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Luc Boltanski und Ève Chiapello beschreiben den Kapitalismus als ein normatives System, dem es unter sich wandelnden Bedingungen immer wieder gelingt, Menschen zu gewinnen und davon zu überzeugen, sich am Prozess der kapitalistischen Akumulation zu beteiligen. Den Autoren zufolge verdankt der Geist des Kapitalismus sein Anpassungsvermögen der gegen ihn gerichtete Kritik und seiner Fähigkeit, diese Kritik konstruktiv zu verarbeiten. In seiner jüngsten Ausprägung wurzelt er im Mai 1968, als sich Künstler und Intellektuelle gegen sämtliche durch den Kapitalismus bedingten Prozesse der Entfremdung…mehr

Produktbeschreibung
Luc Boltanski und Ève Chiapello beschreiben den Kapitalismus als ein normatives System, dem es unter sich wandelnden Bedingungen immer wieder gelingt, Menschen zu gewinnen und davon zu überzeugen, sich am Prozess der kapitalistischen Akumulation zu beteiligen. Den Autoren zufolge verdankt der Geist des Kapitalismus sein Anpassungsvermögen der gegen ihn gerichtete Kritik und seiner Fähigkeit, diese Kritik konstruktiv zu verarbeiten. In seiner jüngsten Ausprägung wurzelt er im Mai 1968, als sich Künstler und Intellektuelle gegen sämtliche durch den Kapitalismus bedingten Prozesse der Entfremdung auflehnten.
In den Unternehmen und Fabriken, die in jenen Jahren von Streiks und Arbeitskämpfen massiv betroffen waren, wurde diese emanzipatorische Kritik von jungen Führungskräften und Beratern aufgegriffen und in einer neuen Organisation der Produktion umgeSetzt. Ergebnis dieses Umbaus ist das "schlanke" Unternehmen der Gegenwart. In einem detaillierten qualitativen Vergleich zwischen der Management-Literatur der 1960er-Jahre und der 1990er-Jahre zeigen Luc Boltanski und Eve Chiapello die normativen Verschiebungen, die die Neuorganisation der Produktion in den Unternehmen begleiten haben.
Der neue Geist des Kapitalismus definiert sich durch Flexibilität, Mobilität, Kreativität und Eigenverantwortung, die die employability der Menschen bestimmen. Wer über diese Eigenschaften verfügt, kann die Möglichkeiten nutzen, die der projektbasierte Kapitalismus des 21. Jahrhunderts bietet. Zugleich stellt sich aber die Frage der Gerechtigkeit, vor allem für jene, die nicht Teil der vernetzten Welt des projektbasierten Kapitalismus sind. Einstweilen bleibt die Kritik an diesem neuen Kapitalismus machtlos, weil sie die Gegenwart an vergangenen Idealen misst und die sozialen Konflikte der Gegenwart mit Begriffen zu klären versucht, die in der ökonomischen Realität des 21. Jahrhunderts keinen Sinn mehr ergeben. Neue Interpretationsmuster und ein Wiedererstarken der Kritik aber werden den Legitimationsdruck auf den Kapitalismus erhöhen. Der Geist des Kapitalismus wird seine Antwort auf die Frage nach neuen Formen der Gerechtigkeit nicht schuldig bleiben.
Autorenporträt
Luc Boltanski ist Forschungsdirektor an der Ecole des hautes études en sciences sociales, Paris. Ève Chiapello ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ècole des hautes études commerciales, Paris.

Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Luc Boltanskis und Eve Chiapellos in der Tradition von Pierre Bourdieus und Robert Castels Gesellschaftsanalysen stehende Studie "Der neue Geist des Kapitalismus" hat Rezensent Berthold Vogel rundum überzeugt. Als Triebfeder der Veränderungen des "kapitalistischen Geistes" fungierten für Boltanski und Chiapello vor allem die von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen formulierte Kritik am Kapitalismus. Insbesondere in der "Künstlerkritik", die in den 60er Jahren die bürgerliche Gesellschaft als bürokratisch und autoritätsfixiert kritisierte, erblicken die Autoren ein treibendes Moment der Veränderung. Dadurch angeregt, richte sich der neue Geist des Kapitalismus ebenso gegen Bürokratie und Beamtenstatus wie gegen den Wertkonservatismus der Kirche oder gegen den Verpflichtungscharakter traditioneller Familienformen, lehne also alle Institutionen und Sozialformen ab, die Grenzen ziehen und beibehalten wollen. Stattdessen setze der Kapitalismus auf die Vorstellung einer Welt, die als "Netz und Projekt" funktioniere. Boltanskis und Chiapellos umfassende Analyse dieser "konnexionistischen Welt" liegt nach Ansicht Vogel auf "auf der Höhe der Zeit".

© Perlentaucher Medien GmbH
"Den neuen Geist des Kapitalismus untersuchen die Wissenschaftler anhand der Managementliteratur der 90er Jahre. In unserer allseits vernetzten Welt sind dauernde Aktivität und Bewährung in immer neuen Projekten gefragt; die Unterscheidung zwischen Arbeits- und Privatleben schwindet, und der Mensch muß sich, seine Zeit, seine Kontakte und schöpferischen Kompetenzen ganz einbringen. Deshalb sind Autonomie, Mobilität und Anpassungsfähigkeit die zentralen Werte des neuen Kapitalismus. Sie gehen jedoch auf Kosten von Sicherheit und Gerechtigkeit. Die Selbstverwirklichungs-Forderungen der 70er Jahre, von den Autoren zur Künstlerkritik gezählt, sind damit integriert, während die Sozialkritik, etwa durch die Gewerkschaften, auf der Strecke bleibt.
Seit der Veröffentlichung vor vier Jahren ist es in Frankreich nicht zufällig zum Klassiker geworden: Mit seiner klaren Begrifflichkeit und analytischen Weitsicht ist es eine ungeheuer spannende Weiterbildung für jeden, der sich vorurteilslosmit der heutigen sozialen Realität auseinandersetzen will."
NDR - Das Buch der Woche