
J. M. Coetzee
Buch mit Leinen-Einband
Der Junge
Eine afrikanische Kindheit
Übersetzung: Böhnke, Reinhild
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J. M. Coetzees eindringliches, vollkommen unsentimentales, dabei oft genug hochpoetisches Erinnerungsbuch an eine schwierige Kindheit in Südafrika liest sich wie ein Roman. Als Meisterwerk narrativer Autobiographik von der Kritik gefeiert, zeichnet das Buch das Portrait eines Jungen, in dem sich schon früh der Schriftsteller ankündigt.
J. M. Coetzee, geb. 1940 in Kapstadt, lehrte von 1972 bis 2002 als Literaturprofessor in seiner Heimatstadt und gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart. Er wurde für seine Romane und sein umfangreiches essayistisches Werk mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a. zweimal mit dem Booker Prize. 22003 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Coetzee lebt seit 2002 in Adelaide, Australien.
Reinhild Böhnke, geb. 1944 in Bautzen, ist als literarische Übersetzerin in Leipzig tätig. Sie ist Mitbegründerin des sächsischen Übersetzervereins. Seit 1988 überträgt sie die Werke J. M. Coetzees ins Deutsche, weiter hat sie u.a. Werke von Margaret Atwood, Rebecca Miller, Nuruddin Farah, D. H. Lawrence und Mark Twain ins Deutsche übertragen.
Reinhild Böhnke, geb. 1944 in Bautzen, ist als literarische Übersetzerin in Leipzig tätig. Sie ist Mitbegründerin des sächsischen Übersetzervereins. Seit 1988 überträgt sie die Werke J. M. Coetzees ins Deutsche, weiter hat sie u.a. Werke von Margaret Atwood, Rebecca Miller, Nuruddin Farah, D. H. Lawrence und Mark Twain ins Deutsche übertragen.

Produktdetails
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- Originaltitel: Boyhood, Scenes from Provincial Life
- 1998.
- Seitenzahl: 199
- Deutsch
- Abmessung: 210mm
- Gewicht: 362g
- ISBN-13: 9783100108111
- ISBN-10: 3100108116
- Artikelnr.: 07537742
Herstellerkennzeichnung
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Junge Hunde am Kap
Afrika ins Herz blicken: J. M. Coetzees Kindheitserinnerungen
Südafrika ist für die meisten Europäer weit weg vom Schuß, selbst wenn sie aufmerksam die Nachrichten studieren und allen Vorgängen in jenem Staat Aufmerksamkeit schenken, empört oder beifällig, je nachdem. Was anderes kann dabei herauskommen als Manifestationen allgemeinen Verlangens nach Frieden und Gerechtigkeit, projiziert auf das Land am Kap der Guten Hoffnung? Verstehen läßt sich fremdes Leben nur, wenn man wenigstens eine Zeitlang daran teilhat. Wer aus der Ferne zuschaut, wird von Südafrikas Parteiungen kaum mehr begreifen als seinerzeit Winston Churchill von den innersowjetischen Kabalen der Stalin-Ära: "Es ist", soll der
Afrika ins Herz blicken: J. M. Coetzees Kindheitserinnerungen
Südafrika ist für die meisten Europäer weit weg vom Schuß, selbst wenn sie aufmerksam die Nachrichten studieren und allen Vorgängen in jenem Staat Aufmerksamkeit schenken, empört oder beifällig, je nachdem. Was anderes kann dabei herauskommen als Manifestationen allgemeinen Verlangens nach Frieden und Gerechtigkeit, projiziert auf das Land am Kap der Guten Hoffnung? Verstehen läßt sich fremdes Leben nur, wenn man wenigstens eine Zeitlang daran teilhat. Wer aus der Ferne zuschaut, wird von Südafrikas Parteiungen kaum mehr begreifen als seinerzeit Winston Churchill von den innersowjetischen Kabalen der Stalin-Ära: "Es ist", soll der
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große Brite gesagt haben, "als wenn Hunde unter einer Decke rangeln."
Nun aber bietet sich interessierten Europäern die Chance, Südafrika tief ins Herz zu blicken. Das Buch, aus dem sie lernen können, erschien 1997 im englischsprachigen Original, jetzt liegt es auch in einer lobenswerten deutschen Übersetzung vor, deren Urheberin Reinhild Böhnke nirgendwo vergaß, daß sie keinen beliebigen Text, sondern ein Dichtwerk zu übertragen hatte. Wir haben es mit einer Lektüre zu tun, die im gleichen Atemzug belehrt und ästhetischen Genuß bereitet. Wer ein bißchen Ahnung hat von südafrikanischer Literatur, wundert sich darüber nicht. Der mehrfach preisgekrönte Autor J. M. Coetzee zählt zu den angesehensten Schriftstellern seines Heimatlandes; in Deutschland zeugen fünf übersetzte Romane von seinem Rang.
