Marktplatzangebote
9 Angebote ab € 4,00 €
  • Gebundenes Buch

Köln. Auf den Affen gekommen. Das Buch zum 25. Todestag des Affen Petermann. Als Entertainer gefeiert, als Psychopath weggesperrt, als Ausbrecher erschossen, als Märtyrer verehrt. Keinem Popstar ist je widerfahren, was dem Kölner Zooschimpansen Petermann geschah. Die Geschichte des Affen hat geradezu mythische Dimensionen. Denn sie handelt nicht nur vom Schicksal einer dressierten Kreatur, sondern vom zivilisatorischen Streben und Scheitern einer ganzen Spezies: der Kölner. Wie wurden sie, was sie sind? Warum sind sie nicht, was sie werden wollten? Und wieso stört sie das gar nicht? Der Fall…mehr

Produktbeschreibung
Köln. Auf den Affen gekommen. Das Buch zum 25. Todestag des Affen Petermann. Als Entertainer gefeiert, als Psychopath weggesperrt, als Ausbrecher erschossen, als Märtyrer verehrt. Keinem Popstar ist je widerfahren, was dem Kölner Zooschimpansen Petermann geschah. Die Geschichte des Affen hat geradezu mythische Dimensionen. Denn sie handelt nicht nur vom Schicksal einer dressierten Kreatur, sondern vom zivilisatorischen Streben und Scheitern einer ganzen Spezies: der Kölner. Wie wurden sie, was sie sind? Warum sind sie nicht, was sie werden wollten? Und wieso stört sie das gar nicht? Der Fall Petermann ist ein Schlüssel zur Kölner Mentalität. Bis heute, 25 Jahre nach seinem Tod, lassen sich Spuren des Affenartigen in der Stadt nachweisen. Walter Filz, Kulturjournalist und Kölner, hat sich als Primatdetektiv tief in die lokale Vergangenheit begeben, in Akten gewälzt und Archiven gewühlt, Schimpansenforscher und Kölnkenner konsultiert. Ergebnis seiner Recherchen: der Affe zu Köln ist der Affe im Kölner. Das Wilde, das ihn packt. Der Instinkt, der ihn reitet. Das Biest, das ihn beißt. Sobald es dressiert werden soll. Immer wieder. Bis heute
Autorenporträt
Dr. Walter Filz, geb. 1959 in Köln, leitet seit 2005 die Redaktion Literatur und Feature beim Südwestrundfunk in Baden-Baden. Für seine freie Arbeit als Autor und Kulturjournalist erhielt er zahlreiche renommierte Auszeichnungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2011

Jeder Jeck ist anders, aber Kölsche muss er sein

Versuche, sich dem Wesen der Stadt Köln zu nähern, gibt es etliche. Walter Filz versucht es auf dem Affenweg. Er erzählt die Geschichte des Show-Schimpansen Petermann, des langjährigen Stadtmaskottchens am Rhein.

Vordergründig erzählt Walter Filz von Petermann, dem "Affen zu Köln", jenem Show-Schimpansen, der am 10. Oktober 1985 von Wärtern erschossen wurde, nachdem er aus seinem Käfig ausgebrochen und den Zoodirektor halbtot gebissen hatte. Das blutige Ende einer erstaunlichen Komikerkarriere. Denn Petermann war nicht irgendein Menschenaffe. Er war der erste tierische Fernsehstar der Adenauer-Republik, die nach Krieg und Diktatur noch nicht wieder so recht wusste, worüber man gefahrlos lachen durfte. Ein kleiner Schimpanse, der im Sylvesterprogramm 1952 vor laufender Kamera Faxen machte, kam da als ideologisch unverdächtiger Spaßkumpan gelegen. Vor allem in Köln stieg Petermann schnell zum bejubelten Maskottchen auf.

Das Affenkind traf den Kölner Humor, der traditionell ohne Witz und Pointe auskommt, wie schon der Bonner Gelehrte Heinrich Lützeler festgestellt hat. Während Lützeler darin allerdings keinen Mangel erkannte, formuliert Filz nun deutlich schärfer: "Der Kölner Humor (geht) runter wie Öl, und keine Bedeutungsballaststoffe machen ihn schwer verdaulich." Wie bei Kleinkindern hege der rheinische Frohsinn "ein lustvolles Interesse an Ausscheidungsvorgängen" und habe selbst "etwas Affenartiges".

Kein Wunder also, dass der Schimpanse Petermann, kaum der Flasche entwachsen, in der Session 1953/54 zur Hauptattraktion der Karnevalssitzungen wurde. Man steckte ihn in Gardeoffiziersuniform, in Kellner-Montur, ins Ballett-Tutu und setzte ihm bei seiner Paraderolle als "Pitter" neben dem Büttenredner Peter ("Pitter") Schumacher den Seppelhut auf. Im Sektglas des minderjährigen Primaten befand sich nur Honigwasser, und abends um zehn wurde er aus Jugendschutzgründen in den Zoo zurückgebracht.

