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Entzauberte Spione
Bis heute gilt die für Spionage in der Bundesrepublik zuständige Abteilung der DDR-Staatssicherheit, die HVA, als einer der besten Auslandsgeheimdienste seiner Zeit. Von ehemaligen Mitarbeitern wird dieses Bild sorgfältig gepflegt. Unabhängig überprüfen ließ es sich bislang nicht, da fast alle einschlägigen Unterlagen vernichtet wurden. Doch nun muss die Geschichte des deutsch-deutschen Geheimdienstkrieges neu geschrieben werden. Michael Wala erhielt exklusiven, vollständigen und uneingeschränkten Zugang zum Geheimarchiv der Spionageabwehr des Bundesamts für…mehr

Produktbeschreibung
Entzauberte Spione

Bis heute gilt die für Spionage in der Bundesrepublik zuständige Abteilung der DDR-Staatssicherheit, die HVA, als einer der besten Auslandsgeheimdienste seiner Zeit. Von ehemaligen Mitarbeitern wird dieses Bild sorgfältig gepflegt. Unabhängig überprüfen ließ es sich bislang nicht, da fast alle einschlägigen Unterlagen vernichtet wurden. Doch nun muss die Geschichte des deutsch-deutschen Geheimdienstkrieges neu geschrieben werden.
Michael Wala erhielt exklusiven, vollständigen und uneingeschränkten Zugang zum Geheimarchiv der Spionageabwehr des Bundesamts für Verfassungsschutz. Sein Buch legt erstmals offen, mit welchen Methoden der Verfassungsschutz versuchte, DDR-Spione ausfindig zu machen, und welchen Erfolg er dabei hatte. Dabei widerlegt es zahlreiche Mythen.

»Walas Buch ist ein 'must read' nicht nur für alle, die sich für deutsche Geschichte interessieren, sondern auch für alle Geheimdienstinteressierten weltweit. Es widmet sich den tiefsten Geheimnissen des Kalten Krieges, und seine Erkenntnisse sind heute noch so relevant, wie sie es vor 30 Jahren gewesen wären.«
Shlomo Shpiro, Geheimdienstexperte, Bar-Ilan University, Ramat Gan
Autorenporträt
Michael Wala, geboren 1954, ist Professor für Nordamerikanische Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum und einer der profiliertesten Nachrichtendiensthistoriker der Bundesrepublik. Zuletzt von ihm erschienen: »¿Keine neue Gestapö. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die NS-Vergangenheit« (zus. mit Constantin Goschler, 2015) und »Otto John. Patriot oder Verräter: Eine deutsche Biographie« (zus. mit Benjamin Hett, 2019).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2023

Mythos Stasi?
Eine Ehrenrettung der westdeutschen Spionageabwehr im Kalten Krieg / Von Markus Wehner, Berlin

Seit den Fünfzigerjahren tobte zwischen der Bundesrepublik und der DDR ein Spionagekrieg. Bonn und Ost-Berlin wollten möglichst viel geheime Informationen der anderen Seite erhalten, deren Agenten und Quellen enttarnen, Überläufer gewinnen, manche als Doppelagenten einsetzen. Bisher wurde die Auslandsspionage der kommunistischen Diktatur, die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) im Ministerium für Staatssicherheit der DDR, als überlegen in diesem Kampf dargestellt. Schließlich beschäftigte sie rund 4500 Mitarbeiter, während die Spionageabwehr des westdeutschen Verfassungsschutzes gerade auf 800 kam. Die HVA konnte sogar den Agenten Günter Guillaume im Kanzleramt installieren, ein Fall, der für den Rücktritt von Willy Brandt als Kanzler eine Rolle spielte.

Die Spionageabwehr des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) erschien bisher als Versager in diesem Kampf, der HVA hingegen wurde nicht selten hohe Professionalität bescheinigt. Veteranen des DDR-Dienstes stellten in ihren Memoiren ihre Agenten als "Kundschafter des Friedens" dar, die aus ideologischer Überzeugung gehandelt hätten. Ihre Akten konnte die HVA nach der Wende zum größten Teil vernichten; der Verfassungsschutz hielt seine Unterlagen unter Verschluss.

