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Er spielt Saxophon wie kaum ein anderer. In Sachen Jazz macht ihm niemand etwas vor. Dennoch muss er sein Geld in der Gosse verdienen, mit einem Ring in der Nase. Denn er ist ein Bär. Eines Tages hält den Bären nichts mehr. Im weiten Mantel, den Hut tief ins Gesicht gezogen, marschiert er in einen Club und jammt bis in die frühen Morgenstunden.

Produktbeschreibung
Er spielt Saxophon wie kaum ein anderer. In Sachen Jazz macht ihm niemand etwas vor. Dennoch muss er sein Geld in der Gosse verdienen, mit einem Ring in der Nase. Denn er ist ein Bär. Eines Tages hält den Bären nichts mehr. Im weiten Mantel, den Hut tief ins Gesicht gezogen, marschiert er in einen Club und jammt bis in die frühen Morgenstunden.
Autorenporträt
Rafi Zabor ist 51, Musikjournalist und Jazzdrummer. An "Der Bär kommt heim" schrieb er zwanzig Jahre, bis der Roman schließlich 1997 erschien und begeisterte Kritiken erhielt. Rafi Zabor arbeitet mittlerweile an seinem zweiten Roman, "I, Wabenzi".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.01.2000

Stein im Brunnen dunkler Tiefe
Der mit dem Saxofon tanzt: Rafi Zabors esoterischer Jazz-Bär

Eigentlich ist der Bär ein stinknormaler New Yorker Möchtegern-Künstler, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt und vom großen Auftritt träumt. Zum Jagen geboren, zum Tanzen bestellt. Downtown Manhattan ist nicht gerade das Revier seiner Träume, aber immerhin kann man hier sein Leben fristen. Der Bär ist vielleicht ein bisschen talentierter als andere, aber was ihm eines Tages die große Chance in die Fänge spült, das sind seine körperlichen Vorzüge: He, hier ist ein Bär, der sprechen kann! Und nicht nur das: Ihr solltet ihn hören, wenn er das Rohrblatt eines Altsaxofons zwischen die Kiefer bekommt!

Der Bär erobert die Bühnen, und Jones hat das Nachsehen. Jones, der ihn sonst schon mal hart an die Leine nahm, wenn eine Polizeistreife auftauchte. Noch ist Jones sein Freund und Besitzer, der die meiste Zeit vor dem Fernseher rumhängt, wenn er nicht mit dem Bären kleine Showeinlagen am Straßenrand zum Besten gibt. Den Bären knöpfte er einst einem Matrosen beim Kartenspiel ab, und das war der Lichtblick seines Lebens. Dass das verwaiste Zotteltier in einem nachlässig geführten Männerhaushalt nicht nur sprechen und denken lernt, sondern auch den Quintenzirkel für sich entdeckt, darf als bildungspolitisches Hoffnungszeichen gewertet werden.

Doch für alle Gaben kommt der Tag, wo sie ans Licht drängen, und die des Bären treiben ihn in einen Jazzclub an der Second Avenue. Ist er erst am Türsteher vorbei, kann nichts mehr seine wundersame Karriere aufhalten. Aus dem mitswingenden Zuhörer im Regenmantel wird der ausgebuffte Jazzer. Sein "Alt" streichelt die Melodien, bringt die Standards zum Fliegen oder haut die Phrasierungen wie ein Freejazzer kurz und klein. Natürlich wird der Bär zum Insidertip einer Clubszene, die nach dem Niedagewesenen lechzt. In artfremdem Gewand zelebriert er die Klassiker, die dafür sorgten, dass dieses Jahrhundert so klang wie kein anderes.

