Lea Singer
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Der Klavierschüler
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Zürichsee im Vorfrühling 1986. Ein erfolgreiches Leben soll gewaltsam beendet werden. Begründung: Ausweglosigkeit. Da sabotieren ein paar Minuten Musik die Vollstreckung. Es beginnt eine Flucht ins Leben hinein. Ein Barpianist lotst den Mann,den Schumanns Träumerei rettete, auf eine Reise in die Vergangenheit - zu dem angstvoll gehüteten Geheimnis eines Jahrhundertpianisten. 1937 hatte Vladimir Horowitz in der Schweiz eine Affäre begonnen, mit der er seine ganze Karriere und seine Ehe mit Toscaninis Tochter aufs Spiel setzte. Vor sieben Jahren stieß Lea Singer auf brisante unveröffentl...
Zürichsee im Vorfrühling 1986. Ein erfolgreiches Leben soll gewaltsam beendet werden. Begründung: Ausweglosigkeit. Da sabotieren ein paar Minuten Musik die Vollstreckung. Es beginnt eine Flucht ins Leben hinein. Ein Barpianist lotst den Mann,den Schumanns Träumerei rettete, auf eine Reise in die Vergangenheit - zu dem angstvoll gehüteten Geheimnis eines Jahrhundertpianisten. 1937 hatte Vladimir Horowitz in der Schweiz eine Affäre begonnen, mit der er seine ganze Karriere und seine Ehe mit Toscaninis Tochter aufs Spiel setzte. Vor sieben Jahren stieß Lea Singer auf brisante unveröffentlichte Briefe von Vladimir Horowitz an einen jungen Schweizer namens Nico Kaufmann. Der begabte Sohn aus gutbürgerlichem Haus wurde 1937 sein erster Klavierschüler und sein Geliebter. Als Jude verfolgt, war Horowitz Ende der dreißiger Jahre zum Aufbruch ins Exil gezwungen. Ein Trauma, aber auch die Chance, sein Leben zu ändern, sich endlich zu sich selbst zu bekennen. Fünfzig Jahre später erzählt Nico Kaufmann, zu einem Barpianisten herabgesunken, einem Unbekannten von dieser Liebe und ihren nächtlichen Seiten. Er führt den Fremden zu den Luxushotels, in denen Horowitz mit ihm zwei Jahre lang seine Leidenschaft im Verborgenen lebte, und immer näher heran an die brennenden Fragen: Wie viel Mut fordert die Liebe? Und was geschieht mit dem, der seine Sehnsucht verleugnet?
Lea Singer, 1960 in München geboren, studierte Kunstgeschichte, Gesang, Musik- und Literaturwissenschaft. Mit ihren Romanen über historische Persönlichkeiten ist die promovierte Kunsthistorikerin ebenso erfolgreich wie mit ihren Sachbüchern, die sie als Eva Gesine Baur schreibt. Sie lebt in München und wurde mit dem Hannelore-Greve-Literaturpreis, dem Schwabinger Kunstpreis und dem Bodensee-Literaturpreis ausgezeichnet.
Produktdetails
- Gatsby
- Verlag: Kampa Verlag
- Seitenzahl: 222
- Erscheinungstermin: 11. Februar 2019
- Deutsch
- Abmessung: 190mm x 119mm x 22mm
- Gewicht: 274g
- ISBN-13: 9783311100096
- ISBN-10: 3311100093
- Artikelnr.: 54692566
Herstellerkennzeichnung
Verlegerdienst München
Gutenbergstraße 1
82205 Gilching
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Klänge eines ungelebten Lebens
Mit Taktgefühl: Lea Singer beschreibt die Liebesgeschichte zwischen Vladimir Horowitz und dessen Schüler Nico Kaufmann
Als es einfach nicht mehr ging, als er zu oft Wassergläser nach Menschen geworfen hatte und die Kreisch-Duelle mit seiner Frau Wanda sich vor den Nachbarn nicht mehr verbergen ließen, da soll sich der Pianist Vladimir Horowitz in den Vereinigten Staaten einer Aversionstherapie unterzogen haben. Er wurde an einen Konvulsator angeschlossen und ließ sich Bilder zeigen. Bei nackten Männern bekam er zwei Stromstöße, bei nackten Frauen keinen. Danach war seine Motorik so gestört, dass an Konzertauftritte nicht zu denken war. Lea Singer beschreibt diese Umerziehungstherapie
Mit Taktgefühl: Lea Singer beschreibt die Liebesgeschichte zwischen Vladimir Horowitz und dessen Schüler Nico Kaufmann
Als es einfach nicht mehr ging, als er zu oft Wassergläser nach Menschen geworfen hatte und die Kreisch-Duelle mit seiner Frau Wanda sich vor den Nachbarn nicht mehr verbergen ließen, da soll sich der Pianist Vladimir Horowitz in den Vereinigten Staaten einer Aversionstherapie unterzogen haben. Er wurde an einen Konvulsator angeschlossen und ließ sich Bilder zeigen. Bei nackten Männern bekam er zwei Stromstöße, bei nackten Frauen keinen. Danach war seine Motorik so gestört, dass an Konzertauftritte nicht zu denken war. Lea Singer beschreibt diese Umerziehungstherapie
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für homosexuelle Männer, die es tatsächlich gab und wohl immer noch gibt, in ihrem Roman "Der Klavierschüler". Und diese Beschreibung ist nur ein Detail für eine bedrückende Welt, der sich Schwule lange ausgesetzt sahen, eine Welt, die keineswegs überall zur Welt von gestern wurde.