Auch das neue Werk könnte der Form nach durchaus ein Roman sein, erschien aber ohne Gattungsbezeichnung; statt dessen gibt es sich in Titel und Untertitel zu erkennen. Im Original heißt es: "Boyhood. Scenes from Provincial lift". Die deutsche Version nimmt Rücksicht auf deutsche Ahnungslosigkeiten und formuliert konkreter: "Der Junge. Eine afrikanische Kindheit". Wir haben es also mit einer Autobiographie zu tun - eine Erkenntnis, die wir nur zögernd äußern, weil der Begriff zu eng scheint, um dem Werk gerecht zu werden. Kein Zweifel, daß uns Coetzee von seinem eigenen Leben erzählt, und natürlich steht der Knabe, der er einmal war, im Zentrum der Darstellung. Aber eben nicht bloß als privates Geschöpf, sondern auch, vielleicht sogar vor allem, als Mittler dessen, was seine Zeit und seine Zeitgenossen charakterisierte. Anders ausgedrückt: Coetzee verstrickt uns in die Geschichte eines Heranwachsenden, der seine südafrikanische Wirklichkeit Schritt für Schritt kennenlernt und uns, die wir lesend in seine Intimität eindringen, mit sich nimmt auf den mühseligen Weg der Erkenntnis. Es beeindruckt, wie präzis der Autor das Gleichgewicht zwischen der Position seines kindlichen und der seines gereiften Ichs wahrt. Da der Erwachsene, nicht der Kleine, die Erlebnisse wiedergibt, läßt sich die Sicht des Erwachsenen aus der Erzählung nicht heraushalten. Coetzee versucht das auch gar nicht erst - zum Vorteil des Buches, das gewiß Schaden genommen hätte, wäre es gewaltsam auf Kindermund getrimmt worden. Aber nirgends bevormundet er das unerfahrene Kind, das er vor Zeiten gewesen ist. Er respektiert dessen kleine Persönlichkeit, wozu auch gehört, daß er den Knaben niemals durch ein "Ich" vereinnahmt, sondern immer durch ein "Er" verselbständigt. Im jungen Helden dürfen auch wir, die fremden Leser, uns respektiert fühlen, die wir soviel von seiner Unerfahrenheit teilen. Das macht es angenehm, beim Meister Coetzee in die Lehre zu gehen.
Der Autor wurde 1940 geboren, war also 1946/47 alt genug, um die Welt, in der er lebte, wahrzunehmen. Etwa um jene Zeit setzt die autobiographische Erzählung ein; sie reicht bis ungefähr 1953. Die Familie - Vater, Mutter, zwei Söhne - ist im öden Provinznest Worcester, 160 Kilometer nördlich von Kapstadt, gestrandet. Coetzee senior, ein erfolgloser Rechtsanwalt, erwies sich als untauglich für die Anforderungen der großen Städte. Er wird später noch kläglicher versagen und die Seinen fast ruinieren. Der Junge verübelt dem Vater die Schwächen, er ist Mutters Sohn, was ihn nicht hindert, sich manchmal machohaft zu gebärden. Das ist nicht seine einzige Ungereimtheit, in des Kleinen Seele wohnen viele Widersprüche, der Autor hat sie mit dem Ziselierhämmerchen herausgeformt. Zum Beispiel liebt der Junge über alles die Farm, der sein Vater entstammt, spürt aber nicht die geringste Lust zur Farmarbeit. Er sieht sich gern in heroischen Posen, aber wenn seine Lehrer mit dem Rohrstock die Schulordnung durchsetzen, erstirbt er in hysterischen Sklavengefühlen.
Er ist eben viel zu jung, um konsequent denken und leben zu können. Mehr noch schlägt zu Buche, daß er in Sachen Konsequenz kein Vorbild hat, weder die einzelnen Erwachsenen noch die Gesellschaft als Ganzes liefern ihm entsprechende Muster. Von Politik und Geschichte Südafrikas kennt er nur die populistischen Anekdoten, er vermag das Gefüge seiner Gegenwart nicht zu durchschauen. Aber dessen Auswirkungen auf seinen Alltag erlebt und registriert er, und mit seinen Kinderaugen blicken wir hinter die fremden Kulissen. Die burischen Afrikaaner begegnen dem Jungen als stiernackige, mißmutig-neidische Raufbolde. Er bevorzugt die geschmeidigen englischen Blondköpfe, dies jedoch schlechten Gewissens, denn die eigene Familie ist afrikanischer Abstammung, sie verbirgt es nur hinter krampfiger Anglisierung.