Der Historiker Michael Wala von der Ruhr-Universität Bochum, eigentlich Nordamerika-Fachmann, hat nun erstmals Zugang zu den Akten der westdeutschen Spionageabwehr von 1950 bis 1990 im Archiv des BfV bekommen. In seinem Buch "Der Stasi-Mythos. DDR-Auslandsspionage und Verfassungsschutz", das kommende Woche erscheint, wendet er sich gegen die skizzierte Einschätzung. Dem BfV ist es danach immer wieder gelungen, Stasi-Agenten im Westen zu enttarnen. Besonders erfolgreich war dabei die Aktion "Anmeldung", in der es seit Mitte der 1970er-Jahre glückte, hauptamtliche Mitarbeiter der HVA zu entdecken, die mit falschen Pässen in die Bundesrepublik eingereist waren. Dazu sichteten die Verfassungsschützer Hundertausende Meldekarten in den Einwohnermeldeämtern. Die Festnahme von 20 hauptamtlichen Agenten im Juni 1976 führte dazu, dass weitere knapp 40 in die DDR flohen. Die Erfolge bei der Enttarnung, so Wala, hätten die Auslandsspionage der DDR für Jahre praktisch lahmgelegt. Das mag übertrieben sein. Doch bis 1983 konnte das BfV 475 "Illegale" aufdecken, die HVA verzichtete danach auf die Einschleusungen. Unter heutigen Datenschutzbestimmungen wäre allerdings ein solches Vorgehen kaum möglich.

Auch gelang es dem BfV immer wieder, DDR-Agenten zu "überwerben", sie also für den Verfassungsschutz einzusetzen. Zwischen 40 und 140 Agenten und Quellen der HVA wurden jährlich in den 40 Jahren Spionagekrieg abgeworben, insgesamt fast 2000 Personen, die für das BfV als "Countermen" arbeiteten.

War die HVA also nur eine aufgeblähte Behörde, die wenig relevante Informationen beschaffen konnte, wie Wala meint? Das Unheil, das die Stasi anrichtete, war jedenfalls groß. Und der Preis für viele, die für den Westen arbeiteten und enttarnt wurden, war hoch. Vor allem in den Fünfzigerjahren mussten sie mit enorm langen Haftstrafen büßen. Bis in die 1980er-Jahre wurden entdeckte "Countermen" oft erst nach Jahren freigekauft, weil die Gelder der Bundesrepublik dafür begrenzt waren.

Vor allem machten der westdeutschen Spionageabwehr zwei Maulwürfe im BfV einen Strich durch die Rechnung. Klaus Kuron, Fallführer für schwierige Operationen, spionierte ab 1982 bis zur Wende für die Stasi, er wurde bis zuletzt nicht enttarnt. Kuron kassierte von der Stasi 4000 D-Mark monatlich und eine Prämie von 140.000 D-Mark. Er fühlte sich im BfV nicht ausreichend wertgeschätzt, litt unter vermeintlich unfähigen Vorgesetzten - ein häufiges Motiv für Verrat, wie es zuletzt bei Carsten L., dem russischen Spion im BND, bekannt wurde. Aus Angst, dass er auffliegen werde, wollte Kuron 1990 nach Kontakt mit dem KGB in die Sowjetunion fliehen, entschied dann aber, sich dem BfV als Doppelagent anzubieten, und wurde verhaftet. 1985 hatte sich schon der Referatsgruppenleiter Hansjoachim Tiedge in die DDR abgesetzt und sein ganzes Wissen der Stasi preisgegeben; bei ihm liefen die Fäden der Spionageabwehr zusammen. Damit waren alle Operationen des BfV gegen die DDR-Dienste kompromittiert, die Bemühungen der vergangenen Jahre "Makulatur", wie Wala schreibt.

Der Mauerfall weckte in der Spionageabwehr des BfV zunächst Befürchtungen, die Stasi könne bei nun offenen Grenzen nach Belieben schalten und walten. Doch schnell wurde der Verfassungsschutz zum Anlaufpunkt für Dutzende Überläufer aus dem Ministerium für Staatssicherheit. Sie lieferten freiwillig wertvolle Informationen. Manche berichteten ohne oder nur für eine geringe Gegenleistung, andere kassierten 100.000 D-Mark und mehr. Insgesamt ließ das Bundesamt bis 1998 mehr als 1,4 Millionen D-Mark in die Taschen seiner ehemaligen Gegner fließen. Berichtet wurde auch über die Übergabe von Akten an den "Bruderdienst" KGB, auch Quellen wurden offenbar an Moskau übergeben.