Einer dieser Männer, der Schweizer Diplomat Reto Donati, hat im Frühjahr 1986 bereits professionelle Kräfte des Sterbehilfevereins "Ars M." engagiert, um unter Vortäuschung unheilbarer Depressionen Schluss zu machen. Warum er vor dem Giftcocktail doch noch davonläuft und auf Nico Kaufmann, den Pianisten einer Zürcher Nachtbar, trifft, gehört zu den fiktiven Konstruktionen dieses Buches. Das übrige Material ist zu weiten Teilen authentisch. Die Autorin - die unter ihrem richtigen Namen Eva Gesine Baur Biographien, unter dem Pseudonym "Lea Singer" Romane schreibt - konnte in Zürich Teile des Nachlasses von Nico Kaufmann einsehen. Kaufmann wurde 1937, mit 21 Jahren, für zwei Jahre der Klavierschüler und Geliebte von Horowitz. Briefe und Fragmente einer Autobiographie haben sich erhalten.
Aus diesem Material bezieht der Roman seine Dringlichkeit, weil Horowitz noch immer eine Figur des öffentlichen Interesses ist. Dabei teilt Singer nichts grundsätzlich Neues mit. Schon Glenn Plaskin hatte 1982 in seiner - vom Pianisten nicht autorisierten, gleichwohl auch nicht verbotenen - Horowitz-Biographie beschrieben, zu welchen psychischen und familiären Verwerfungen die unterdrückte Homosexualität des Künstlers geführt hatte. Auf der Website www.schwulengeschichte.ch kann man zudem umfangreiche, recht sachliche Artikel von Ernst Ostertag lesen, die dieser schon 2006 veröffentlicht hat und die viele Auszüge aus dem Briefwechsel zwischen Horowitz und Kaufmann, dazu Zitate aus Kaufmanns fragmentarischen Memoiren enthalten. Kaufmann selbst, 1996 verstorben, hat das Andenken an Horowitz so diskret bewahrt, dass er zu Lebzeiten damit ebenso wenig an die Öffentlichkeit gegangen war wie mit seiner engen Freundschaft zu Thomas Manns jüngster Tochter Elisabeth.
Singer geht es in ihrem Buch nicht darum, Geheimnisse auszuplaudern. Sexuelle Details interessieren sie gleich gar nicht. Küsse und Codes werden getauscht, ansonsten beschreibt sie mit großem Ernst, aber auch Taktgefühl eher die gesellschaftlichen Seiten einer geächteten Form von Sexualität: die Heimlichkeit, die Verachtung, den Druck, die Schuldgefühle, die Depressionen.
Horowitz selbst ist bei ihr nicht nur Opfer, sondern auch manipulativer Narzisst, der seinen Künstlerstatus als Machtgefälle nutzt, um bei Kaufmann Schuldgefühle zu erzeugen. Wie problematisch die Ehe zwischen Horowitz und Wanda Toscanini, der Tochter des Dirigenten Arturo Toscanini, war, wird erfreulicherweise mehr angedeutet als ausgekostet. Singer schlägt sich nicht einfach auf die Seite derer, die behaupten, der Toscanini-Clan habe Horowitz durch Demütigung das Rückgrat gebrochen. Bei ihr bleibt der Pianist, wenngleich in die Enge getrieben, eine wehrhafte Diva. Aber dass Wanda ihren Mann mit der Androhung eines Selbstmordes zur Trennung von Kaufmann erpresst hat, lässt Singer anklingen.