Welcher der weißen Gruppen gehört nun von Rechts wegen die süafrikanische Heimat? Am Ende keiner von beiden, wenn es stimmt, was der Junge hört, daß nämlich lange vor ihnen die Hottentotten am Kap zu Hause waren. Andererseits sind Schwarze - der kleine Coetzee hat seine Lektion gelernt - Menschen minderen Ranges. Man kann Freunde unter ihnen haben, zum Beispiel unter dem schwarzen Personal der geliebten Farm. Aber kann man ihnen das Land ausliefern?
Dem Jungen wird zugemutet, mit einer Welt zurechtzukommen, der nicht einmal die Großen gewachsen sind, gerade sie nicht. Das ist keine südafrikanische Spezialität, es geht ja überall so zu in der Welt. Und deshalb ist die Geschichte vom kleinen J. M. Coetzee im Prinzip jedermanns Geschichte. Trotz anderer Sprachen, aus der Mode gekommener Kleider, fremder Sitten, nicht geteilter Tageserlebnisse können wir uns im Kind Coetzee und in dessen Zeitgenossen selber begegnen, dazu gehört nur etwas selbstkritische Aufrichtigkeit. Das kleine Werk erschöpft sich nicht in der klugen Expertise über die Geburtsfehler der südafrikanischen Gesellschaft. Es betört vor allem durch die Poesie, die ungeachtet aller Kritik in der Schilderung dieser Kindheit waltet und durch sämtliche Buchseiten leuchtet. SABINE BRANDT
J. M. Coetzee: "Der Junge. Eine afrikanische Kindheit". Aus dem Englischen übersetzt von Reinhild Böhnke. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1998. 199 S., geb., 34,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nun aber bietet sich interessierten Europäern die Chance, Südafrika tief ins Herz zu blicken. Das Buch, aus dem sie lernen können, erschien 1997 im englischsprachigen Original, jetzt liegt es auch in einer lobenswerten deutschen Übersetzung vor, deren Urheberin Reinhild Böhnke nirgendwo vergaß, daß sie keinen beliebigen Text, sondern ein Dichtwerk zu übertragen hatte. Wir haben es mit einer Lektüre zu tun, die im gleichen Atemzug belehrt und ästhetischen Genuß bereitet. Wer ein bißchen Ahnung hat von südafrikanischer Literatur, wundert sich darüber nicht. Der mehrfach preisgekrönte Autor J. M. Coetzee zählt zu den angesehensten Schriftstellern seines Heimatlandes; in Deutschland zeugen fünf übersetzte Romane von seinem Rang.
Auch das neue Werk könnte der Form nach durchaus ein Roman sein, erschien aber ohne Gattungsbezeichnung; statt dessen gibt es sich in Titel und Untertitel zu erkennen. Im Original heißt es: "Boyhood. Scenes from Provincial lift". Die deutsche Version nimmt Rücksicht auf deutsche Ahnungslosigkeiten und formuliert konkreter: "Der Junge. Eine afrikanische Kindheit". Wir haben es also mit einer Autobiographie zu tun - eine Erkenntnis, die wir nur zögernd äußern, weil der Begriff zu eng scheint, um dem Werk gerecht zu werden. Kein Zweifel, daß uns Coetzee von seinem eigenen Leben erzählt, und natürlich steht der Knabe, der er einmal war, im Zentrum der Darstellung. Aber eben nicht bloß als privates Geschöpf, sondern auch, vielleicht sogar vor allem, als Mittler dessen, was seine Zeit und seine Zeitgenossen charakterisierte. Anders ausgedrückt: Coetzee verstrickt uns in die Geschichte eines Heranwachsenden, der seine südafrikanische Wirklichkeit Schritt für Schritt kennenlernt und uns, die wir lesend in seine Intimität eindringen, mit sich nimmt auf den mühseligen Weg der Erkenntnis. Es beeindruckt, wie präzis der Autor das Gleichgewicht zwischen der Position seines kindlichen und der seines gereiften Ichs wahrt. Da der Erwachsene, nicht der Kleine, die Erlebnisse wiedergibt, läßt sich die Sicht des Erwachsenen aus der Erzählung nicht heraushalten. Coetzee versucht das auch gar nicht erst - zum Vorteil des Buches, das gewiß Schaden genommen hätte, wäre es gewaltsam auf Kindermund getrimmt worden. Aber nirgends bevormundet er das unerfahrene Kind, das er vor Zeiten gewesen ist. Er respektiert dessen kleine Persönlichkeit, wozu auch gehört, daß er den Knaben niemals durch ein "Ich" vereinnahmt, sondern immer durch ein "Er" verselbständigt. Im jungen Helden dürfen auch wir, die fremden Leser, uns respektiert fühlen, die wir soviel von seiner Unerfahrenheit teilen. Das macht es angenehm, beim Meister Coetzee in die Lehre zu gehen.