Dass die Spionageabwehr der Bundesrepublik in der irrigen Annahme, man sei dauerhaft nur von Freunden umgeben, unter Bundeskanzler Gerhard Schröder so gut wie eingestellt wurde, gehört zu den tragischen Versäumnissen in der Sicherheitspolitik der letzten Jahrzehnte. Die Spionageabwehr sei "das Herzstück" in der Arbeit des Verfassungsschutzes im Kalten Krieg gewesen, sagte nun BfV-Präsident Thomas Haldenwang anlässlich der neuen Studie. Haldenwang schlägt den Bogen zur notwendigen Spionageabwehr in der Gegenwart und spricht von einer Bedrohung für Deutschland durch fremde Mächte, die heute "so vielfältig wie nie" sei.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Stasi gilt vielen immer noch als eine der historisch erfolgreichsten Spionageorganisationen, insbesondere was Spitzeleien im Ausland angeht, weiß Rezensent Christoph Koopmann. Das Buch des Historikers Michael Wala nun räume mit dieser Legende zumindest teilweise auf. Der ehemalige Kontrahent der Stasi, der bundesdeutsche Inlandsnachrichtendienst hat Wala Akteneinsicht ermöglicht, so Koopmann, und das entstandene Buch zeigt, dass die DDR-Agenten keineswegs immer mit ihren Aktivitäten durchkamen. So zeichnet Wala laut Koopmann Strategien der bundesdeutschen Spionageabwehr nach, die zahlreichen Agenten das Handwerk legte. Auch konnten viele der zumeist keineswegs ideologisch gefestigten, sondern eher geldgierigen Agenten abgeworben werden, hat Walla Koopmanns zufolge herausgefunden. Freilich, merkt der Rezensent an, ändern diese neuen Erkenntnisse nichts an der Tatsache, dass die DDR viele Agenten erfolgreich auch in wichtigen Positionen platzieren konnte; außerdem könne Wala natürlich nur über die erwischten Spione schreiben - die Stasi-Auslandsspionageakten selbst wurden in der Wendezeit weitgehend vernichtet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2023