Bei allem Taktgefühl und allem Ernst werden an solchen Stellen die Probleme einer romanhaften Darstellungsweise spürbar. Man möchte die Quellen selbst kennenlernen und sie von den Interpretationen trennen können. Eine so schwerwiegende Behauptung, dass Sergej Rachmaninow, Horowitz' Idol und Mentor, Homosexuelle verachtet haben soll, würde man gern näher belegt sehen. Als Halbwüchsiger hatte sich Rachmaninow der Zudringlichkeiten seines Klavierlehrers Nikolaj Swerew erwehren müssen, was seine Verachtung erklären könnte, doch zugleich war er Protegé des ebenfalls homosexuellen Peter Tschaikowsky, den er schwärmerisch verehrte. Was Kaufmann, was Horowitz mit Rachmaninow erlebt haben, wüsste man gern genauer.
Dennoch setzt Singer künstlerisches Handeln und biographische Umstände sensibel und keineswegs platt zueinander in Bezug. Horowitz' einzigartig persönliches Klavierspiel, in dem der Klangreiz des Augenblicks oft gegen eine kontrollierte Darstellung des Ganzen rebelliert, ist eine in die Kunst ausgelagerte ertrotzte Freiheit des Sinnlichen. Doch Kaufmann, der früh Einblick in die psychischen Katastrophen von Horowitz' Existenz erhält, entschließt sich bald, die Last eines ungelebten Lebens abzuwerfen und sich selbst nicht mehr zu verleugnen. Wenn man die im Internet zu lesenden Berichte kennt, muss er ein großzügiger und glücklicher Mensch gewesen sein.
Doch wenn man - was Singer zitiert - im "Spiegel" von 1982 Horowitz' "Bonmot in eigener Sache" liest: "Es gibt nur jüdische, schwule und schlechte Pianisten" und dann den Nachsatz des Journalisten: "Horowitz ist weder schwul noch schlecht", dann kommt einem dieser alte Ton der Amüsiertheit zusammen mit der Süffisanz in der Schilderung von Horowitz' Extravaganzen nach der Lektüre dieses so ganz anderen Romans erst recht beklemmend vor.
JAN BRACHMANN
Lea Singer: "Der Klavierschüler". Roman.
Kampa Verlag, Zürich 2019. 224 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Einer dieser Männer, der Schweizer Diplomat Reto Donati, hat im Frühjahr 1986 bereits professionelle Kräfte des Sterbehilfevereins "Ars M." engagiert, um unter Vortäuschung unheilbarer Depressionen Schluss zu machen. Warum er vor dem Giftcocktail doch noch davonläuft und auf Nico Kaufmann, den Pianisten einer Zürcher Nachtbar, trifft, gehört zu den fiktiven Konstruktionen dieses Buches. Das übrige Material ist zu weiten Teilen authentisch. Die Autorin - die unter ihrem richtigen Namen Eva Gesine Baur Biographien, unter dem Pseudonym "Lea Singer" Romane schreibt - konnte in Zürich Teile des Nachlasses von Nico Kaufmann einsehen. Kaufmann wurde 1937, mit 21 Jahren, für zwei Jahre der Klavierschüler und Geliebte von Horowitz. Briefe und Fragmente einer Autobiographie haben sich erhalten.
Aus diesem Material bezieht der Roman seine Dringlichkeit, weil Horowitz noch immer eine Figur des öffentlichen Interesses ist. Dabei teilt Singer nichts grundsätzlich Neues mit. Schon Glenn Plaskin hatte 1982 in seiner - vom Pianisten nicht autorisierten, gleichwohl auch nicht verbotenen - Horowitz-Biographie beschrieben, zu welchen psychischen und familiären Verwerfungen die unterdrückte Homosexualität des Künstlers geführt hatte. Auf der Website www.schwulengeschichte.ch kann man zudem umfangreiche, recht sachliche Artikel von Ernst Ostertag lesen, die dieser schon 2006 veröffentlicht hat und die viele Auszüge aus dem Briefwechsel zwischen Horowitz und Kaufmann, dazu Zitate aus Kaufmanns fragmentarischen Memoiren enthalten. Kaufmann selbst, 1996 verstorben, hat das Andenken an Horowitz so diskret bewahrt, dass er zu Lebzeiten damit ebenso wenig an die Öffentlichkeit gegangen war wie mit seiner engen Freundschaft zu Thomas Manns jüngster Tochter Elisabeth.
Singer geht es in ihrem Buch nicht darum, Geheimnisse auszuplaudern. Sexuelle Details interessieren sie gleich gar nicht. Küsse und Codes werden getauscht, ansonsten beschreibt sie mit großem Ernst, aber auch Taktgefühl eher die gesellschaftlichen Seiten einer geächteten Form von Sexualität: die Heimlichkeit, die Verachtung, den Druck, die Schuldgefühle, die Depressionen.
