen. Letitias alte Bekannte sind zu verwestlichten Spießern geworden: Auf dem transformierten Balkan trinkt man jetzt Smoothies und schickt seine Kinder auf der Suche nach Singularitäten nach Amerika. Alles ist anders, nichts ist besser geworden, es gewinnt nur derjenige mit Ellenbogen oder rechtzeitig eingetauschtem Parteibuch. Auch bei der Revolution von 1989 habe es nur "zwei Herden von Arschlöchern" gegeben. Adamesteanus bedrückend erzählter Roman handelt von Enttäuschung, von Entfremdung und der Überzeitlichkeit des Vergangenen.

Es gibt schon zwei Letitia-Branea-Romane: "Der gleiche Weg an jedem Tag", 1975 im rumänischen Kommunismus veröffentlicht, und "Das Provisorium der Liebe" von 2021. Anders als bei jenen geht es jetzt tiefer hinein in die emigrierte Psyche. Der Totalitarismus steht nur noch als Chimäre über der Handlung: Während Letitia heute mit Bekannten von damals umgeht oder durch Bukarest wandert, äußert sich aus dem hinteren Teil ihres Kopfes immer wieder eine diffuse Erinnerung daran, wie es mal gewesen ist. Allen voran steht die Affäre mit ihrem Arbeitskollegen Sorin - zentral im "Provisorium der Liebe" - als Antithese zur sozialistischen Prüderie. Draußen tobt der Totalitarismus, drinnen riecht es nach Alkohol und heimlichem Sex. Erst wenn eine Gesellschaft es schafft, jeden so weit zu verinseln, dass es überhaupt keine zwischenmenschliche Spontaneität mehr gibt, dann sei es Totalitarismus, schrieb Hannah Arendt. Trotz minutiöser Kalenderstudie wird Letitia Branea mit ihrer Affäre schwanger.

Die illegale Abtreibung, die abgekochten Aluminiuminstrumente und das verkrustete Blut am Bettlaken sind in so abscheulichem Ekel beschrieben, dass dem Leser die Dimensionen des rumänischen Kommunismus deutlich werden: 1966 hatte Nicolae Ceausescu in seiner Megalomanie mit dem Dekret 770 alle Verhütungsmittel verboten. Die nicht verschmerzte Bindung zu Sorin und die Abtreibung werden nach und nach zum Leitmotiv, zu einer Dissoziation von Körper und Seele. Es liegt aber nicht an diesem unrühmlichen Ende, dass die Affäre nicht zu einer Winston-Julia-Geschichte wird. Adamesteanus Erzählerin beobachtet und erinnert sich, scheut aber Eindeutiges und Normatives; selbst unter Ceausescu war nicht alles schlecht. Das macht sie beizeiten zu einer misanthropischen Egozentrikerin mit schlechtem Gewissen, die verliebt in ihre eigenen Probleme ist. Es ist aber stimmig: Der Vorrang des spontanen Gedankens wird zu einer Ästhetik des Hässlichen, wenn Letitia auf Waisenkinder oder Obdachlose herabschaut, die nicht zu Ende gerauchte Zigarettenstummel aufheben.

Die Handlung vollzieht sich an einem einzigen Tag: Morgens steht sie bei ihren Freunden Sultana und Aurelian in Budapest auf, lebt in den Morgen hinein, wandelt aus der Wohnung hinaus und geht abends auf ein Treffen mit einem Anwalt und ihrem Bruder - dass sie ihn Junior nennt, macht die Schmierigkeit des postkommunistischen Parvenüs nur noch eindrucksvoller. Sie erfährt, dass sie kein Anrecht auf das Haus ihres Onkels erheben kann, der im Zweiten Weltkrieg mit den rumänischen Faschisten kollaboriert hatte - eine Bestätigung für ihren grantigen Ehemann Petru, der aus der neuen französischen Heimat seine Glossen dazugibt. Er ist, anders als Letitia, ein Nihilist: Als politisch unliebsamer Akademiker ist er aus Rumänien in den Westen geflohen, wo er als Journalist bei Radio Freies Europa sich selbst nicht gerecht geworden ist, dafür aber Letitias Sozialprestige in Rumänien gehörig belastet hat. Entwurzelt und enttäuscht von Rumänien, will er von der Vergangenheit nichts mehr wissen. Nur die Krebsdiagnose von Sultanas und Aurelians Tochter Claudia, die aristotelische Katastrophe auf den letzten Seiten, erweicht ihn, war sie doch die Tochter, die er nie hatte, mit dem akademischen Erfolg, den er nie hatte.

Um die Handlung herum spannt sich ein Geflecht von Figuren, das an Umfang fast schon mit dem russischen Realismus mithalten kann. Dass sie an der französischen Literatur des frühen zwanzigsten Jahrhunderts und der Literatur des Bewusstseinsstroms geschult ist, hat Adamesteanu schon mit anderen Texten bewiesen. Auch diesmal lässt ihr Reichtum an Erzählsträngen und Themen, die zu Beginn disparat wirken und sich erst am Ende zusammenfügen, an Proust denken. Gerne wirft sie den Leser ins biographische Wasser ihrer Figuren. Adamesteanu gliedert den Roman in Kapitel, die nach ihnen benannt sind. Jede schlug sich einen Weg durch den rumänischen Postkommunismus. Die Autorin entwickelt in ihrem Erinnerungsbau nicht nur eine thetisch-historische Landeskunde Rumäniens, sondern blickt auch kulturpessimistisch auf Yuppies, Opportunismus, Vitamin B und das verheißungsvolle Nebeneinander von McDonald's und KFC. All das schafft sie völlig krampflos, die Kommentare ihrer Erzählerin sind herrlich prosaisch und oft voller sprachlichem Gleichmut. Ihre Erzählweise schafft immer wieder auffallende Momente, nimmt hier und da das Tempo aus der Handlung und schafft oft leise, beeindruckende Bilder und Motive - die Suche nach dem Glück als schräger Wurf einer Münze in den Trevi-Brunnen. Das ist kein leicht verdaulicher Stoff. Aber groß erzählte Literatur einer originär europäischen Autorin. LUCA VAZGEC

Gabriela Adamesteanu: "Der Trevibrunnen". Roman.

Aus dem Rumänischen von Eva Ruth Wemme. Die Andere Bibliothek, Berlin 2023.

448 S., geb.,

48,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Groß erzählte Literatur einer originär europäischen Autorin.« Luca Vazgec Frankfurter Allgemeine Zeitung 20231021