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Castigliones Hofmann ist das Gegenteil von Macchiavellis Fürst. Am Hof des Montefeltro in Urbino unterhalten sich Damen und Herren über Sitten, Kultur und darüber, was Menschen angenehm und liebenswert erscheinen lässt. Aber nicht die Geburt, heißt es gleich zu Anfang, sondern der Adel des Geistes bestimmt das Geschick - das erste Zeichen für die Heraufkunft des bürgerlichen Zeitalters und ein Benehmen, an dem sich noch Knigge orientiert hat.Die Auswahl enthält alle wichtigen Vorstellungen, die Castiglione den Mitgliedern der Tischrunde in den Mund legt. Recht hat, wer im Streitgespräch…mehr

Produktbeschreibung
Castigliones Hofmann ist das Gegenteil von Macchiavellis Fürst. Am Hof des Montefeltro in Urbino unterhalten sich Damen und Herren über Sitten, Kultur und darüber, was Menschen angenehm und liebenswert erscheinen lässt. Aber nicht die Geburt, heißt es gleich zu Anfang, sondern der Adel des Geistes bestimmt das Geschick - das erste Zeichen für die Heraufkunft des bürgerlichen Zeitalters und ein Benehmen, an dem sich noch Knigge orientiert hat.Die Auswahl enthält alle wichtigen Vorstellungen, die Castiglione den Mitgliedern der Tischrunde in den Mund legt. Recht hat, wer im Streitgespräch besser, witziger und logischer argumentiert. Überraschendes wird auch zur Gleichberechtigung der Frauen gesagt, über Schönheit und die effektivste Art der Liebeswerbung.
Autorenporträt
Baldassare Castiglione, 1478 in Casatico geboren, wurde 1499 Höfling in Mantua und trat 1504 in die Dienste Guidobaldo da Montefeltros in Urbino. Zwischen 1508 und 1518 schrieb er sein »Libro del cortegiano«. Castiglione starb 1529 im spanischen Toledo.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.1996

Raffinement vs. Reglement
Peter Burke folgt den Spuren des "Hofmann" / Von Bernd Roeck

Der Ort der Schöpfung des "Cortegiano", zu deutsch "Hofmann", ist noch vorhanden: der Herzogspalast von Urbino, jenem kleinen Städtchen in Mittelitalien, das dank dem erfolgreichen Söldnerführer und geschmackvollen Kunstmäzen Federico da Montefeltro in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu einem der Zentren der Renaissancekultur wurde. Der Bau ist Kulisse eines der berühmtesten Gespräche der Weltliteratur. An vier aufeinanderfolgenden Abenden läßt Baldassare Castiglione eine illustre Gesellschaft sich dort versammeln, zur Unterhaltung darüber, was den vollkommenen Hofmann ausmache. In geschickter Regie lenkt der Autor, als Diplomat wohlvertraut mit dem höfischen Leben seiner Zeit, die Auftritte der über zwanzig Gesprächsteilnehmer. Er gestaltet ihre Diskurse über Umgangsformen, über das Äußere und über den Charakter des Hofmanns zu einem Ereignis von sublimer Kultiviertheit. Man redet bis in die erste Morgendämmerung über die Kenntnisse und Fähigkeiten, die der "Cortegiano" besitzen soll, gelangt zu Schlüssen über sein Verhältnis zum Fürsten, seinem Herrn, und konzipiert mit funkelndem Esprit sein weibliches Gegenstück, die Hofdame.

Wohl läßt Castiglione die Gesellschaft mit gewichtigen, ernsthaften Argumenten streiten; niemand wird verkennen, daß das Kolloquium getragen wird von profunder humanistischer Bildung - und doch liegt eine Atmosphäre von Leichtigkeit, von Zwanglosigkeit und Nonchalance über allem. Der Autor zeigt schon mit dem Stil der fiktiven Wortwechsel, was er sich unter jener schwer übersetzbaren "sprezzatura" vorstelle, die als eine der vorzüglichsten Eigenschaften des perfekten Hofmannes gerühmt wird.

Wie Castigliones Gedanken und Begriffe in andere Sprachen und für spätere Gesellschaften - das Jahr der Erstpublikation des "Cortegiano" ist 1528 - übersetzt werden, gehört zu den zentralen Fragestellungen, denen Peter Burke in seinem Buch nachgeht. Er verfolgt die Schicksale einer Kunstfigur, fragt nach der Faszination, welche dieser Abgesandte der italienischen Höfe des beginnenden sechzehnten Jahrhunderts ausgestrahlt hat, oder auch nach möglicher Kritik, deren man den Hofmann und die Werte, für die er stand, unterzog.