Horowitz selbst ist bei ihr nicht nur Opfer, sondern auch manipulativer Narzisst, der seinen Künstlerstatus als Machtgefälle nutzt, um bei Kaufmann Schuldgefühle zu erzeugen. Wie problematisch die Ehe zwischen Horowitz und Wanda Toscanini, der Tochter des Dirigenten Arturo Toscanini, war, wird erfreulicherweise mehr angedeutet als ausgekostet. Singer schlägt sich nicht einfach auf die Seite derer, die behaupten, der Toscanini-Clan habe Horowitz durch Demütigung das Rückgrat gebrochen. Bei ihr bleibt der Pianist, wenngleich in die Enge getrieben, eine wehrhafte Diva. Aber dass Wanda ihren Mann mit der Androhung eines Selbstmordes zur Trennung von Kaufmann erpresst hat, lässt Singer anklingen.
Bei allem Taktgefühl und allem Ernst werden an solchen Stellen die Probleme einer romanhaften Darstellungsweise spürbar. Man möchte die Quellen selbst kennenlernen und sie von den Interpretationen trennen können. Eine so schwerwiegende Behauptung, dass Sergej Rachmaninow, Horowitz' Idol und Mentor, Homosexuelle verachtet haben soll, würde man gern näher belegt sehen. Als Halbwüchsiger hatte sich Rachmaninow der Zudringlichkeiten seines Klavierlehrers Nikolaj Swerew erwehren müssen, was seine Verachtung erklären könnte, doch zugleich war er Protegé des ebenfalls homosexuellen Peter Tschaikowsky, den er schwärmerisch verehrte. Was Kaufmann, was Horowitz mit Rachmaninow erlebt haben, wüsste man gern genauer.
Dennoch setzt Singer künstlerisches Handeln und biographische Umstände sensibel und keineswegs platt zueinander in Bezug. Horowitz' einzigartig persönliches Klavierspiel, in dem der Klangreiz des Augenblicks oft gegen eine kontrollierte Darstellung des Ganzen rebelliert, ist eine in die Kunst ausgelagerte ertrotzte Freiheit des Sinnlichen. Doch Kaufmann, der früh Einblick in die psychischen Katastrophen von Horowitz' Existenz erhält, entschließt sich bald, die Last eines ungelebten Lebens abzuwerfen und sich selbst nicht mehr zu verleugnen. Wenn man die im Internet zu lesenden Berichte kennt, muss er ein großzügiger und glücklicher Mensch gewesen sein.
Doch wenn man - was Singer zitiert - im "Spiegel" von 1982 Horowitz' "Bonmot in eigener Sache" liest: "Es gibt nur jüdische, schwule und schlechte Pianisten" und dann den Nachsatz des Journalisten: "Horowitz ist weder schwul noch schlecht", dann kommt einem dieser alte Ton der Amüsiertheit zusammen mit der Süffisanz in der Schilderung von Horowitz' Extravaganzen nach der Lektüre dieses so ganz anderen Romans erst recht beklemmend vor.
JAN BRACHMANN
Lea Singer: "Der Klavierschüler". Roman.
Kampa Verlag, Zürich 2019. 224 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Der junge Schweizer Kampa-Verlag beweist mit dieser Publikation Instinktsicherheit: "Der Klavierschüler ist in jeder Hinsicht aktueller Roman, obwohl er einen Roadmovie zweier Männer durch die Schweiz im Jahr 1986 erzählt, in dem einer der beiden dem anderen eine lange …
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Der junge Schweizer Kampa-Verlag beweist mit dieser Publikation Instinktsicherheit: "Der Klavierschüler ist in jeder Hinsicht aktueller Roman, obwohl er einen Roadmovie zweier Männer durch die Schweiz im Jahr 1986 erzählt, in dem einer der beiden dem anderen eine lange verheimlichte Geschichte aus den Jahren 1937 bis 1939 offenbart: seine authentische und in Briefen belegte Liebesaffäre mit dem damals berühmtesten Pianisten der Welt, Vladimir Horowitz. Aktuell ist dieser Roman in vielerlei Hinsichten, die hier nicht alle verraten werden sollen.