Filz zeichnet in seiner Köln-Chronik der Wirtschaftswunderjahre das Bild einer präzivilisierten Metropole, die Ende der Fünfziger nicht ohne Grund "Chicago am Rhein" hieß. Sowohl bei den Verkehrsunfällen (nicht selten mit Todesfolge) als auch bei den Gewaltdelikten lag die Domstadt damals im bundesdeutschen Vergleich weit vorn auf Platz eins. Es gab regelrechte No-Go-Areas wie das Stadtviertel Mühlheim, in deren Kneipen die Fäuste flogen. Statistisch gesehen war jeder neunte Bürger kriminell.

Ähnlich wie in seinen preisgekrönten Radio-Features nimmt der Kulturjournalist Filz auch in seinem ersten Sachbuch ein Alltagsphänomen zum Anlass, gesellschaftliche Mythen zu entzaubern. Der Fall Petermann dient ihm als Aufhänger, um mit dem kölschen Image der Weltoffenheit und Fremdenfreundlichkeit aufzuräumen. Denn letztlich, so lautet das wenig schmeichelhafte Resümee des Autors, würden die Kölner bis heute von jedem zugereisten "Exoten" dasselbe erwarten, was sie auch schon dem armen Affen abverlangt hätten: Assimilation bis zur Selbstaufgabe. Man könnte diese Strategie offensiver Scheintoleranz als eine Art Verbrüderungstrick beschreiben. So möchte der Kölner, der stolz auf die zweitausendjährige Geschichte seiner Stadt ist, einen Nicht-Kölner eigentlich gar nicht erst kennenlernen. Zu sehr ist er überzeugt davon, dass alles, was anderswo passiert, in Köln immer auch schon und viel großartiger stattgefunden hat. Seine Gastfreundlichkeit entpuppt sich als gut getarnte Gleichgültigkeit, die jeden "Imi" (kölsch für: "Zugezogener") von vornherein bedauert. Gönnerhaft drückt er den bemitleidenswerten Fremden fest an die eigene Brust - so fest, dass dieser wehrlos wird.

Als besonders bizarres Beispiel für den freundlichen Kolonialismus erwähnt Filz den Besuch Josephine Bakers 1953. Die amerikanische Jazzsängerin war zu diesem Zeitpunkt ein international gefeierter Weltstar, was den Karnevalstrupp "Löstige Afrikaner" aber nicht davon abhielt, sie als "Eingeborene" mit schwarzer Schminke im Gesicht, Baströckchen und Wumba-Tumba-Trommel zu empfangen. "Wir wollten zeigen, dass wir es nicht für unter unserer Würde halten, uns mit den Sitten und Gebräuchen afrikanischer Stämme zu befassen", verkündete Truppführer Alois Liesenfeld freudestrahlend. Baker lächelte - perplex - zurück.

Wer als Besucher hingegen weniger erfreut auf die eigene Herabwürdigung reagiert, dem kann der sonst so lockere Rheinländer ziemlich unlocker entgegentreten. Wie eben dem pubertierenden Petermann, der irgendwann genug von Verkleidungsmätzchen hatte und Zoobesucher nicht mehr nur drollig mit Bananenschalen, sondern auch mit eigenen Exkrementen bewarf. So sperrte man ihn 1957 in einer Zehnquadratmeterzelle weg, die er achtundzwanzig Jahre lang nicht mehr verlassen durfte. Doch selbst als toter Affe kam Petermann immer noch nicht aus dem vereinnahmenden Klammergriff der Kölner los.

Die linksalternativen "Sofa-Revolutionäre" der Südstadt rund um den BAP-Sänger Wolfgang Niedecken stilisierten das Tier postum zum Märtyrer ihres eher harmlosen Hausbesetzer-Protests, der anders als die Kreuzberger Straßenkrawalle ohne Schwerverletzte und Tote verlaufen war. Ein erschossener Menschenaffe, der angeblich noch kurz vor seinem Exitus die linke Faust gen Himmel gereckt hatte, konnte hier ein bisschen über das Fehlen eines heroischen Freiheitskampfes hinwegtäuschen. Denn selbst für die Berufsnörgler Kölns ist - so die böse Logik von Walter Filz - nur schwer vorstellbar, dass es in ihrer Stadt einmal etwas nicht gegeben haben könnte, was anderswo stattgefunden hat.

GISA FUNCK

Walter Filz: "Der Affe zu Köln oder Petermanns Rache".

Greven Verlag, Köln 2010. 240 S., geb., 16,90 [Euro]

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schön böse findet Gisa Funck diese Köln-Chronik der Adenauerzeit von Walter Filz. Als präzivilisierte Metropole wie bei Filz gefällt ihr Köln schon wieder ganz gut. Ob der pointenfreie Karnevalshumor oder die Geschichte mit dem Affen Petermann, der erst als Komiker im Fernsehen reüssierte und später, nachdem er mit Exkrementen um sich geworfen hatte, weggesperrt wurde - Filz, meint Funck, trifft den Kern der Sache. Und der ist finster. Am Ende der Lektüre ist das Image der lustigen Stadt Köln am Rhein, ihrer Weltoffenheit und Fremdenfreundlichkeit ordentlich ramponiert und die Rezensentin scheint zufrieden.

© Perlentaucher Medien GmbH