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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2011

DAS HÖRBUCH
Aus Roulettenburg
Glück, Gewinn und Kugeln in
Fjodor Dostojewskis „Spieler“
Es kann sich doch mit einem Schlage alles ändern. Davor fürchtet man sich oder hofft darauf. Alexej Iwanowitsch besitzt nur noch einen Gulden und er will ihn setzen beim Roulette, um sein Schicksal noch einmal zu wenden. Zero oder 27 oder doch Zero? Alles hängt an der Intuition, der Entscheidung eines Augenblicks.
Das Glücksspiel taugt beinahe zu gut zum Gleichnis für Unbeständigkeit und Schicksalsverfallenheit des Lebens. Die Verzweiflung darüber, das Gefühl, nicht herauszufinden, hat Gert Westphal in den Mittelpunkt gestellt, als er 1956 für den NDR ein Hörspiel nach Fjodor Dostojewskis Roman „Der Spieler“ inszenierte. Es ist jetzt im Hörverlag erschienen und befremdet anfangs durch die hohe Erregtheit, die ganz unironische Leidenschaftlichkeit der Figuren. Man hört, dass sie nicht anders können. Auch wer nicht am Spieltisch sitzt, hofft und harrt, sei es auf Liebeserfüllung oder den Tod der Erbtante, deren Vermögen dem General gerade recht käme, zu dessen Familie Alexej Iwanowitsch als Hauslehrer gehört.
Statt der erwünschten Todesnachricht erscheint die Tante selbst im Kurort und findet Gefallen am Spiel. Ida Ehre spricht die kluge, herrische, keinen Widerspruch und keinen Rat duldende Tante. Ihr Auftritt ist der Höhepunkt dieses Hörspiels. Wie ein Blitz fährt sie unter die Verzagten, Trägen, Verliebten, erhellt kurz die Szene, um dann, nachdem sie ihr Vermögen verloren hat, erloschen wieder abzureisen. Nun kommt die halbe Stunde des Alexej Iwanowitsch, gesprochen vom jungen Heinz Reincke. Er gewinnt eine gewaltige Summe beim Roulette und ist damit verloren. Die wenigen Liebesszenen des Hörspiels klingen gefühlig und veraltet, ansonsten aber bietet es intelligentes, hinreißendes Stimmentheater.
JENS BISKY
FJODOR M. DOSTOJEWSKI: Der Spieler. Hörspielbearbeitung: Fred von Hoerschelmann. Regie: Gert Westphal. Mit Heinz Reincke, Heinz Klevenow, Gisela Zoch-Westphal, Ida Ehre u.a. Der Hörverlag, München 2011. 78 Min., 14,95 Euro.
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