Der Autor wurde 1940 geboren, war also 1946/47 alt genug, um die Welt, in der er lebte, wahrzunehmen. Etwa um jene Zeit setzt die autobiographische Erzählung ein; sie reicht bis ungefähr 1953. Die Familie - Vater, Mutter, zwei Söhne - ist im öden Provinznest Worcester, 160 Kilometer nördlich von Kapstadt, gestrandet. Coetzee senior, ein erfolgloser Rechtsanwalt, erwies sich als untauglich für die Anforderungen der großen Städte. Er wird später noch kläglicher versagen und die Seinen fast ruinieren. Der Junge verübelt dem Vater die Schwächen, er ist Mutters Sohn, was ihn nicht hindert, sich manchmal machohaft zu gebärden. Das ist nicht seine einzige Ungereimtheit, in des Kleinen Seele wohnen viele Widersprüche, der Autor hat sie mit dem Ziselierhämmerchen herausgeformt. Zum Beispiel liebt der Junge über alles die Farm, der sein Vater entstammt, spürt aber nicht die geringste Lust zur Farmarbeit. Er sieht sich gern in heroischen Posen, aber wenn seine Lehrer mit dem Rohrstock die Schulordnung durchsetzen, erstirbt er in hysterischen Sklavengefühlen.
Er ist eben viel zu jung, um konsequent denken und leben zu können. Mehr noch schlägt zu Buche, daß er in Sachen Konsequenz kein Vorbild hat, weder die einzelnen Erwachsenen noch die Gesellschaft als Ganzes liefern ihm entsprechende Muster. Von Politik und Geschichte Südafrikas kennt er nur die populistischen Anekdoten, er vermag das Gefüge seiner Gegenwart nicht zu durchschauen. Aber dessen Auswirkungen auf seinen Alltag erlebt und registriert er, und mit seinen Kinderaugen blicken wir hinter die fremden Kulissen. Die burischen Afrikaaner begegnen dem Jungen als stiernackige, mißmutig-neidische Raufbolde. Er bevorzugt die geschmeidigen englischen Blondköpfe, dies jedoch schlechten Gewissens, denn die eigene Familie ist afrikanischer Abstammung, sie verbirgt es nur hinter krampfiger Anglisierung.
Welcher der weißen Gruppen gehört nun von Rechts wegen die süafrikanische Heimat? Am Ende keiner von beiden, wenn es stimmt, was der Junge hört, daß nämlich lange vor ihnen die Hottentotten am Kap zu Hause waren. Andererseits sind Schwarze - der kleine Coetzee hat seine Lektion gelernt - Menschen minderen Ranges. Man kann Freunde unter ihnen haben, zum Beispiel unter dem schwarzen Personal der geliebten Farm. Aber kann man ihnen das Land ausliefern?
Dem Jungen wird zugemutet, mit einer Welt zurechtzukommen, der nicht einmal die Großen gewachsen sind, gerade sie nicht. Das ist keine südafrikanische Spezialität, es geht ja überall so zu in der Welt. Und deshalb ist die Geschichte vom kleinen J. M. Coetzee im Prinzip jedermanns Geschichte. Trotz anderer Sprachen, aus der Mode gekommener Kleider, fremder Sitten, nicht geteilter Tageserlebnisse können wir uns im Kind Coetzee und in dessen Zeitgenossen selber begegnen, dazu gehört nur etwas selbstkritische Aufrichtigkeit. Das kleine Werk erschöpft sich nicht in der klugen Expertise über die Geburtsfehler der südafrikanischen Gesellschaft. Es betört vor allem durch die Poesie, die ungeachtet aller Kritik in der Schilderung dieser Kindheit waltet und durch sämtliche Buchseiten leuchtet. SABINE BRANDT
J. M. Coetzee: "Der Junge. Eine afrikanische Kindheit". Aus dem Englischen übersetzt von Reinhild Böhnke. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1998. 199 S., geb., 34,- DM.
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