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Sturla ist ein Dichter aus Island. Er hat das große Los gezogen: Als einziger Vertreter seines Landes wird er zu einem Literaturfestival nach Litauen eingeladen. Doch der Ausflug wird zum Horrortrip. In Vilnius angekommen, wird er des Plagiats bezichtigt. Statt seine Gedichte vorzulesen, muss er seine Unschuld beweisen. Und dann wird ihm noch sein nagelneuer Mantel geklaut. Aber in seiner größten Not rettet ihn das Glück in Gestalt der schönen Liliya. Alles wendet sich auf wundersame Weise zum Guten - nicht ohne ein paar unerlaubte Tricks. Ein unterhaltsamer und vielschichtiger Roman darüber,…mehr

Produktbeschreibung
Sturla ist ein Dichter aus Island. Er hat das große Los gezogen: Als einziger Vertreter seines Landes wird er zu einem Literaturfestival nach Litauen eingeladen. Doch der Ausflug wird zum Horrortrip. In Vilnius angekommen, wird er des Plagiats bezichtigt. Statt seine Gedichte vorzulesen, muss er seine Unschuld beweisen. Und dann wird ihm noch sein nagelneuer Mantel geklaut. Aber in seiner größten Not rettet ihn das Glück in Gestalt der schönen Liliya. Alles wendet sich auf wundersame Weise zum Guten - nicht ohne ein paar unerlaubte Tricks. Ein unterhaltsamer und vielschichtiger Roman darüber, dass nichts unmöglich ist, solange man gute Einfälle hat, und dass manchmal kriminelle Energie hilft, um das Schicksal zu beeinflussen.
Autorenporträt
Bragi Ólafsson, 1962 in Reykjavik geboren, war Bassist in der von Björk gegründeten Band Sugarcubes. Er hat Romane, Theaterstücke und Gedichte verfasst.

Tina Flecken, geboren 1968 in Köln. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Verlagslektorin arbeitet sie seit 2005 als freie Übersetzerin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.12.2009

