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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.1999

Wie im Himmel, so in Aachen: Rotbarts Lichter

Viele Himmelskronen sind nicht mehr übriggeblieben. Im Mittelalter hingen in den Stiftskirchen mindestens achtunddreißig gewaltige Radleuchter, gerade vier haben überlebt, davon zwei in Hildesheim, einer in Großcomburg und der Barbarossaleuchter im Aachener Dom. Letzterer, eine Stiftung Kaiser Friedrich Barbarossas und seiner Gemahlin, ist das einzige sechzehneckige Exemplar unter seinen zwölfeckigen Geschwistern. Mit dieser Sonderform nimmt der Aachener Leuchter den Grundriß der karolingischen Pfalzkapelle auf, in der er hängt. Mehr als vier Meter erreicht er im Durchmesser, und sechzehn Türme schmücken ihn, deren Höhe bisweilen fast einen Meter erreicht.

Seit ihrer Montage, vermutlich anläßlich der Erhebung der Gebeine Karls des Großen durch seinen Nachfolger Barbarossa im Jahr 1165, hat die gewaltige Konstruktion den Dom nicht mehr verlassen; der Eisenreifen paßt durch keine Tür. Doch von 1991 bis 1998 wurden die Schmuckteile gesichert und saniert, und diese Arbeiten hat das Domkapitel von Aachen dazu genutzt, einen Bildband zu erstellen, der die einzelnen Türme und vor allem deren gravierte Bodenplatten in prachtvollen Fotografien vorstellt.

Seit 1864 sind die Motive der Bodenplatten nicht mehr komplett veröffentlicht worden. Damals hatte man sie abgenommen, mit Braunkohlepulver bestrichen und sie wie Druckplatten zur Herstellung von seitenverkehrten Abzügen benutzt. Jetzt aber erst kann man die zwei Zyklen der Platten - die Seligpreisungen der Bergpredigt und Szenen aus dem Christusleben - im Zusammenhang und endlich nicht mehr seitenverkehrt bewundern, zwangsläufig allerdings auch nicht in so brillanten Kontrasten wie noch auf den alten Drucken.

Unsere Abbildung zeigt die Bodenplatte eines der großen Türme. Christus hält eine Schrifttafel mit der siebten Seligpreisung: "Selig die Friedfertigen, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden." Jede dieser Platten korrespondiert mit einer des anderen Zyklus, so daß der Barbarossaleuchter ein erzählerisches Bildprogramm darbietet, das in seiner Zeit ohne Beispiel war. Daß zudem auch die Gestalt des Leuchters selbst mit seinen Zinnen und Türmen ein Abbild des himmlischen Jerusalems darstellt, kann man dem knappen, aber informativen Begleittext Herta Lepies entnehmen, die die Sanierung leitete. Daß die architektonische Gestalt aber auch Aachen selbst zum Thema macht, von dem der kaiserliche Stifter als Gegenleistung für die 1166 erfolgte Verleihung der Stadtrechte den Bau einer Stadtmauer verlangte, erfährt man in diesem Buch nicht. Es leistet aber auch so bereits mehr als genug. Es ist eines der schönsten Geschenke zum 1200. Domjubiläum, das Aachen im nächsten Jahr begehen wird. ANDREAS PLATTHAUS

Herta Lepie, Lothar Schmitt: "Der Barbarossaleuchter im Dom zu Aachen". Einhard Verlag, Aachen 1998. 75 S., 91 Abb., geb., 39,80 DM.

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