Burkes Wanderung durch Länder und Zeiten zeigt, daß der an Übersetzungen und Neuauflagen ablesbare Erfolg bis etwa ins zweite Jahrzehnt des siebzehnten Jahrhunderts anhielt. Er repräsentierte einen sozialen Typus, der seinen Platz in den Freiräumen hatte, welche die höfische Kultur des Humanismus formte: wo in erster Linie Bildung, Geist und Umgangsformen Unterschiede bedingten.

Entgegen landläufiger Anschauung war die Epoche des höfischen Absolutismus der Rezeption des "Cortegiano" offenbar nicht günstig, Burke kann das mit guten Argumenten belegen. Er zeigt, wie einerseits die Gegenreformation mit ihren rigiden moralischen Maßstäben das "Cortegiano"-Ideal beschädigte. Auch von der zeitgenössischen Hofkritik blieb es natürlich nicht verschont. Aber es war offenbar vor allem der Eiseshauch der Staatsräson, unter dem die urbinatische "sprezzatura" verwehte. An einem Hof wie Versailles, einer präzise funktionierenden Herrschaftsmaschine, wo ein rigides Zeremoniell den Alltag bis ins kleinste regelte, Distanzzonen schuf, in die man ungestraft nicht eindringen konnte, war für Castigliones Idealgestalt kein Platz mehr. Aus dem "Cortegiano", dem Mann eigenen Rechts, der es mit souveräner Lässigkeit versteht, seine Verhaltenskunst nicht in ihrem Kunstcharakter zu zeigen, wird das Rädchen im Getriebe; der Hofmann wird zum Höfling.

Erst in der Zeit der Salons als typischer Geselligkeitsform der Aufklärung reüssiert der "Cortegiano", nun allerdings unter veränderten Vorzeichen, erneut. Ebenfalls verspätet, so Burkes Befund, macht er in Gesellschaften wie der niederländischen sein Glück (hier erschien eine erste Übersetzung erst 1662): Er wertet dies als Indiz für den fortschreitenden Aristokratisierungsprozeß der bürgerlichen Eliten der Kaufleuterepublik.

Zu einer "Europäisierung Europas", zur kulturellen Integration des Kontinents, hat der "Cortegiano" also nur zeitweilig und in regional ganz unterschiedlicher Weise seinen Beitrag geleistet. Seine Wirkung in Osteuropa war - mit der allerdings bezeichnenden und bemerkenswerten Ausnahme Polen - gering.

Gleichwohl gelangte man auch in Gesellschaften, wo niemand etwas von Urbino und dem "Cortegiano" wußte, zur Kreation von idealen Verhaltensmustern, die in manchem dem entsprachen, was Castigliones "perfekten Hofmann" auszeichnen sollte. Burke findet Beispiele in asiatischen Gesellschaften; und er hat gewiß recht, wenn er bemerkt, daß die "Kids" unserer Tage, wenn sie sich lässigen, überlegenen Gehabes befleißigen, dies kaum deshalb tun, weil sie von Castigliones "sprezzatura" gelesen haben.

Ergänzend zur Übersetzung von Burkes eleganter Studie, deren klarer Stil und gelassene Argumentation zeigen, wie nahe ihr Autor selbst manchen Idealen seines Gegenstands ist, hat der Verlag eine wohlfeile, stark gekürzte Ausgabe des Originaltexts vorgelegt. Über die Auswahl der Textstellen läßt sich, wie immer, streiten - die aufschlußreiche Einleitung Castigliones hätte unbedingt mit aufgenommen gehört, und man wünschte sich wohl auch die sozialhistorisch wichtigen Diskurse über die Bedeutung vornehmer Geburt für den wahren Hofmann (I. 14 bis 16) -, dennoch wird dem Leser von Burkes Buch die Möglichkeit willkommen sein, seine Eindrücke durch die Lektüre von Auszügen der Quelle zu vertiefen.

Peter Burke: "Die Geschichte des ,Hofmann'". Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten. Aus dem Englischen von Ebba D. Drolshagen. 214 S., 8 Bildtafeln, geb., 48,- DM.

Baldassare Castiglione: "Der Hofmann". Lebensart in der Renaissance. Aus dem Italienischen von Albert Wesselski. Vorwort von Andreas Beyer. 140 S., Abb., br., 17,80 DM.

Beide Bücher sind im Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 1996, erschienen.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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