Ende Legende
Die Auslandsspionage der Stasi galt als eine der besten der Welt. Aber war sie das wirklich?
Historiker Michael Wala hat in die Archive geschaut und kommt zu einem anderen Urteil
VON CHRISTOPH KOOPMANN
Legendenbildung ist ein wesentlicher Teil des Spionagewesens, wo Täuschung das Geschäftsmodell ist. Legende nennt ein Geheimdienstler den erfundenen Lebenslauf, den er sich zur Tarnung gibt. Eine etwas andere Legendenbildung haben wiederum die einstigen Spione der DDR nach deren Untergang betrieben: Nämlich insofern, als sie überaus erfolgreich unter die Leute brachten, die ostdeutsche Auslandsspionage sei eine der besten der Welt gewesen. Die „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit unter Spionagechef Markus Wolf habe Quellen überall in der verfeindeten Bundesrepublik gehabt, erzählten sie gern, an allen wichtigen Schaltstellen, mit dem Referenten Günter Guillaume sogar an der Seite des Bundeskanzlers Willy Brandt.
Dieses Bild hatte auch der Historiker Michael Wala im Kopf, als er vor gut drei Jahren mit einem außergewöhnlichen Forschungsprojekt begann. „Ich hab schon gedacht, die von der HVA waren so toll, da hat der Verfassungsschutz nicht viel gegen machen können.“ Aber: „Dieses Urteil habe ich korrigiert.“ In einem bemerkenswerten Akt der geheimdienstlichen Offenheit hat der Inlandsnachrichtendienst den Historiker Wala nämlich in das Archiv seiner Spionageabwehr blicken lassen, auch in Geheimakten.
Das Ergebnis hat Wala jetzt in Buchform publiziert. Allein über die Zahl der DDR-Spione in der BRD gibt es Legenden, angeblich waren es in den 50ern und 60ern mehr als 12 000, andere Quellen des Verfassungsschutzes gingen eher von 2000 bis 3000 aus. Jedenfalls: verdammt viele. Ein großer Teil waren eingeschleuste „Illegale“ – meist DDR-Bürger, ausgestattet mit einer unverdächtig erscheinenden Legende. Erstaunlich viele gingen dem Verfassungsschutz allerdings ins Netz.
Eine der wichtigsten Gegenspionagemaßnahmen war wohl die „Operation Anmeldung“. Dem Verfassungsschutz war aufgefallen, dass die Stasi offenbar gezielt nach BRD-Bürgern suchte, die im Ausland lebten – ideale Legendenspender für die Spione. Diese meldeten sich mit angeblich im Ausland ausgestellten, aber in Wahrheit gefälschten Papieren ihrer „Spender“ in der Bundesrepublik an, zogen dann mehrfach um, um ihre Spur zu verwischen, und täuschten irgendwo in Westdeutschland ein stinknormales Familienleben vor.
Als der Verfassungsschutz das gewittert hatte, ließ er Anfang der 70er überall in der BRD die Melderegister nach diesem Muster durchforsten, immerhin gut 40 Spitzel flogen so auf. 1976 nahm das Bundeskriminalamt gleich 15 Spione an einem Tag fest – woraufhin die Stasi Dutzende weitere vorsichtshalber abzog. Sie alle waren „verbrannt“ für weitere Einsätze, weil ihre Gesichter bekannt waren – und die Auslandsspionage der DDR laut Wala um Jahre zurückgeworfen.
Der Historiker beschreibt auch, wie der Verfassungsschutz die Kuriere der Stasi erkannte, wenn sie mit der S-Bahn von Ost- nach Westberlin kamen (ein Indiz war, dass ein junger Alleinreisender als erste Amtshandlung im Westen Pornoheftchen kaufte), wie die Funkabwehr die Codes des MfS knackte – und dass es dem Verfassungsschutz offenbar gelang, Tausende enttarnte MfS-Spione zu „überwerben“, damit sie fortan als Doppelagenten arbeiteten. Allein in den Wendemonaten dienten sich nach Walas Zählung 177 DDR-Agenten den deutschen Sicherheitsbehörden an, um ihre Genossen zu verraten. Viele von ihnen waren wohl eher keine gesinnungsfesten „Botschafter des Friedens“, wie die DDR-Propaganda die Spione gern inszenierte. Sie handelten eher für Geld. Allein die Dienste der 177 Spät-Überläufer ließ sich der Verfassungsschutz mehr als 1,4 Millionen D-Mark kosten.
„Die Spionage der DDR ist beträchtlich behindert worden“, folgert Wala, der Wert darauf legt, dass das hier keine „Hofberichterstattung“ für den Verfassungsschutz sei. Ein Honorar habe er nicht bekommen, das Bundesamt habe seiner Uni in Bochum bloß Reisekosten und Lehrvertretungen bezahlt. Der Historiker spart tatsächlich nicht aus, dass es auch Schatten gab, die Fälle von Klaus Kuron und Hansjoachim Tiedge etwa. Die beiden waren ab Ende der 60er an entscheidenden Stellen in der Spionageabwehr gegen die DDR beschäftigt – und liefen in den 80ern als Doppelagenten zur Stasi über.
Und auch wenn der Verfassungsschutz Tausende Spitzel enttarnt hat: Fakt bleibt, dass die DDR Quellen an entscheidenden Stellen der BRD hatte, in Parteien, Ministerien, mit Guillaume sogar bis hoch zu Kanzler Brandt, wenngleich dieser Spitzel kaum Top-Informationen brachte. Dass sie enttarnt wurden, ist zweifelsohne ein Erfolg der Spionageabwehr. Ob das nicht viel früher hätte geschehen müssen, ist eine andere Frage.
Und am Ende stehen in der Aufarbeitung natürlich nur die Fälle, von denen der Verfassungsschutz etwas mitbekommen hat. Die akten- und faktenbasierte Sicht der HVA lässt sich nicht mehr untersuchen und dagegenstellen: Die Stasi hat die Akten ihrer Auslandsspionage größtenteils vernichtet, als ’89/’90 die DDR in sich zusammenbrach.
1976
flogen gleich
15 Spione
an einem Tag auf
Man stelle sich vor, der 1519 gestorbene Leonardo da Vinci hätte eine Karte der Insel Utopia aus dem 1516 zum ersten Mal auf Latein gedruckten Roman des englischen Humanisten Thomas Morus gezeichnet. So synthetisiert das die künstliche Intelligenz.
Foto: midjourney/Florian Gmach
Michael Wala:
Der Stasi-Mythos.
DDR-Auslandsspionage und der Verfassungsschutz. Ch. Links-Verlag, Berlin 2023.
352 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Die medial immer wieder gern erzählte Geschichte von den doofen deutschen Schlapphüten, denen nichts gelingt, sie wird auch dieses Buch überleben. Aber ihre Erzähler werden ein wenig dümmer dastehen.« Wolfgang Büscher Die WELT 20231025