Produktdetails
  • Verlag: Peter Hammer Verlag
  • Originaltitel: El futbol a sol y sombra
  • 1997.
  • Seitenzahl: 277
  • Deutsch
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 355g
  • ISBN-13: 9783872947659
  • ISBN-10: 3872947656
  • Artikelnr.: 07144790
Autorenporträt
Eduardo Hughes Galeano, geboren 1940 in Montevideo / Uruguay, wurde mit 20 Jahren stellvertretender Chefredakteur der bekannten Zeitschrift für Kultur und Politik MARCHA in Montevideo. Zwischen 1964 und 1966 war er Direktor der EPOCHA, der Zeitschrift der 'unabhängigen Linken' von Uruguay.
1973 übernahm er in Buenos Aires die Chefredaktion der Zeitschrift CRISIS und leitete sie bis zur Schließung des Verlags 1976. Ab 1976 lebte Guleano im spanischen Exil. Im Frühjahr 1985, nach der Beendigung der Militärdikatur in Uruguay, kehrte er nach Montevideo zurück. Für seine literarische Arbeit erhielt er u.a. den Preis der "Casa de las Americas" und den "American Book Award". Eduardo Hughes Galeano verstarb 2015.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.1998

Der Kuß der Windgöttin
Selige Sehnsucht: Eduardo Galeano liebt den Traumfußball

Albert Camus tat es, Ernesto Guevara tat es, und Antonio Gramsci fand es auch gut: Fußballspielen. Camus fungierte als Torwart der Universitätsmannschaft von Algier, und Guevara war - zehn Jahre vor dem Beginn seiner Karriere als "Che" und Guerillero - stolz darauf, bei einem Intermezzo in Kolumbien seinen Kasten sauber gehalten zu haben.

Edward III. hingegen gab zu Protokoll, daß Fußball eines der "dummen und völlig nutzlosen Spiele" sei und deshalb zu unterbleiben habe. Aber das war anno 1344. Eduardo Galeano, als Uruguayer Bürger eines mit Fußballenthusiasmus schwer infizierten Staates, war nach eigenem Eingeständnis "das schlimmste Holzbein der Bolzplätze meines Landes". So ist bei ihm an eine praktische Umsetzung von Fußballtraum und Traumfußball nicht zu denken. Seinen Fähigkeiten eher entsprechend, versucht er es deshalb hier literarisch, wobei er unter Mangel an Begeisterungsfähigkeit wohl kaum leidet. "Wenn es wirklich guten Fußball gibt, dann danke ich für das Wunder, und es ist mir ganz egal, welcher Verein oder welches Land ihn mir bietet."

Im Kern ist dieses Buch ein vielstrophiger Lobgesang auf diesen "wirklich guten Fußball", den Galeano wegen der Disparatheit von Austragungsorten und -zeiten zwar meist nicht selbst beobachten konnte, der ihm aber durch ein ausgedehntes Korrespondentennetz von Freunden und Bekannten wie auch durch Fachliteratur vermittelt wurde. So tauchen viele der bekannten und auch unbekannteren Spielszenen und Stars dieses Jahrhunderts noch einmal auf, für die Genesis eines Stars hat er dabei eine bislang unbekannte Erklärung: "Eines Tages küßt die Göttin des Windes den Fuß des Mannes, und aus diesem Kuß entsteht ein Fußballstar, und die Kugel aus Leder sehnt sich nach ihm." Der Mann aber wohl nicht unbedingt nach ihr, denn vom sowjetischen Torwart Oleg Jaschin wird berichtet, daß er den "Ball nur mit seinem Blick ablenken" konnte, was nach einem Kuß der Windsbraut ja nicht weiter zu verwundern braucht, genausowenig wie die Tatsache, daß die Fußballkunst des Josep Zamitier durch "eine weitgehende Mißachtung von Zeit und Raum" charakterisiert war. Viele von Jaschins und Zametiers Kollegen haben es aber auch mit dem üblichen Handwerkszeug weit gebracht, Artur Friedenreich etwa: Der Brasilianer, Sohn eines deutschen Einwanderers und einer schwarzen Wäscherin, schoß schlicht mehr Tore als jeder andere, und der Chilene Ramón Unzaga erfand Anfang der zwanziger Jahre den Fallrückzieher, einfach so aus Daffke.

All dies gehört zur Abteilung Lob, bisweilen Lob & Hudel, die Originalausgabe verspricht aber Mitteilungen über "sol y sombra", Licht und Schatten des Fußballs. Und Schatten sieht Eduardo Galeano reichlich, geschuldet einer von ihm mißmutig betrachteten Gesamtentwicklung: "Das Tor ist der Orgasmus des Fußballs. Wie der Orgasmus, so wird das Tor in der modernen Gesellschaft immer seltener." Die Verhüter fußballerischer Höhepunkte sieht er in den Strategen der Kommerzialisierung, in der Allianz von FIFA, Fernsehgesellschaften und Fußballbesitzern wie Berlusconi und Co., mit anderen und seinen Worten: "In dem Maße, wie dieser Sport zu einer Industrie geworden ist, hat er immer mehr die Schönheit verbannt, die aus der reinen Freude am Spiel entsteht."

Weniges von dem, was Galeano an gesellschafts- und fußballkritischen Überlegungen zu bieten hat, ist neu oder überraschend, aber selten wurde mit solcher Emphase zum Thema geschrieben, wobei vielleicht nicht ausbleiben kann, daß manche Metapher weit am Tor vorbeisegelt, auch ohne daß Jaschin seinen Zauberblick bemühen mußte. Natürlich kann ein solch heißes Herz wie das Galeanos auch gegen die Fakten nicht aufhören zu hoffen: "So sehr ihn die Technokraten bis in die letzte Einzelheit programmieren, so sehr ihn die Mächtigen auch manipulieren, will der Fußball doch immer die Kunst des Unvorhergesehenen sein." Um diesem Wollen unter die Arme zu greifen, könnte man sich vielleicht auf eine alte Praxis der Azteken zurückbesinnen: Bei deren fußballähnlichen Kampfspielen wurde die siegreiche Mannschaft geopfert. BURKHARD SCHERER

Eduardo Galeano: "Der Ball ist rund und Tore lauern überall". Aus dem Spanischen übersetzt von Lutz Kliche. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1997. 277 Seiten, br., 29,80 DM.

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