Obwohl die Liebe zwischen zwei Männern Thema ist, berührt dieser Roman jeden. Es geht darin um Depression und um Sinnsuche, um die Frage, ob es lohnend ist, der Karriere wegen seine Liebe und seine sexuelle Identität zu verraten, um die Möglichkeiten des Glücks. Kern des Buches bildet die spektakuläre Entdeckung von Briefen, die Horowitz an seinen jungen Geliebten, der zugleich dein erster Klavierschüler war, schrieb. Das wird hier aber nicht sensationsgierig ausgeschlachtet, sondern bewegend und spannend mit großer Einfühlsamkeit, in knapper, treffsicherer Sprache erzählt. Ein Seelendrama voller komischer Momente und großer Menschlichkeit, erheiternd und erhellend.
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Broschiertes Buch
“...man muss nicht Thomas Mann sein. In jedem Menschen lebt vermutlich der Wunsch, erkannt zu werden. Erkannt als das, was er ist oder war.” (S. 126)
“Der Klavierschüler” von Lea Singer hat meines Erachtens ein klares Zielpublikum: Intellektuelle. Wer sich so gar …
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“...man muss nicht Thomas Mann sein. In jedem Menschen lebt vermutlich der Wunsch, erkannt zu werden. Erkannt als das, was er ist oder war.” (S. 126)
“Der Klavierschüler” von Lea Singer hat meines Erachtens ein klares Zielpublikum: Intellektuelle. Wer sich so gar nicht mit der Welt der europäischen Künstler*innen der 1930er Jahre auskennt, der hat hier schlechte Karten, überhaupt einen Einstieg zu finden. Klar, es geht eigentlich um eine Liebesgeschichte und die sollte ja für jede/n zugänglich sein, oder? Aber die Liebe zwischen dem Protagonisten, dem Schweizer Musiker Nico Kaufmann (1916-1986) und dem russischen Star-Pianisten Vladimir Horowitz (1903-1989) wird schon auf sehr verkopfte Weise präsentiert. Klar, das Buch ist hervorragend recherchiert und komponiert, aber selbst für die, denen Namen wie Antonio Borgese und Nathan Milstein etwas sagen, ist es eher geistige Arbeit als Lesevergnügen.
"Der Klavierschüler” ist mehr fiktionalisierte Zeitgeschichte und literarische Autobiografie als ein klassisches Stück Literatur. Die Autorin hat sich am realen Leben von Nico Kaufmann orientiert. Als Basis ihrer Erzählung hat sie die Briefe von Horowitz an seinen Schüler Nico Kaufmann aus den Jahren 1937-1939 und dessen unveröffentlichte Romanfragmente quasi als Erste gesichtet und ausgewertet. Sie bilden das Grundgerüst der Handlung. Einzig durch den “Fremden” (Donati), den Singer als fiktionale Figur (glaube ich) einführt und der wegen der von Kaufmann gespielten Musik noch am Leben ist und jetzt seine Geschichte hört, verleiht sie der erzählten Biografie eine literarische Komponente.
Die Handlung ist spröde und an sich schon nicht so leicht zugänglich. Das liegt meines Erachtens an der verschachtelten Erzählsituation und auch an den fehlenden Anführungszeichen bei der direkten Rede. Man muss sich vieles erschließen: Wer spricht und welche Zeitebene wird besprochen. Die Rahmenhandlung spielt 1986 in Zürich, wo Nico Hoffmann auf den suizidgefährdeten Donati trifft. Am Anfang wird dieser Donati von der Schweizer Gesellschaft für Sterbehilfe gesucht, um ihn seinen finalen Drink, für den er unterschrieben hat, zu verabreichen. Donati entkommt aber, weil er Musik (Schumanns “Träumerei”) hören möchte. In einem Luxushotel trifft er auf Kaufmann, der ihm das Stück spielt und anschließend seine Lebensgeschichte erzählt. Dafür machen sie einen kleinen Roadtrip durch Zürich und drum herum. Bis auf ganz zu Beginn fehlt der Spannungsbogen und ich tat mich etwas schwer, an der Geschichte dranzubleiben.
Wenn ich an den Roman denke, kommen mir Nomen in den Sinn, die sich leitmotivisch durch dieses Buch ziehen: Musik, Klang, Sünde, Tod, Unsterblichkeit. Außerdem die Missachtung und Verfolgung, der Homosexuelle im 20. Jahrhundert ausgesetzt waren. Eine traurige Zeit und es bleibt uns allen zu hoffen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Momentan sieht die Zukunft nicht so rosig aus und wir sollten wo es geht, die Fahne der Menschlichkeit und Toleranz hoch halten.
Ein sehr gutes, aber schwer zugängliches Buch mit einem schweren geistigen Überbau, in dem wir zwar eine Liebesgeschichte, aber nur wenig direkte erzählte Interaktion zwischen den Liebenden haben. Ich kann “Der Klavierschüler” allen empfehlen, die sich für queere Geschichte und Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts interessieren.
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