Allein in einem großen Block
Ein Dichter muss was aushalten: Bragi Ólafssons „Der Botschafter”
Ein Lyriker in Reykjavik hat es nicht leicht. Das liegt zum einen Teil an den wenig lyrikfreundlichen Bedingungen, die Reykjavik zu bieten hat, zum anderen daran, dass es Lyriker generell nicht leicht haben. Aber Sturla Jón, der einer von Islands bekannteren Lyrikern ist, kann das nicht viel anhaben. Er findet es ein „gutes Gefühl”, „allein in einem großen Wohnblock in Reykjavik zu wohnen und zahlreiche Werke jenes literarischen Genres veröffentlicht zu haben, von dem die meisten Mieter wohl noch nicht einmal wussten, dass man es in Geschäften kaufen konnte”. Und dennoch nagen Zweifel an Sturla Jón. Hat er die lyrische Form mit seinen Beiträgen bereichert? Sollte er nicht die „verschlissenen Lumpen” der Poesie eintauschen gegen den „maßgeschneiderten Anzug” der Prosa? So reift in ihm der Gedanke, sich dem Roman zuzuwenden – oder sagen wir, dem „Gedicht in freiem Vers”, wie sich „Der Botschafter” im Untertitel nennt. Man hat Sturla als – wie üblich – einzigen Vertreter seines kleinen Landes zu einem Lyrikfestival nach Litauen eingeladen, und die vorauseilende Unlust hat ihn veranlasst, einen kleinen Vorabverriss der Veranstaltung zu formulieren. Der Versuch hat in ihm die Kräfte des Prosaschriftstellers geweckt. Nun soll ein Roman entstehen, wenn auch einer, dessen vorherrschendes Thema die Lyrik ist, ihre Voraussetzungen, ihre Herstellung, ihre Verbreitung und ihre Wirkung. „Der Botschafter” ist wahrscheinlich kein Meilenstein der Weltliteratur, manchmal plätschert er nur halbinteressant und halbamüsant dahin, aber man freundet sich mit Sturla Jón und seinen Kunst- und Lebensreflexionen dann doch bald an und nimmt Anteil an seinem schweren Los.
Als, nun ja, „Botschafter” der isländischen Poesie hat man ihn nach Litauen eingeladen, aber die Reise steht zunächst unter keinem guten Stern. Sein zu Beginn des Romans erworbener Aquascutum-Trenchcoat wird ihm gestohlen, sein Glücksspielgewinn von ein paar tausend Kronen geht in einem litauischen Bordell ohne tiefere Befriedigung flöten, und, was am schlimmsten ist, Sturla Jón wird bei seiner Ankunft in Litauen mit dem Vorwurf der isländischen Presse konfrontiert, er habe ein Gedicht seines verstorbenen Freundes als sein eigenes ausgegeben. Überhaupt gefällt sich Sturla Jón in der Rolle des Unglücksraben. Als Berufsbezeichnung gibt er neben „Lyriker” gern auch „Hausmeister” an, weil die lyrische Produktion allein nicht genug abwirft und fünf Kinder ernährt sein wollen.
Und etwas zu sehr gibt sich Sturla Jón – haben wir es von einem isländischen Lyriker anders erwartet? – dem Genuss von Spirituosen und Tabakwaren hin. Vielleicht war er mal eine große Hoffnung der isländischen Lyrik, aber jetzt ist er einundfünfzig und blickt zurück auf ein buntes, aber nicht unbedingt bedeutendes Leben. Der Literaturbetrieb und ganz besonders internationale Poesiefestivals gehen ihm schwer auf die Nerven, aber zur Verweigerung reicht die Energie dann auch nicht. Wir sehen Sturla Jón geradewegs vor uns, wie er auf einem litauischen oder anderen Festival auftritt: Er wird den meisten Applaus ernten und nach der Lesung am längsten in der Kneipe sitzen, und alle werden sich an ihn erinnern, weil er der einzige Isländer war.
Nun ist die Kritik an Poesiefestivals kein besonders erregendes literarisches Sujet, und auch dieser Roman hat seine stärksten Seiten nicht, wenn die Rituale und Routinen solcher Veranstaltungen aufgespießt werden. Schön ist dann aber doch, wie Sturla Jón in Litauen einer Frau begegnet, die er zuletzt heim nach Minsk begleiten wird. Liliya hat vorab Gedichte von Sturla Jón übersetzt, und seinerseits hat Sturla Jón Gedichte von Liliya übersetzt. Wenn man sich schon gegenseitig übersetzt hat, ist, könnte man denken, Liebe nur der nächste Schritt. Hier jedenfalls ist es so, und Ólafsson schafft es gut, das Erwachen der Gefühle bei den zwei verwandten Seelen so unspektakulär wie innig ins Bild zu setzen – „dann lassen sie voneinander ab und prosten sich mit dem Kirschbrand zu. ‚Auf nach Minsk‘, sagt Sturla. ‚Auf nach Minsk‘, sagt Liliya und fügt lächelnd hinzu: ‚In den Wohnblock meiner Mutter.‘”
Bragi Ólafsson, Lyriker, Theaterautor und nicht erst seit diesem Roman auch Romancier, hat es als Bassist von Björks Sugarcubes zu zeitweiligem Ruhm gebracht. Ein richtiger Popstar ist er nicht geworden – oder vielleicht sehen Popstars in Island aus wie Bragi Ólafson, nämlich genau so unauffällig und leicht verwittert, wie wir uns nach allem auch seinen Helden Sturla Jón vorstellen. Das Unprätentiöse und bis an die Schmerzgrenze Entspannte seiner Figur darf aber nicht ablenken von dem heiligen Ernst, mit dem hier Ólafsson und Sturla Jón die Sache der Lyrik bedenken. „In allem ist Poesie. Das ist das stärkste Argument gegen die Poesie”, heißt es einmal im Roman, ein Wort des berühmten Lyrikers Miroslav Holub. Es ist die Grundskepsis angesichts des künstlich oder künstlerisch erzeugten Poetischen, die die Unscheinbarkeit des Subjekts in diesem Roman forciert. So sieht man durch Tabakschwaden und Alkoholdünste hindurch auch die Umrisse eines poetologisch-philosophischen Essays. CHRISTOPH BARTMANN
BRAGI ÓLAFSSON: Der Botschafter. Gedicht in freiem Vers. Aus dem Isländischen von Tina Flecken. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009. 368 Seiten, 19, 95 Euro
Mit heiligem Ernst wird hier die Sache der Lyrik bedacht
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2010

Unsichere Identitäten

Bragi Olafsson jongliert mit faszinierenden Plagiaten: Im Roman des isländischen Autors "Der Botschafter" gerät die Welt ins Wanken. Deren Bewohner auch.