Im musikalischen Material und auch im Gerangel hinter den Kulissen kennt sich der Musikjournalist Rafi Zabor bestens aus. Diesen Erfahrungen verdankt sein Roman wunderbare Beschreibungen des Zusammenspiels einer Band, aber auch die Neigung zu didaktischem Übereifer. Über Musik als Geschehen kann Zabor so sinnlich schreiben, dass einem die Ohren sausen. Wo Klänge und Melodien sich aufbauen, groß und mächtig, dann wieder zart und anschmiegsam, von einem Mitspieler zum nächsten wechseln, ihr ewiges Frage-Antwort-Spiel treiben: Da ist Rafi Zabor ganz bei der Sache. Dann aber schlägt der Laienprediger durch. Denn diese intensiven Schilderungen von zwei, drei Konzerten, über den Text verstreut, haben Appellcharakter. Leg das Buch zur Seite, gehe hin und höre! Dass Zabor für Jazz-Anfänger schreibt (der Anhang nennt empfehlenswerte Einspielungen und gibt Auskunft über deren Lieferbarkeit), ist weder degoutant noch ehrenrührig. Aber es mischt seinem Roman einen Misston klirrend militanter Lebensbejahung unter. In die Kerbe derselben Ersatzreligion hauen auch die Spiritualitäts-Phrasen, zu denen Zabor immer dann greift, wenn eine besonders ekstatische Solo-Einlage gewürdigt werden soll. In solchen Momenten kehrte der Bär "sich nach innen, fiel wie ein Stein im Brunnen seiner selbst in die dunkle Tiefe".

Die schönsten solcher Schmonzetten werden durch den oft hilflosen Übersetzer in die Gefilde metaphysischer Albernheit verschleppt, etwa wenn der Bär "alle Materie und alle lebenden Wesen sich aus den Ketten der Umstände befreien" sieht. Dass derlei Verblasenheiten dem Saxofonisten in den Mund gelegt werden, müsste Tierschutzbund und Musikergewerkschaft gleichermaßen auf den Plan rufen. Doch macht sich der Autor gelegentlich die Mühe, seine New-Age-Philosophie als Rollenprosa zu erden. Etwa, indem er sie als drogenähnlichen Egotrip kennzeichnet, der den Bären während eines überlangen Solos befällt: "Ist es wirklich notwendigerweise mit so viel Schaden verbunden, eine künstlerische Aussage zu machen, die den elementaren Fragen genügt, die meine Existenz aufgeworfen hat?"

Diesem Anflug handwerklicher Selbstkritik können Zabors Leser grummelnd zustimmen. Nicht aber der Übersetzer Karsten Singelmann und sein anonymer Lektor. Auf ihr Konto gehen die meisten Fettnäpfe, die den Bärenfreunden das Lesen schwer machen. Kann man sich "Präkognition" zur Not selber übersetzen, so bleibt "Autokulturabschnitt" ein nicht zu erhellendes Mysterium. Nicht geläufig ist der deutschen Bearbeitung übrigens, dass sich die Bezeichnungen der Tonarten hierzulande von den englischen unterscheiden. Irren ist menschlich, würde der Bär dazu sagen.

Dabei hätte es der vermurksten deutschen Version gar nicht bedurft, um die kometenhafte Künstlervita eines freilebenden Waldtieres mit der gewünschten menschlichen Note zu versehen. Von den Gesetzen des Erzählhandwerks weiß Zabor genug, um seine Bärengeschichte nicht in Watte zu packen. Den märchenhaften Aufstieg vergällen Freundesneid und Liebesleid. Der gute Kumpel Jones verkauft seine Seele und die Musik des Bären an die meistbietende Plattenfirma. Den Helden selbst, der gerne den knuffigen Felltypen gibt, deprimiert eine hoffnungslose, da artübergreifende Liebesgeschichte. Kleinliche Bedenken und tiefsitzende Ängste begegnen dem Bären auf Schritt und Tritt. Ein Auftritt endet gar mit einer Polizeirazzia, die ihn für einige Zeit ins Gefängnis bringt. So gesehen verbirgt sich im Bärenfell das Motiv des rassistisch verfolgten Außenseiters, das viele schwarze Musikerbiographien durchzieht.

Leider unternimmt Zabor alles, um seine Bärenidee plausibel zu machen, statt auf ihre Suggestionskraft zu vertrauen. Die abgründige Fremdheit, die den Tier- und Künstlerfiguren gemeinsam ist, wäre eine Geschichte wert gewesen. "War er ein Tier, da ihn Musik so ergriff?", fragt sich Gregor Samsa in Kafkas "Verwandlung".

ALEXANDER HONOLD

Rafi Zabor: "Der Bär kommt heim". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Karsten Singelmann. btb, München 1999. 672 S., geb., 46,90 DM

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