Der Dichter Sturla reist zu einem Poesiefestival nach Litauen, vorher kauft er sich noch einen Mantel, einen Aquascutum-Trenchcoat. Er ist nicht nur teuer, sondern auch wasserabweisend wie ein laminierter Schutzumschlag, "das sollten Sie als Lyriker ja kennen", bemerkt der Verkäufer. In Wilna wird Sturla der Mantel entwendet, er rächt sich, indem er selbst einen stiehlt, einen Brooks Brothers, der ist noch teurer. Dass der Mantel dem amerikanischen Finanzier des Festivals gehört, ist eine der Zufallsbeziehungen, der erstaunlichen Verbindungen im Buch, andererseits aber ergibt sich das eine aus dem anderen, alles hängt irgendwie zusammen.

"Wir Dichter dürfen sagen, was uns in den Sinn kommt. Selbst wenn es grober Unfug ist", sagt im Roman ein bärtiger litauischer Poet, dabei ist "Der Botschafter" kein Nonsense-Buch, sondern ein Roman vertauschter und unsicherer Identitäten, von Menschen, Texten und Dingen. Dass Bragi Olafsson bei Gelegenheit gesagt hat, die ganze Literatur stehe auf dem Boden der Tatsachen, macht alles nur verwirrender.

Von Selbstzweifeln geplagt, fühlt sich Sturla in Litauen immerhin als "Botschafter" seines Landes, doch er kommt nie dazu, seine Sachen vorzutragen, und wenn er durch Wilna geht, lässt er das Viertel seiner Kindheit in Reykjavík Revue passieren, all die Straßen, in denen der Vater, ein alter Filmregisseur, und die Mutter, dem Alkohol zugeneigt, wohnen. Seine Erinnerung korrespondiert mit dem realen Abschied von den Eltern vor der Abreise nach Wilna. Hier nun erfahren wir auch, was es mit der Mappe auf sich hat, die Sturlas Großvater gehörte und die nach dessen Tod über den Vetter Jonas zu Sturla gelangte. In der Mappe fand Sturla ein fertiges Manuskript mit brauchbaren Gedichten, auf die er gern zurückgreift, die aber selbst wiederum von den alten isländischen Poeten beeinflusst sind. Dass man ihn nun des Plagiats bezichtigt, ist niederschmetternd und absurd zugleich.

Bragi Olafsson hat viel von Paul Auster gelernt, dessen "Stadt aus Glas" er ins Isländische übersetzt hat. Er verwendet Zitate, Sackgassen und Irrfahrten. Aber er hat auch von den frühen Modernen gelernt, seinen Roman nennt er "Gedicht in freiem Vers", eine Verbeugung vor dem Vorbild Gogol, der "Die toten Seelen" ein "Poem" nannte, damit aber eigentlich ein Prosaepos meinte. Das Motiv findet sich in Gogols Erzählung "Der Mantel", und das Ausführliche und gleichzeitig Nervöse gibt es bei Herman Bang und beim jungen Hamsun. Neu ist das Spiel mit den Identitäten, mit Originalen, Artefakten und Plagiaten, nicht. Faszinierend aber dennoch. Zumal Olafsson, einst Bassist bei Björks Sugarcubes, ein geistreicher und hinreißend amüsanter Schriftsteller ist (und von Tina Flecken "haarfein und clever" übersetzt wurde), artistisch raffiniert, aber mit existentiellem Ernst und Druck, sein Roman ist eben nicht nur ein postmodernes Spiel.

PETER URBAN-HALLE

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Island und Lyrik, das kann ja so spannend ja nicht sein, denkt auch der Rezensent. Und wenn die Handlung um einen skeptischen, alkoholseligen Dichter aus Reykjavik, den es zu einem Literaturfestival nach Litauen verschlägt, und eine verwandte weibliche Seele so "halbamüsant" dahinplätschert, fühlt sich Christoph Bartmann durchaus bestätigt. Als allerdings das Unprätentiöse der Figur von Bragi Olafsson mal wieder bis an die Schmerzgrenze getrieben wird, geht dem Rezensenten plötzlich ein Licht auf: Wenn die Figuren hier mit heiligem Ernst die Sache der Lyrik verhandeln, entstehen die "Umrisse eines poetologisch-philosophischen Essays".

© Perlentaucher Medien GmbH